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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Das wundertätige Schlangenkraut in Mythen, Sagen und Märchen

gesandt. Darum war es eine allgemein verbreitete Volksanschauung, daß der zum
Heros gewordne Tote Schlangengestalt annahm, oder daß nach dem Tode des
Heros eine Schlange an seinem Grabe zurückblieb, die den Leichnam als Genius
beschuhte und den Totenkult entgegennahm. Aber die Schlange hütete nicht nur
das Grab, sondern jeden geweihten Ort, vor allem die Statten des den Ahnen
gewidmeten Kultus, nämlich den Altar und den Herd des Hauses und darum auch
das Haus selbst. Als unterirdischer Dämon hat die Schlange ein übermenschliches
Ahnungsvermögen, oder sie verleiht, wein sie wohl will, die Sehergabe, die den
Schleier der Zukunft lüftet oder die Sprache der Tiere versteht. Ebenso gebietet
sie über die geheimnisvollen Schätze und Kräfte des Innern der Erde. Daher
stammen die Vorstellungen von den ortshütenden und schätzehütendcn Schlangen,
die Fabeln von den Wundersteineu, die sie verleih" oder auf ihrem Kopfe tragen.
Darum kennen sie auch das Kraut, das gegen den Tod gewachsen ist.

Die meisten dieser Züge kehren in den Mythen und den Märchen nicht nur
der alten Griechen, sondern fast aller Völker wieder. In den Märchen, die uns
hier beschäftigen, ist der mythologische Charakter der Schlange niemals ganz ge¬
schwunden, er tritt vielmehr überall zutage. Ju andern Märchen haben die Tiere,
die darin vorkommen, wohl auch menschliche Empfindung und Sprache, aber weiter
hinaus zeigen sie selten einen übernatürlichen Charakter, während man bei den
Schlangen noch deutlich ihr ursprünglich dämonisches, übernatürliches Wesen er¬
kennen kann.

Nach einem uralten Sehermärchen von der Insel Kreta bei Apollodor III, 3, 1. 2
verfolgt Glankus, ein Sohn des Königs Minos und der Pasiphae, als Kind eine
Maus, fällt dabei in ein Honigfaß und stirbt. Der Seher Polyidus findet den
toten Knaben, aber der König ist damit nicht zufrieden, er will den Sohn lebendig
wieder haben und schließt den widerspenstigen Seher mit dem Leichnam in die
Grabkammer ein. Hier sieht Polyidus, wie eine Schlange dem toten Knaben naht,
er erschlägt sie; aber eine zweite kommt heran, sieht die Gefährtin tot, ent¬
fernt sich wieder und kommt mit einem Kraute wieder, das legt sie auf die tote
Schlange, und diese erwacht. Sofort erweckt Polyidus mit demselben Kraut auch
deu Knaben.

Eine ganz ähnliche Geschichte wird von Plinius 25. Kap. II 5. 6 über den
Wunderknaben Tylos in Lydien erzählt. Der Knabe wird von einem Drachen ge¬
tötet. Man sieht, daß eine kleine Schlange von ihrer Mutter durch das Wuuder-
kraut Balis ins Leben zurückgerufen wird, und belebt mit demselben Kraut auch
den Tylos. Auch in Arabien und andern Gegenden erzählte man von derselben
Wunderkraft gewisser Kräuter.

Dieselben Züge finden wir in dem bekannten Grimmschen Märchen Ur. 16
"Die drei Schlaugeublnttcr" wieder. Der einzige Sohn eines armen Mannes
verläßt das Elternhaus, um dem Vater nicht weiter zur Last zu füllen. Im Dienst
eines mächtigen Königs besiegt er das feindliche Heer, kommt zu großen Ehren
und wirbt um die Königstochter. Aber die Prinzessin, die sehr schön, zugleich aber
auch sehr wunderlich ist, will keinen zum Herrn und Gemahl nehmen, der nicht
verspräche, wenn sie zuerst stürbe, sich lebendig mit ihr begraben zu lassen. Da¬
gegen Will sie dasselbe tun, und wenn er zuerst stürbe, mit ihm in das Grab
steigen. Die Liebe des Jünglings ist so groß, daß er der Gefahr nicht achtet und
das Versprechen abgibt. Die Hochzeit wird mit großer Pracht gefeiert. Nun leben
sie eine Zeit lang glücklich und vergnügt miteinander. Aber die junge Königin fällt
in eine schwere Krankheit und stirbt. Ihrem Gemahl graut es davor, sich lebendig
in das Grab zu legen, kann jedoch seinem Schicksal nicht entgehn. Als der Tag
kommt, wo die junge Königin im Gewölbe beigesetzt wird, da wird er mit hinab¬
geführt und dann das Tor verschlossen. Da sitzt er nnn voll Schmerz und Trauer
und sieht doch, wie der Tod immer näher heranrückt. Indem er so vor sich hin¬
starrt, sieht er aus der Ecke des Gewölbes eine Schlange hervorkriechen, die sich


