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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Die Grenzen des amerikanischen Aufschwungs

dem Wüstenboden gezauberten Paradiese, wo neben dem dunkelgrünen Alfalfa,
Mais, Weizen, Hopfen, Wein, Pfirsiche, Orangen, Melonen alle Feld- und
Gartengewächse in herrlicher Fülle und Pracht gedeihen. In solchen Oasen
trifft man dann freudig überrascht auch das, was dem amerikanischen Lande
mit seinen Einzelhöfen sonst fehlt: dorfartige Anlagen. Der Wasserlauf lädt
zur geschlossenen Ansiedlung ein, und seine Ausnutzung zum werktätigen Zu¬
sammenschluß der Anwohner.

Der Unternehmungsgeist der Jankees hat hier ein weites Feld gefunden,
auf dem sicherlich großes geleistet werden kann, wenn man erst die Wasser¬
vergeudung, die jetzt noch getrieben wird, einschränkt, und wenn man eine
vernünftige Regelung der rechtlichen Seite der ganzen Frage gefunden haben
wird. Aber die Erwartung, daß durch Bewässerung ein überwiegend großer
Teil des aria "Ws8t der Bodenkultur gewonnen werden könne, ein Projekt, das
vom amerikanischen Optimismus längst als gelöst ausposaunt worden ist, wird
wohl immerdar eine schöne Hoffnung bleiben. Die Uovlc^ nrounlAwg sind von
Natur nicht wasserreich; ewiger Schnee, die beste Nährmutter der Gewässer,
ist in den südlichen wasserbedürftigsten Teilen des Gebirgsstocks nicht vor¬
handen. Die Ströme und Flüsse aber, die hier ihren Ursprung haben, sind
schon jetzt zu Zwecken künstlicher Bewässerung stark in Anspruch genommen.
Das Wasser mancher von diesen Flüssen ist zudem seiner mineralischen Bestand¬
teile halber dem Pflanzenwuchse schädlich. Viele Wasseradern und Seen liegen
auch zu tief, als daß sie für die höher liegenden dürren Landstrecken über¬
haupt in Frage kommen könnten. Nur Staubecken und Kanalisation großen
Stils könnten hier helfen, und es wäre erst noch der Beweis zu erbringen,
ob solche Anlagen wirklich ihre enormen Kosten verzinsen.

Es gibt auch in Nordamerika, das seiner leichten Produktionsbedingungen
halber vielfach für das Eldorado der Landwirtschaft angesehen wird, agrarische
Krisen. Diese treffen den einzelnen Wirt härter als bei uns. Der Farmer
hat den ganzen Zuschnitt seiner Wirtschaft fast immer anf die Produktion einer
oder weniger Fruchtarten oder auf die Züchtung einer Tiergattung eingerichtet;
versagt die Hauptfrucht, oder hat er Seuchenunglück, so verliert er mit einem
Schlage alles. Die Vielseitigkeit der deutschen Wirtschaftsweise, die nicht alles
auf eine Karte setzt, wirkt solchen Kalamitäten gegenüber ausgleichend.

Bankrotte und Subhastationen kommen auch drüben im Stande der Land¬
wirte oft genug vor; aber der Hintergrund ist kein so tragischer wie bei uns,
und die Folgen werden leichter ertragen. Wenn der deutsche Bauer mit nichts
als dem "weißen Stäbe" in der Hand das Gut seiner Väter räumt, ist er
ein gebrochner Mann, der zu nichts anderen mehr taugt. Dem Uaukeefarrner
ist, wenn er bankrott geworden ist, nur eine Spekulation mißglückt. Er ver¬
sucht es leicht noch einmal, vielleicht mit besserm Erfolg. Ihm ist eben
keine Lebenswurzel durchschnitten worden, als er von Haus und Hof ge¬
jagt wurde.

