Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.anders sagen, als das; man in eine höhere Sphäre der Weltanschauung ein¬ In dieser höhern Sphäre gegenüber dem babylonischen Schrifttum bewährt Aber ich lege hier, allerdings fast widerwillig, die Feder aus der Hand Sine akademische Berufung vor hundert Jahren Ungedruckte Briefe von Johann Heinrich voß u Anfang des Jahres 1804 erhielt Voß, der seit Herbst 1802 Grenzbote" I 1!>08 101
anders sagen, als das; man in eine höhere Sphäre der Weltanschauung ein¬ In dieser höhern Sphäre gegenüber dem babylonischen Schrifttum bewährt Aber ich lege hier, allerdings fast widerwillig, die Feder aus der Hand Sine akademische Berufung vor hundert Jahren Ungedruckte Briefe von Johann Heinrich voß u Anfang des Jahres 1804 erhielt Voß, der seit Herbst 1802 Grenzbote» I 1!>08 101
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0801" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240357"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_4223" prev="#ID_4222"> anders sagen, als das; man in eine höhere Sphäre der Weltanschauung ein¬<lb/> tritt. Allerdings ist ja neuestens auch geäußert worden, das Buch Hiob ent¬<lb/> halte Stellen, die an Blasphemie grenzten, wie ja Delitzsch in seinem voriges<lb/> Jahr erschienenen Kommentar zum Buche Hiob in diesem das „Hohelied des<lb/> Pessimismus" entdeckt hat. Aber die in Frage kommenden Sätze der Hiob-<lb/> dichtung sind vom Dichter nur als Durchgangspunkte in der Entwicklung<lb/> seines Haupthelden, sozusagen als Schlacken gemeint, die bei einem Läuteruugs-<lb/> Prozeß natürlicherweise ausgeschieden werden. Denn um jetzt nur einen Beweis<lb/> anzuführen, so weise ich auf folgendes hin: Während Gott im ersten Monolog<lb/> des Haupthelden (3, 8—27) als Angeklagter behandelt wird, bekommt er in<lb/> deu folgenden Reden Hiobs immer mehr die Stellung der entscheidenden<lb/> Instanz. Gott darf sich von der Anklagebank wieder erheben und darf auf<lb/> deu Richterstuhl hinüberrücken. Auch das Hiobgedicht ist somit keineswegs<lb/> geeignet, die geistesgeschichtliche Stellung der althebräischen Literatur hinab'<lb/> zudrücken.</p><lb/> <p xml:id="ID_4224"> In dieser höhern Sphäre gegenüber dem babylonischen Schrifttum bewährt<lb/> sich die althebrüische Literatur auch dadurch, daß sie den Keilschriften gegen¬<lb/> über zwei bedeutsame Plus enthält: die psychologisch so überaus feine Dar¬<lb/> stellung von der ersten Pietütsverletzung des Menschen (1. Mos. 3) und so¬<lb/> dann die Reden der Sprecher (Propheten) Israels mit allen ihren ergreifenden<lb/> Sätzen über das große Thema „Gott in der Weltgeschichte."</p><lb/> <p xml:id="ID_4225"> Aber ich lege hier, allerdings fast widerwillig, die Feder aus der Hand<lb/> Mein kleines Buch „Bibel und Babel" gibt ja die Ausführung des erwähnten und<lb/> andrer großer Themata.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Sine akademische Berufung vor hundert Jahren<lb/> Ungedruckte Briefe von Johann Heinrich voß</head><lb/> <p xml:id="ID_4226" next="#ID_4227"> u Anfang des Jahres 1804 erhielt Voß, der seit Herbst 1802<lb/> in Jena lebte, von Würzburg aus das Anerbieten, unter glän¬<lb/> zenden Bedingungen in eine amtliche Stellung an der dortigen<lb/> Hochschule einzutreten. Ans einer Reise nach Süddeutschland, die<lb/> er im Spätsommer desselben Jahres mit Frau Ernestine machte,<lb/> sprach er an Ort und Stelle vor, um Personen und Verhältnisse kennen zu<lb/> ^men, und schied mit dem