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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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stilisierten heroische" und historischen Landschaft theil 1796 in Rom), die
Historienmaler Eberhard Wächter und Gottlieb Schick (1802 in Rom), spater
vor allem Bonaventura Genelli.

Neben Carstens steht als der erste deutsch-römische KunstschriftsteUer von
Beruf Karl Ludwig Fernow (geb. 1763 in Blumenhagen bei Pasewalk), sein
Freund vou Lübeck her und in Rom seit 1794 sein Hausgenosse. In der
Kantischen Philosophie, die er in Jena bei Reinhold gehört hatte, suchte er
die Grundlagen auch für sein Knnsturteil, lind er wirkte mit an der damaligen
Begründung der Privatakadeinie deutscher Künstler. Des Italienischen, dessen
Literatur er eifrig studierte, völlig mächtig, nahm er an den Umwälzungen
dieser Jahre -- 1797 besetzten die Franzosen Rom, 1798 wurde die römische
Republik proklamiert --, sogar an Volksversammlungen als politivons eifrig
teil und ließ sich in seiner Begeisterung für die neue Zeit mich von den Ver¬
heerungen und dem Knustraube der Franzosen nicht stören. Damals wurden
die Teppiche Rafaels entführt, die Antiken der Villa Albani roh beschädigt,
die deutsche Nationalkirche der Anima in ein Heumagaziu verwandelt. Die
Not und der Unruhe der Zeit trieben aber allmählich die meisten Fremden weg.
Auch Fernow, obwohl seit 1800 mit einer Römerin verheiratet, verließ Rom
1803, um einem Rufe an die Universität Jena zu folgen, den natürlich Goethe
vermittelte. Seine .Kräfte waren damals durch Überanstrengung schon so sehr
erschöpft, daß er 1804 seine Professur aufgab und als Bibliothekar der
Herzogin Mutter Amnlie nach Weimar ging. In dieser Muße hat er seinem
Freunde Carstens "och ein schönes biographisches Denkmal gesetzt (1806).
Schon im Dezember 1808 starb er.

In den unruhigen Zeiten , die der Aufhebung des Kirchenstaats und der
Einverleibung Roms in das französische Reich (1808) vorausgingen, aber von
Grävcnitz nicht mehr dargestellt werden, gewann das römische Deutschtum eine
neue Stütze in der preußischen Gesandtschaft. Eine solche hatte es im acht-
zehnten Jahrhundert nicht gegeben. Anfangs hatte das protestantische Preußen,
dessen Königskrone der Vatikan lange nicht anerkannte, weil sie ans säkulari
siertes Kirchengut, das alte Ordensland, gesetzt worden war, es verschmäht,
sich überhaupt an der Kurie vertreten zu lassen. Auch als die Eroberung
Schlesiens die Zahl der katholische" Untertanen ansehnlich vermehrt hatte,
begütigte sich Friedrich der Große damit, zuerst 1747 den pfälzischen Agenten
in Rom, Cvltrvlini, mit der Wahrnehmung der preußischen Interessen zu
beauftragen und wiederholte das nach dessen Tode 1762 durch die Er¬
nennung des Abbe Ciofani. Da diese Italiener gnr keine Beziehungen zu
den Deutschen hatten, so war ihre Existenz für die deutsche Kolonie ziemlich
gleichgiltig, obwohl Ciofani schließlich festen Gehalt und den Titel Resident
empfing. Erst im November 1795 ernannte Friedrich Wilhelm der Zweite
einen juristisch und humanistisch gebildeten Deutschen, Wilhelm Uhden, zu
seinem Stellvertreter, 1798 zu seinein Nachfolger. Diesen ersetzte dann im
November 1803 einer der bedeutendsten Männer, die Deutschland damals hatte,
Wilhelm von Humboldt, und seitdem ist Preußen jahrzehntelang in Rom nicht
dnrch zünftige Diplomaten, sondern immer durch geistige Größen vertreten ge-


stilisierten heroische« und historischen Landschaft theil 1796 in Rom), die
Historienmaler Eberhard Wächter und Gottlieb Schick (1802 in Rom), spater
vor allem Bonaventura Genelli.