Die amerikanische Landwirtschaft zeigt die Tendenz, vom Großbetrieb zum
Kleinbetrieb überzugehn, wenigstens im Körnerbau. Bei der Viehzucht ist es
etwas andres, die setzt besouders im Westen, wo der Stall so gut wie un-


Die Grenzen des amerikanischen Aufschwungs

dem Wüstenboden gezauberten Paradiese, wo neben dem dunkelgrünen Alfalfa,
Mais, Weizen, Hopfen, Wein, Pfirsiche, Orangen, Melonen alle Feld- und
Gartengewächse in herrlicher Fülle und Pracht gedeihen. In solchen Oasen
trifft man dann freudig überrascht auch das, was dem amerikanischen Lande
mit seinen Einzelhöfen sonst fehlt: dorfartige Anlagen. Der Wasserlauf lädt
zur geschlossenen Ansiedlung ein, und seine Ausnutzung zum werktätigen Zu¬
sammenschluß der Anwohner.

Der Unternehmungsgeist der Jankees hat hier ein weites Feld gefunden,
auf dem sicherlich großes geleistet werden kann, wenn man erst die Wasser¬
vergeudung, die jetzt noch getrieben wird, einschränkt, und wenn man eine
vernünftige Regelung der rechtlichen Seite der ganzen Frage gefunden haben
wird. Aber die Erwartung, daß durch Bewässerung ein überwiegend großer
Teil des aria "Ws8t der Bodenkultur gewonnen werden könne, ein Projekt, das
vom amerikanischen Optimismus längst als gelöst ausposaunt worden ist, wird
wohl immerdar eine schöne Hoffnung bleiben. Die Uovlc^ nrounlAwg sind von
Natur nicht wasserreich; ewiger Schnee, die beste Nährmutter der Gewässer,
ist in den südlichen wasserbedürftigsten Teilen des Gebirgsstocks nicht vor¬
handen. Die Ströme und Flüsse aber, die hier ihren Ursprung haben, sind
schon jetzt zu Zwecken künstlicher Bewässerung stark in Anspruch genommen.
Das Wasser mancher von diesen Flüssen ist zudem seiner mineralischen Bestand¬
teile halber dem Pflanzenwuchse schädlich. Viele Wasseradern und Seen liegen
auch zu tief, als daß sie für die höher liegenden dürren Landstrecken über¬
haupt in Frage kommen könnten. Nur Staubecken und Kanalisation großen
Stils könnten hier helfen, und es wäre erst noch der Beweis zu erbringen,
ob solche Anlagen wirklich ihre enormen Kosten verzinsen.

Es gibt auch in Nordamerika, das seiner leichten Produktionsbedingungen
halber vielfach für das Eldorado der Landwirtschaft angesehen wird, agrarische
Krisen. Diese treffen den einzelnen Wirt härter als bei uns. Der Farmer
hat den ganzen Zuschnitt seiner Wirtschaft fast immer anf die Produktion einer
oder weniger Fruchtarten oder auf die Züchtung einer Tiergattung eingerichtet;
versagt die Hauptfrucht, oder hat er Seuchenunglück, so verliert er mit einem
Schlage alles. Die Vielseitigkeit der deutschen Wirtschaftsweise, die nicht alles
auf eine Karte setzt, wirkt solchen Kalamitäten gegenüber ausgleichend.

Bankrotte und Subhastationen kommen auch drüben im Stande der Land¬
wirte oft genug vor; aber der Hintergrund ist kein so tragischer wie bei uns,
und die Folgen werden leichter ertragen. Wenn der deutsche Bauer mit nichts
als dem „weißen Stäbe" in der Hand das Gut seiner Väter räumt, ist er
ein gebrochner Mann, der zu nichts anderen mehr taugt. Dem Uaukeefarrner
ist, wenn er bankrott geworden ist, nur eine Spekulation mißglückt. Er ver¬
sucht es leicht noch einmal, vielleicht mit besserm Erfolg. Ihm ist eben
keine Lebenswurzel durchschnitten worden, als er von Haus und Hof ge¬
jagt wurde.