Vorsatz, das Gebotene anzunehmen. Als er dann<lb/> über auf der Rückreise zum zweitenmal Würzburg besuchte, war das Bild, das<lb/> ^ von seiner künftigen Tätigkeit empfing, ein andres; er entschloß sich in<lb/> ^un zu bleiben. Dabei mag der Gedanke schon mitgewirkt haben, der in¬<lb/> zwischen aufgetaucht war, daß es gelinge« könnte, ihm in Heidelberg eine<lb/> würdige und auskömmliche Existenz zu schaffen. Oberbaudirektor Weinbrenner<lb/> 'n Karlsruhe, bei dem Vossens Sohn Hans seit kurzem in der Lehre war,<lb/> hatte in persönlichem Zusammensein zuerst diesen Plan angeregt; und der</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbote» I 1!>08 101</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0801]
anders sagen, als das; man in eine höhere Sphäre der Weltanschauung ein¬
tritt. Allerdings ist ja neuestens auch geäußert worden, das Buch Hiob ent¬
halte Stellen, die an Blasphemie grenzten, wie ja Delitzsch in seinem voriges
Jahr erschienenen Kommentar zum Buche Hiob in diesem das „Hohelied des
Pessimismus" entdeckt hat. Aber die in Frage kommenden Sätze der Hiob-
dichtung sind vom Dichter nur als Durchgangspunkte in der Entwicklung
seines Haupthelden, sozusagen als Schlacken gemeint, die bei einem Läuteruugs-
Prozeß natürlicherweise ausgeschieden werden. Denn um jetzt nur einen Beweis
anzuführen, so weise ich auf folgendes hin: Während Gott im ersten Monolog
des Haupthelden (3, 8—27) als Angeklagter behandelt wird, bekommt er in
deu folgenden Reden Hiobs immer mehr die Stellung der entscheidenden
Instanz. Gott darf sich von der Anklagebank wieder erheben und darf auf
deu Richterstuhl hinüberrücken. Auch das Hiobgedicht ist somit keineswegs
geeignet, die geistesgeschichtliche Stellung der althebräischen Literatur hinab'
zudrücken.
In dieser höhern Sphäre gegenüber dem babylonischen Schrifttum bewährt
sich die althebrüische Literatur auch dadurch, daß sie den Keilschriften gegen¬
über zwei bedeutsame Plus enthält: die psychologisch so überaus feine Dar¬
stellung von der ersten Pietütsverletzung des Menschen (1. Mos. 3) und so¬
dann die Reden der Sprecher (Propheten) Israels mit allen ihren ergreifenden
Sätzen über das große Thema „Gott in der Weltgeschichte."
Aber ich lege hier, allerdings fast widerwillig, die Feder aus der Hand
Mein kleines Buch „Bibel und Babel" gibt ja die Ausführung des erwähnten und
andrer großer Themata.
Sine akademische Berufung vor hundert Jahren
Ungedruckte Briefe von Johann Heinrich voß
u Anfang des Jahres 1804 erhielt Voß, der seit Herbst 1802
in Jena lebte, von Würzburg aus das Anerbieten, unter glän¬
zenden Bedingungen in eine amtliche Stellung an der dortigen
Hochschule einzutreten. Ans einer Reise nach Süddeutschland, die
er im Spätsommer desselben Jahres mit Frau Ernestine machte,
sprach er an Ort und Stelle vor, um Personen und Verhältnisse kennen zu
^men, und schied mit dem Vorsatz, das Gebotene anzunehmen. Als er dann
über auf der Rückreise zum zweitenmal Würzburg besuchte, war das Bild, das
^ von seiner künftigen Tätigkeit empfing, ein andres; er entschloß sich in
^un zu bleiben. Dabei mag der Gedanke schon mitgewirkt haben, der in¬
zwischen aufgetaucht war, daß es gelinge« könnte, ihm in Heidelberg eine
würdige und auskömmliche Existenz zu schaffen. Oberbaudirektor Weinbrenner
'n Karlsruhe, bei dem Vossens Sohn Hans seit kurzem in der Lehre war,
hatte in persönlichem Zusammensein zuerst diesen Plan angeregt; und der
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