Das wundertätige Schlangenkraut in Mythen, Sagen und Märchen

gesandt. Darum war es eine allgemein verbreitete Volksanschauung, daß der zum
Heros gewordne Tote Schlangengestalt annahm, oder daß nach dem Tode des
Heros eine Schlange an seinem Grabe zurückblieb, die den Leichnam als Genius
beschuhte und den Totenkult entgegennahm. Aber die Schlange hütete nicht nur
das Grab, sondern jeden geweihten Ort, vor allem die Statten des den Ahnen
gewidmeten Kultus, nämlich den Altar und den Herd des Hauses und darum auch
das Haus selbst. Als unterirdischer Dämon hat die Schlange ein übermenschliches
Ahnungsvermögen, oder sie verleiht, wein sie wohl will, die Sehergabe, die den
Schleier der Zukunft lüftet oder die Sprache der Tiere versteht. Ebenso gebietet
sie über die geheimnisvollen Schätze und Kräfte des Innern der Erde. Daher
stammen die Vorstellungen von den ortshütenden und schätzehütendcn Schlangen,
die Fabeln von den Wundersteineu, die sie verleih» oder auf ihrem Kopfe tragen.
Darum kennen sie auch das Kraut, das gegen den Tod gewachsen ist.

Die meisten dieser Züge kehren in den Mythen und den Märchen nicht nur
der alten Griechen, sondern fast aller Völker wieder. In den Märchen, die uns
hier beschäftigen, ist der mythologische Charakter der Schlange niemals ganz ge¬
schwunden, er tritt vielmehr überall zutage. Ju andern Märchen haben die Tiere,
die darin vorkommen, wohl auch menschliche Empfindung und Sprache, aber weiter
hinaus zeigen sie selten einen übernatürlichen Charakter, während man bei den
Schlangen noch deutlich ihr ursprünglich dämonisches, übernatürliches Wesen er¬
kennen kann.

Nach einem uralten Sehermärchen von der Insel Kreta bei Apollodor III, 3, 1. 2
verfolgt Glankus, ein Sohn des Königs Minos und der Pasiphae, als Kind eine
Maus, fällt dabei in ein Honigfaß und stirbt. Der Seher Polyidus findet den
toten Knaben, aber der König ist damit nicht zufrieden, er will den Sohn lebendig
wieder haben und schließt den widerspenstigen Seher mit dem Leichnam in die
Grabkammer ein. Hier sieht Polyidus, wie eine Schlange dem toten Knaben naht,
er erschlägt sie; aber eine zweite kommt heran, sieht die Gefährtin tot, ent¬
fernt sich wieder und kommt mit einem Kraute wieder, das legt sie auf die tote
Schlange, und diese erwacht. Sofort erweckt Polyidus mit demselben Kraut auch
deu Knaben.

Eine ganz ähnliche Geschichte wird von Plinius 25. Kap. II 5. 6 über den
Wunderknaben Tylos in Lydien erzählt. Der Knabe wird von einem Drachen ge¬
tötet. Man sieht, daß eine kleine Schlange von ihrer Mutter durch das Wuuder-
kraut Balis ins Leben zurückgerufen wird, und belebt mit demselben Kraut auch
den Tylos. Auch in Arabien und andern Gegenden erzählte man von derselben
Wunderkraft gewisser Kräuter.

Dieselben Züge finden wir in dem bekannten Grimmschen Märchen Ur. 16
„Die drei Schlaugeublnttcr" wieder. Der einzige Sohn eines armen Mannes
verläßt das Elternhaus, um dem Vater nicht weiter zur Last zu füllen. Im Dienst
eines mächtigen Königs besiegt er das feindliche Heer, kommt zu großen Ehren
und wirbt um die Königstochter. Aber die Prinzessin, die sehr schön, zugleich aber
auch sehr wunderlich ist, will keinen zum Herrn und Gemahl nehmen, der nicht
verspräche, wenn sie zuerst stürbe, sich lebendig mit ihr begraben zu lassen. Da¬
gegen Will sie dasselbe tun, und wenn er zuerst stürbe, mit ihm in das Grab
steigen. Die Liebe des Jünglings ist so groß, daß er der Gefahr nicht achtet und
das Versprechen abgibt. Die Hochzeit wird mit großer Pracht gefeiert. Nun leben
sie eine Zeit lang glücklich und vergnügt miteinander. Aber die junge Königin fällt
in eine schwere Krankheit und stirbt. Ihrem Gemahl graut es davor, sich lebendig
in das Grab zu legen, kann jedoch seinem Schicksal nicht entgehn. Als der Tag
kommt, wo die junge Königin im Gewölbe beigesetzt wird, da wird er mit hinab¬
geführt und dann das Tor verschlossen. Da sitzt er nnn voll Schmerz und Trauer
und sieht doch, wie der Tod immer näher heranrückt. Indem er so vor sich hin¬
starrt, sieht er aus der Ecke des Gewölbes eine Schlange hervorkriechen, die sich


