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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Stufe zu andern dielleicht ebenso unsichern Lebensstellungen, so erscheint dies durch¬
aus nicht übertrieben, denn kaum die Hälfte der Hauptleute erreicht die Stellung
eines Stabsoffiziers, und von diesen etwa nur vierzig Prozent die eines Regiments¬
kommandeurs.

Das Schlagwort aller, die auf vorzeitige Verabschiedungen wegen der Schlag¬
fertigkeit des Heeres nicht verzichten zu können glauben, ist: Verjüngung des Offi-
zierkorps.

Es ist aber eine irrtümliche Annahme, daß diese durch zahlreiche und vorzeitige
Verabschiedungen ans die Dauer durchgeführt werden könnte. Vorübergehend ist dies
wohl erreicht worden, aber die Rückschläge sind dann auch nie ausgeblieben. Es
sei deshalb erlaubt, eine" andern Weg vorzuschlagen, der bei Vermeidung der bis¬
herigen Härten, und auch ohne daß Mehrkosten damit verbunden wären, zu einem
befriedigender!! Erfolg führen soll.

Wenn immer darüber geklagt wird, daß die Offiziere vom Hauptmann auf¬
wärts zu alt wären und aus diesem Grunde vor der Zeit aus dem aktiven Dienst
scheiden müßten, so ist es doch nur wiuischenswert, sie in einem jüngern Lebens¬
alter in diese Charge hineinzubringen; etwa so, daß sie rin dem dreißigsten, spätestens
mit dem zweiunddrcißigsten Lebensjahre eine Kompagnie, Eskadron oder Batterie
bekommen, wie es bei der Feld- und der Fußartillerie seit einigen Jahren annähernd
der Fall ist. Auch bei zehn- bis elfjähriger Kompagniechefzeit würde ein solcher
Offizier mit 40 bis 42 Jahren Stabsoffizier werden, und wenn er dann nach
weitern zehn Jahren erst Oberst und Negimentskvmmandenr würde, so stünde er
immer noch in einem Alter, das die für diese Stellung nötige Geistes- und Körper-
frische gewährleistet, und er könnte, was dringend zu wünschen wäre, sein Regiment
fünf bis sechs Jahre behalten. Rechnet man bis hierher 35 Dienstjahre, so hätte
er bei seinem Abgang auch die höchste Pension (nach dem zu erwartenden Pensions¬
gesehe) erdient. In diesem Beispiel sind auf die Charge des Stabsoffiziers im
ganzen etwa zehn Jahre gerechnet, also anderthalb bis zwei Jahre länger als
jetzt nötig sind, da künftighin bei weniger Abgängen das Aufrücken in diesen Dienst¬
graden etwas langsamer vor sich gehn würde.

Es wäre nunmehr die Frage, wie die Beförderung zum Hauptmann mit dein
vorgeschlagnen Alter von 3l) bis 32 Jahre", d. h. nach zehn- bis höchstens zwölf¬
jähriger Leutnantszeit, erreicht werden könnte, ohne die höhern Stellen wesentlich
zu permehren oder das Ausgabebndget noch mehr zu belasten. Niemand wird be¬
haupten wollen, daß eine fünfzehnjährige Vorbereitung als Lentucint für den zu¬
künftigen Konipagniechef nötig ist. Zehn Jahre genügen dazu vollkommen, und wer
den Dienstbetrieb in der Armee kennt, wird zugeben, daß die Oberleutnants -- so¬
bald sie ein gewisses Alter erreicht haben -- für den Dienst in der Kompagnie
nur von geringem Nutzen sind, daß dagegen ältere Portepee-Unteroffiziere, be¬
sonders im kleinen Kommtßdienst, in der Regel mit größerm Vorteil verwandt
werden können.

Leider ist es jetzt dahin gekommen, daß nach den Bestimmungen einzelne dienst¬
liche Handlungen, auch von Portepee-Unteroffizieren, nicht mehr selbständig ausgeführt
werden dürfen, und daß diese Einschränkung von manchen Kommandeuren noch auf
andre Dienstzweige ausgedehnt wird, was doch im Grunde nichts andres als ein
Mißtrauensvotum ärgster Art bedeutet und geeignet ist, das Ansehen der Portepee-
Unteroffiziere hinabzudrücken. Jeder Eingeweihte weiß ferner, wie die ältern Leut¬
nants mit heißem Bemühen danach trachten, ein Kvnimnndo, und sei es noch so
kurz, zu erhalten, weil sie dadurch dem Frontdienst ans einige Zeit entgehn können --
ein wenig erfreulicher Zustand.

Im Winter ist es der abstumpfende kleine Dienst mit zwanzig bis dreißig Manu
auf dem Kasernenhof, im Sommer das Gehn zu Fuß bet den Übungen, was den
ältern Leutnants häufig die Freude am Berufe raubt und sie vor der Zeit ab¬
stumpft. Dazu kommt serner, daß die Offiziere jedes Jahr oder im besten Fülle


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Stufe zu andern dielleicht ebenso unsichern Lebensstellungen, so erscheint dies durch¬
aus nicht übertrieben, denn kaum die Hälfte der Hauptleute erreicht die Stellung
eines Stabsoffiziers, und von diesen etwa nur vierzig Prozent die eines Regiments¬
kommandeurs.

