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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Die preußisch-italienische Allianz von ^366

Preußen noch gar keine bestimmte Verpflichtung einging. Auch den Vorschlag
Govones, ein Abkommen zu schließen, wonach sich Preußen verbindlich machte,
daß die Herzogtümerfrage nicht ohne die venetianische gelöst werde, lehnte
Bismarck ab, der zuletzt, um Italien nicht loszulassen, als Minimum einen
allgemeinen Freundschafts- und Allianzvertrag vorschlug, der zu nichts ver¬
pflichte, der ihm aber für die Festhaltung des Königs von Nutzen sei,
Govone gewann den Eindruck, daß Preußen noch lange nicht an Krieg denke.
Er sah schon seine Mission als zwecklos an und wurde in dieser pessimistischen
Ansicht bestärkt durch den Gesandten Italiens am Berliner Hofe, den Grafen
Barral, gleichfalls einen Piemontesen (beschränkt und empfindlich nannte ihn
Bismarck, Bernhard:, 7, 262), aber auch durch die andern Mitglieder des
diplomatischen Korps, Lord Loftus warnte ihn, sich mit Preußen einzulassen,
das sicher im gegebnen Augenblick Italien im Stich lasse, und Benedetti
glaubte gleichfalls nicht, daß es zum Kriege kommen werde.

Immerhin blieb Govoue in Berlin, es wurde Zeit gewonnen, und es
konnte seiner Regierung nur angenehm sein, wenn Österreich den Glauben
gewann, daß ein preußisch-italienisches Bündnis im Werke sei. Auch die
folgenden Unterredungen mit Bismarck brachten keinen wesentlichen Fortschritt.
Govone machte gegen Bismarck gar kein Hehl aus seinen: Argwohn, man
brauche die Verhandlungen mit Italien bloß zu dem Zweck, Österreich ein¬
zuschüchtern. Bei dem Vorschlage Bismarcks, gegenseitig Militärbcvollmächtigte
nach Berlin und Florenz zu senden, argwöhnte Govone von neuem den Hinter¬
gedanken, daß es nnr auf eine Demonstration abgesehen sei. Er könne, schrieb er
am .17. März, von den eingeleiteten Verhandlungen keinen ernsthaften und
Praktischen Gewinn für Italien erwarten.

Mittlerweile hatte sich durch den Beginn der Rüstungen die Lage verschärft,
und auch die italienischen Unterhändler zeigten sich jetzt geneigter. An dem Willen
Bismarcks zum Kriege konnte Govone nicht mehr zweifeln, er hatte schon
nach der ersten Unterredung mit Bismarck ausgerufen: Das ist Cavour, wie
er leibt und lebt! und am 21. März empfing er auch aus dem Munde des
Königs die Versicherung, daß er entschlossen sei, zum Schwert zu greifen, falls
es nicht gelinge, sich in befriedigender Weise mit Österreich auseinander zu
setzen, und daß er in diesem Fall auf ein Einvernehmen mit Italien rechne.
Es wurden mehrere Entwürfe eines Bündnisvertrags erwogen und durch-
gesprochen, wobei Bismarck darauf bestand, daß Preußen die Initiative der
Kriegserklärung gewahrt bliebe, während die Italiener es durchsetzten, daß
die Wirksamkeit des Vertrags auf eine gewisse Frist, zwei oder drei Monate,
beschränkt wurde, nach deren Ablauf Italien wieder frei war. Eine Klausel
wegen Welschtirols aufzunehmen, wurde von Bismarck verweigert. Auch
Benedetti drängte jetzt zum Abschluß.