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[0104] Das wundertätige Schlangenkraut in Mythen, Sagen und Märchen gesandt. Darum war es eine allgemein verbreitete Volksanschauung, daß der zum Heros gewordne Tote Schlangengestalt annahm, oder daß nach dem Tode des Heros eine Schlange an seinem Grabe zurückblieb, die den Leichnam als Genius beschuhte und den Totenkult entgegennahm. Aber die Schlange hütete nicht nur das Grab, sondern jeden geweihten Ort, vor allem die Statten des den Ahnen gewidmeten Kultus, nämlich den Altar und den Herd des Hauses und darum auch das Haus selbst. Als unterirdischer Dämon hat die Schlange ein übermenschliches Ahnungsvermögen, oder sie verleiht, wein sie wohl will, die Sehergabe, die den Schleier der Zukunft lüftet oder die Sprache der Tiere versteht. Ebenso gebietet sie über die geheimnisvollen Schätze und Kräfte des Innern der Erde. Daher stammen die Vorstellungen von den ortshütenden und schätzehütendcn Schlangen, die Fabeln von den Wundersteineu, die sie verleih» oder auf ihrem Kopfe tragen. Darum kennen sie auch das Kraut, das gegen den Tod gewachsen ist. Die meisten dieser Züge kehren in den Mythen und den Märchen nicht nur der alten Griechen, sondern fast aller Völker wieder. In den Märchen, die uns hier beschäftigen, ist der mythologische Charakter der Schlange niemals ganz ge¬ schwunden, er tritt vielmehr überall zutage. Ju andern Märchen haben die Tiere, die darin vorkommen, wohl auch menschliche Empfindung und Sprache, aber weiter hinaus zeigen sie selten einen übernatürlichen Charakter, während man bei den Schlangen noch deutlich ihr ursprünglich dämonisches, übernatürliches Wesen er¬ kennen kann. Nach einem uralten Sehermärchen von der Insel Kreta bei Apollodor III, 3, 1. 2 verfolgt Glankus, ein Sohn des Königs Minos und der Pasiphae, als Kind eine Maus, fällt dabei in ein Honigfaß und stirbt. Der Seher Polyidus findet den toten Knaben, aber der König ist damit nicht zufrieden, er will den Sohn lebendig wieder haben und schließt den widerspenstigen Seher mit dem Leichnam in die Grabkammer ein. Hier sieht Polyidus, wie eine Schlange dem toten Knaben naht, er erschlägt sie; aber eine zweite kommt heran, sieht die Gefährtin tot, ent¬ fernt sich wieder und kommt mit einem Kraute wieder, das legt sie auf die tote Schlange, und diese erwacht. Sofort erweckt Polyidus mit demselben Kraut auch deu Knaben. Eine ganz ähnliche Geschichte wird von Plinius 25. Kap. II 5. 6 über den Wunderknaben Tylos in Lydien erzählt. Der Knabe wird von einem Drachen ge¬ tötet. Man sieht, daß eine kleine Schlange von ihrer Mutter durch das Wuuder- kraut Balis ins Leben zurückgerufen wird, und belebt mit demselben Kraut auch den Tylos. Auch in Arabien und andern Gegenden erzählte man von derselben Wunderkraft gewisser Kräuter. Dieselben Züge finden wir in dem bekannten Grimmschen Märchen Ur. 16 „Die drei Schlaugeublnttcr" wieder. Der einzige Sohn eines armen Mannes verläßt das Elternhaus, um dem Vater nicht weiter zur Last zu füllen. Im Dienst eines mächtigen Königs besiegt er das feindliche Heer, kommt zu großen Ehren und wirbt um die Königstochter. Aber die Prinzessin, die sehr schön, zugleich aber auch sehr wunderlich ist, will keinen zum Herrn und Gemahl nehmen, der nicht verspräche, wenn sie zuerst stürbe, sich lebendig mit ihr begraben zu lassen. Da¬ gegen Will sie dasselbe tun, und wenn er zuerst stürbe, mit ihm in das Grab steigen. Die Liebe des Jünglings ist so groß, daß er der Gefahr nicht achtet und das Versprechen abgibt. Die Hochzeit wird mit großer Pracht gefeiert. Nun leben sie eine Zeit lang glücklich und vergnügt miteinander. Aber die junge Königin fällt in eine schwere Krankheit und stirbt. Ihrem Gemahl graut es davor, sich lebendig in das Grab zu legen, kann jedoch seinem Schicksal nicht entgehn. Als der Tag kommt, wo die junge Königin im Gewölbe beigesetzt wird, da wird er mit hinab¬ geführt und dann das Tor verschlossen. Da sitzt er nnn voll Schmerz und Trauer und sieht doch, wie der Tod immer näher heranrückt. Indem er so vor sich hin¬ starrt, sieht er aus der Ecke des Gewölbes eine Schlange hervorkriechen, die sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/104>, abgerufen am 05.02.2025.