Das Schlagwort aller, die auf vorzeitige Verabschiedungen wegen der Schlag¬
fertigkeit des Heeres nicht verzichten zu können glauben, ist: Verjüngung des Offi-
zierkorps.

Es ist aber eine irrtümliche Annahme, daß diese durch zahlreiche und vorzeitige
Verabschiedungen ans die Dauer durchgeführt werden könnte. Vorübergehend ist dies
wohl erreicht worden, aber die Rückschläge sind dann auch nie ausgeblieben. Es
sei deshalb erlaubt, eine» andern Weg vorzuschlagen, der bei Vermeidung der bis¬
herigen Härten, und auch ohne daß Mehrkosten damit verbunden wären, zu einem
befriedigender!! Erfolg führen soll.

Wenn immer darüber geklagt wird, daß die Offiziere vom Hauptmann auf¬
wärts zu alt wären und aus diesem Grunde vor der Zeit aus dem aktiven Dienst
scheiden müßten, so ist es doch nur wiuischenswert, sie in einem jüngern Lebens¬
alter in diese Charge hineinzubringen; etwa so, daß sie rin dem dreißigsten, spätestens
mit dem zweiunddrcißigsten Lebensjahre eine Kompagnie, Eskadron oder Batterie
bekommen, wie es bei der Feld- und der Fußartillerie seit einigen Jahren annähernd
der Fall ist. Auch bei zehn- bis elfjähriger Kompagniechefzeit würde ein solcher
Offizier mit 40 bis 42 Jahren Stabsoffizier werden, und wenn er dann nach
weitern zehn Jahren erst Oberst und Negimentskvmmandenr würde, so stünde er
immer noch in einem Alter, das die für diese Stellung nötige Geistes- und Körper-
frische gewährleistet, und er könnte, was dringend zu wünschen wäre, sein Regiment
fünf bis sechs Jahre behalten. Rechnet man bis hierher 35 Dienstjahre, so hätte
er bei seinem Abgang auch die höchste Pension (nach dem zu erwartenden Pensions¬
gesehe) erdient. In diesem Beispiel sind auf die Charge des Stabsoffiziers im
ganzen etwa zehn Jahre gerechnet, also anderthalb bis zwei Jahre länger als
jetzt nötig sind, da künftighin bei weniger Abgängen das Aufrücken in diesen Dienst¬
graden etwas langsamer vor sich gehn würde.

Es wäre nunmehr die Frage, wie die Beförderung zum Hauptmann mit dein
vorgeschlagnen Alter von 3l) bis 32 Jahre», d. h. nach zehn- bis höchstens zwölf¬
jähriger Leutnantszeit, erreicht werden könnte, ohne die höhern Stellen wesentlich
zu permehren oder das Ausgabebndget noch mehr zu belasten. Niemand wird be¬
haupten wollen, daß eine fünfzehnjährige Vorbereitung als Lentucint für den zu¬
künftigen Konipagniechef nötig ist. Zehn Jahre genügen dazu vollkommen, und wer
den Dienstbetrieb in der Armee kennt, wird zugeben, daß die Oberleutnants — so¬
bald sie ein gewisses Alter erreicht haben — für den Dienst in der Kompagnie
nur von geringem Nutzen sind, daß dagegen ältere Portepee-Unteroffiziere, be¬
sonders im kleinen Kommtßdienst, in der Regel mit größerm Vorteil verwandt
werden können.

Leider ist es jetzt dahin gekommen, daß nach den Bestimmungen einzelne dienst¬
liche Handlungen, auch von Portepee-Unteroffizieren, nicht mehr selbständig ausgeführt
werden dürfen, und daß diese Einschränkung von manchen Kommandeuren noch auf
andre Dienstzweige ausgedehnt wird, was doch im Grunde nichts andres als ein
Mißtrauensvotum ärgster Art bedeutet und geeignet ist, das Ansehen der Portepee-
Unteroffiziere hinabzudrücken. Jeder Eingeweihte weiß ferner, wie die ältern Leut¬
nants mit heißem Bemühen danach trachten, ein Kvnimnndo, und sei es noch so
kurz, zu erhalten, weil sie dadurch dem Frontdienst ans einige Zeit entgehn können —
ein wenig erfreulicher Zustand.