Neben Carstens steht als der erste deutsch-römische KunstschriftsteUer von
Beruf Karl Ludwig Fernow (geb. 1763 in Blumenhagen bei Pasewalk), sein
Freund vou Lübeck her und in Rom seit 1794 sein Hausgenosse. In der
Kantischen Philosophie, die er in Jena bei Reinhold gehört hatte, suchte er
die Grundlagen auch für sein Knnsturteil, lind er wirkte mit an der damaligen
Begründung der Privatakadeinie deutscher Künstler. Des Italienischen, dessen
Literatur er eifrig studierte, völlig mächtig, nahm er an den Umwälzungen
dieser Jahre — 1797 besetzten die Franzosen Rom, 1798 wurde die römische
Republik proklamiert —, sogar an Volksversammlungen als politivons eifrig
teil und ließ sich in seiner Begeisterung für die neue Zeit mich von den Ver¬
heerungen und dem Knustraube der Franzosen nicht stören. Damals wurden
die Teppiche Rafaels entführt, die Antiken der Villa Albani roh beschädigt,
die deutsche Nationalkirche der Anima in ein Heumagaziu verwandelt. Die
Not und der Unruhe der Zeit trieben aber allmählich die meisten Fremden weg.
Auch Fernow, obwohl seit 1800 mit einer Römerin verheiratet, verließ Rom
1803, um einem Rufe an die Universität Jena zu folgen, den natürlich Goethe
vermittelte. Seine .Kräfte waren damals durch Überanstrengung schon so sehr
erschöpft, daß er 1804 seine Professur aufgab und als Bibliothekar der
Herzogin Mutter Amnlie nach Weimar ging. In dieser Muße hat er seinem
Freunde Carstens »och ein schönes biographisches Denkmal gesetzt (1806).
Schon im Dezember 1808 starb er.

In den unruhigen Zeiten , die der Aufhebung des Kirchenstaats und der
Einverleibung Roms in das französische Reich (1808) vorausgingen, aber von
Grävcnitz nicht mehr dargestellt werden, gewann das römische Deutschtum eine
neue Stütze in der preußischen Gesandtschaft. Eine solche hatte es im acht-
zehnten Jahrhundert nicht gegeben. Anfangs hatte das protestantische Preußen,
dessen Königskrone der Vatikan lange nicht anerkannte, weil sie ans säkulari
siertes Kirchengut, das alte Ordensland, gesetzt worden war, es verschmäht,
sich überhaupt an der Kurie vertreten zu lassen. Auch als die Eroberung
Schlesiens die Zahl der katholische» Untertanen ansehnlich vermehrt hatte,
begütigte sich Friedrich der Große damit, zuerst 1747 den pfälzischen Agenten
in Rom, Cvltrvlini, mit der Wahrnehmung der preußischen Interessen zu
beauftragen und wiederholte das nach dessen Tode 1762 durch die Er¬
nennung des Abbe Ciofani. Da diese Italiener gnr keine Beziehungen zu
den Deutschen hatten, so war ihre Existenz für die deutsche Kolonie ziemlich
gleichgiltig, obwohl Ciofani schließlich festen Gehalt und den Titel Resident
empfing. Erst im November 1795 ernannte Friedrich Wilhelm der Zweite
einen juristisch und humanistisch gebildeten Deutschen, Wilhelm Uhden, zu
seinem Stellvertreter, 1798 zu seinein Nachfolger. Diesen ersetzte dann im
November 1803 einer der bedeutendsten Männer, die Deutschland damals hatte,
Wilhelm von Humboldt, und seitdem ist Preußen jahrzehntelang in Rom nicht
dnrch zünftige Diplomaten, sondern immer durch geistige Größen vertreten ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/782>, abgerufen am 28.07.2024.