Konnte Italien eine Gelegenheit versäumen, die so nicht wiederkehrte?
Das rumänische Nebelbild war längst zerflossen. Es kam endlich soweit, daß
'"an sich über einen Vertragsentwurf einigte, und daß sich die Italiener von
ihrer Regierung Vollmacht erbaten, den Vertrag zu unterzeichnen. Govone
schrieb am 18. März an Lamarmora: "Die Gefahr scheint noch immer die,


Die preußisch-italienische Allianz von ^366

Preußen noch gar keine bestimmte Verpflichtung einging. Auch den Vorschlag
Govones, ein Abkommen zu schließen, wonach sich Preußen verbindlich machte,
daß die Herzogtümerfrage nicht ohne die venetianische gelöst werde, lehnte
Bismarck ab, der zuletzt, um Italien nicht loszulassen, als Minimum einen
allgemeinen Freundschafts- und Allianzvertrag vorschlug, der zu nichts ver¬
pflichte, der ihm aber für die Festhaltung des Königs von Nutzen sei,
Govone gewann den Eindruck, daß Preußen noch lange nicht an Krieg denke.
Er sah schon seine Mission als zwecklos an und wurde in dieser pessimistischen
Ansicht bestärkt durch den Gesandten Italiens am Berliner Hofe, den Grafen
Barral, gleichfalls einen Piemontesen (beschränkt und empfindlich nannte ihn
Bismarck, Bernhard:, 7, 262), aber auch durch die andern Mitglieder des
diplomatischen Korps, Lord Loftus warnte ihn, sich mit Preußen einzulassen,
das sicher im gegebnen Augenblick Italien im Stich lasse, und Benedetti
glaubte gleichfalls nicht, daß es zum Kriege kommen werde.

Immerhin blieb Govoue in Berlin, es wurde Zeit gewonnen, und es
konnte seiner Regierung nur angenehm sein, wenn Österreich den Glauben
gewann, daß ein preußisch-italienisches Bündnis im Werke sei. Auch die
folgenden Unterredungen mit Bismarck brachten keinen wesentlichen Fortschritt.
Govone machte gegen Bismarck gar kein Hehl aus seinen: Argwohn, man
brauche die Verhandlungen mit Italien bloß zu dem Zweck, Österreich ein¬
zuschüchtern. Bei dem Vorschlage Bismarcks, gegenseitig Militärbcvollmächtigte
nach Berlin und Florenz zu senden, argwöhnte Govone von neuem den Hinter¬
gedanken, daß es nnr auf eine Demonstration abgesehen sei. Er könne, schrieb er
am .17. März, von den eingeleiteten Verhandlungen keinen ernsthaften und
Praktischen Gewinn für Italien erwarten.

Mittlerweile hatte sich durch den Beginn der Rüstungen die Lage verschärft,
und auch die italienischen Unterhändler zeigten sich jetzt geneigter. An dem Willen
Bismarcks zum Kriege konnte Govone nicht mehr zweifeln, er hatte schon
nach der ersten Unterredung mit Bismarck ausgerufen: Das ist Cavour, wie
er leibt und lebt! und am 21. März empfing er auch aus dem Munde des
Königs die Versicherung, daß er entschlossen sei, zum Schwert zu greifen, falls
es nicht gelinge, sich in befriedigender Weise mit Österreich auseinander zu
setzen, und daß er in diesem Fall auf ein Einvernehmen mit Italien rechne.
Es wurden mehrere Entwürfe eines Bündnisvertrags erwogen und durch-
gesprochen, wobei Bismarck darauf bestand, daß Preußen die Initiative der
Kriegserklärung gewahrt bliebe, während die Italiener es durchsetzten, daß
die Wirksamkeit des Vertrags auf eine gewisse Frist, zwei oder drei Monate,
beschränkt wurde, nach deren Ablauf Italien wieder frei war. Eine Klausel
wegen Welschtirols aufzunehmen, wurde von Bismarck verweigert. Auch
Benedetti drängte jetzt zum Abschluß.

Konnte Italien eine Gelegenheit versäumen, die so nicht wiederkehrte?
Das rumänische Nebelbild war längst zerflossen. Es kam endlich soweit, daß
'»an sich über einen Vertragsentwurf einigte, und daß sich die Italiener von
ihrer Regierung Vollmacht erbaten, den Vertrag zu unterzeichnen. Govone
schrieb am 18. März an Lamarmora: „Die Gefahr scheint noch immer die,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/83>, abgerufen am 24.11.2024.