Im Winter ist es der abstumpfende kleine Dienst mit zwanzig bis dreißig Manu
auf dem Kasernenhof, im Sommer das Gehn zu Fuß bet den Übungen, was den
ältern Leutnants häufig die Freude am Berufe raubt und sie vor der Zeit ab¬
stumpft. Dazu kommt serner, daß die Offiziere jedes Jahr oder im besten Fülle


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[0750] Maßgebliches und Unmaßgebliches Stufe zu andern dielleicht ebenso unsichern Lebensstellungen, so erscheint dies durch¬ aus nicht übertrieben, denn kaum die Hälfte der Hauptleute erreicht die Stellung eines Stabsoffiziers, und von diesen etwa nur vierzig Prozent die eines Regiments¬ kommandeurs. Das Schlagwort aller, die auf vorzeitige Verabschiedungen wegen der Schlag¬ fertigkeit des Heeres nicht verzichten zu können glauben, ist: Verjüngung des Offi- zierkorps. Es ist aber eine irrtümliche Annahme, daß diese durch zahlreiche und vorzeitige Verabschiedungen ans die Dauer durchgeführt werden könnte. Vorübergehend ist dies wohl erreicht worden, aber die Rückschläge sind dann auch nie ausgeblieben. Es sei deshalb erlaubt, eine» andern Weg vorzuschlagen, der bei Vermeidung der bis¬ herigen Härten, und auch ohne daß Mehrkosten damit verbunden wären, zu einem befriedigender!! Erfolg führen soll. Wenn immer darüber geklagt wird, daß die Offiziere vom Hauptmann auf¬ wärts zu alt wären und aus diesem Grunde vor der Zeit aus dem aktiven Dienst scheiden müßten, so ist es doch nur wiuischenswert, sie in einem jüngern Lebens¬ alter in diese Charge hineinzubringen; etwa so, daß sie rin dem dreißigsten, spätestens mit dem zweiunddrcißigsten Lebensjahre eine Kompagnie, Eskadron oder Batterie bekommen, wie es bei der Feld- und der Fußartillerie seit einigen Jahren annähernd der Fall ist. Auch bei zehn- bis elfjähriger Kompagniechefzeit würde ein solcher Offizier mit 40 bis 42 Jahren Stabsoffizier werden, und wenn er dann nach weitern zehn Jahren erst Oberst und Negimentskvmmandenr würde, so stünde er immer noch in einem Alter, das die für diese Stellung nötige Geistes- und Körper- frische gewährleistet, und er könnte, was dringend zu wünschen wäre, sein Regiment fünf bis sechs Jahre behalten. Rechnet man bis hierher 35 Dienstjahre, so hätte er bei seinem Abgang auch die höchste Pension (nach dem zu erwartenden Pensions¬ gesehe) erdient. In diesem Beispiel sind auf die Charge des Stabsoffiziers im ganzen etwa zehn Jahre gerechnet, also anderthalb bis zwei Jahre länger als jetzt nötig sind, da künftighin bei weniger Abgängen das Aufrücken in diesen Dienst¬ graden etwas langsamer vor sich gehn würde. Es wäre nunmehr die Frage, wie die Beförderung zum Hauptmann mit dein vorgeschlagnen Alter von 3l) bis 32 Jahre», d. h. nach zehn- bis höchstens zwölf¬ jähriger Leutnantszeit, erreicht werden könnte, ohne die höhern Stellen wesentlich zu permehren oder das Ausgabebndget noch mehr zu belasten. Niemand wird be¬ haupten wollen, daß eine fünfzehnjährige Vorbereitung als Lentucint für den zu¬ künftigen Konipagniechef nötig ist. Zehn Jahre genügen dazu vollkommen, und wer den Dienstbetrieb in der Armee kennt, wird zugeben, daß die Oberleutnants — so¬ bald sie ein gewisses Alter erreicht haben — für den Dienst in der Kompagnie nur von geringem Nutzen sind, daß dagegen ältere Portepee-Unteroffiziere, be¬ sonders im kleinen Kommtßdienst, in der Regel mit größerm Vorteil verwandt werden können. Leider ist es jetzt dahin gekommen, daß nach den Bestimmungen einzelne dienst¬ liche Handlungen, auch von Portepee-Unteroffizieren, nicht mehr selbständig ausgeführt werden dürfen, und daß diese Einschränkung von manchen Kommandeuren noch auf andre Dienstzweige ausgedehnt wird, was doch im Grunde nichts andres als ein Mißtrauensvotum ärgster Art bedeutet und geeignet ist, das Ansehen der Portepee- Unteroffiziere hinabzudrücken. Jeder Eingeweihte weiß ferner, wie die ältern Leut¬ nants mit heißem Bemühen danach trachten, ein Kvnimnndo, und sei es noch so kurz, zu erhalten, weil sie dadurch dem Frontdienst ans einige Zeit entgehn können — ein wenig erfreulicher Zustand. Im Winter ist es der abstumpfende kleine Dienst mit zwanzig bis dreißig Manu auf dem Kasernenhof, im Sommer das Gehn zu Fuß bet den Übungen, was den ältern Leutnants häufig die Freude am Berufe raubt und sie vor der Zeit ab¬ stumpft. Dazu kommt serner, daß die Offiziere jedes Jahr oder im besten Fülle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/750>, abgerufen am 24.11.2024.