Die amerikanische Landwirtschaft zeigt die Tendenz, vom Großbetrieb zum
Kleinbetrieb überzugehn, wenigstens im Körnerbau. Bei der Viehzucht ist es
etwas andres, die setzt besouders im Westen, wo der Stall so gut wie un-


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[0722] Die Grenzen des amerikanischen Aufschwungs dem Wüstenboden gezauberten Paradiese, wo neben dem dunkelgrünen Alfalfa, Mais, Weizen, Hopfen, Wein, Pfirsiche, Orangen, Melonen alle Feld- und Gartengewächse in herrlicher Fülle und Pracht gedeihen. In solchen Oasen trifft man dann freudig überrascht auch das, was dem amerikanischen Lande mit seinen Einzelhöfen sonst fehlt: dorfartige Anlagen. Der Wasserlauf lädt zur geschlossenen Ansiedlung ein, und seine Ausnutzung zum werktätigen Zu¬ sammenschluß der Anwohner. Der Unternehmungsgeist der Jankees hat hier ein weites Feld gefunden, auf dem sicherlich großes geleistet werden kann, wenn man erst die Wasser¬ vergeudung, die jetzt noch getrieben wird, einschränkt, und wenn man eine vernünftige Regelung der rechtlichen Seite der ganzen Frage gefunden haben wird. Aber die Erwartung, daß durch Bewässerung ein überwiegend großer Teil des aria "Ws8t der Bodenkultur gewonnen werden könne, ein Projekt, das vom amerikanischen Optimismus längst als gelöst ausposaunt worden ist, wird wohl immerdar eine schöne Hoffnung bleiben. Die Uovlc^ nrounlAwg sind von Natur nicht wasserreich; ewiger Schnee, die beste Nährmutter der Gewässer, ist in den südlichen wasserbedürftigsten Teilen des Gebirgsstocks nicht vor¬ handen. Die Ströme und Flüsse aber, die hier ihren Ursprung haben, sind schon jetzt zu Zwecken künstlicher Bewässerung stark in Anspruch genommen. Das Wasser mancher von diesen Flüssen ist zudem seiner mineralischen Bestand¬ teile halber dem Pflanzenwuchse schädlich. Viele Wasseradern und Seen liegen auch zu tief, als daß sie für die höher liegenden dürren Landstrecken über¬ haupt in Frage kommen könnten. Nur Staubecken und Kanalisation großen Stils könnten hier helfen, und es wäre erst noch der Beweis zu erbringen, ob solche Anlagen wirklich ihre enormen Kosten verzinsen. Es gibt auch in Nordamerika, das seiner leichten Produktionsbedingungen halber vielfach für das Eldorado der Landwirtschaft angesehen wird, agrarische Krisen. Diese treffen den einzelnen Wirt härter als bei uns. Der Farmer hat den ganzen Zuschnitt seiner Wirtschaft fast immer anf die Produktion einer oder weniger Fruchtarten oder auf die Züchtung einer Tiergattung eingerichtet; versagt die Hauptfrucht, oder hat er Seuchenunglück, so verliert er mit einem Schlage alles. Die Vielseitigkeit der deutschen Wirtschaftsweise, die nicht alles auf eine Karte setzt, wirkt solchen Kalamitäten gegenüber ausgleichend. Bankrotte und Subhastationen kommen auch drüben im Stande der Land¬ wirte oft genug vor; aber der Hintergrund ist kein so tragischer wie bei uns, und die Folgen werden leichter ertragen. Wenn der deutsche Bauer mit nichts als dem „weißen Stäbe" in der Hand das Gut seiner Väter räumt, ist er ein gebrochner Mann, der zu nichts anderen mehr taugt. Dem Uaukeefarrner ist, wenn er bankrott geworden ist, nur eine Spekulation mißglückt. Er ver¬ sucht es leicht noch einmal, vielleicht mit besserm Erfolg. Ihm ist eben keine Lebenswurzel durchschnitten worden, als er von Haus und Hof ge¬ jagt wurde. Die amerikanische Landwirtschaft zeigt die Tendenz, vom Großbetrieb zum Kleinbetrieb überzugehn, wenigstens im Körnerbau. Bei der Viehzucht ist es etwas andres, die setzt besouders im Westen, wo der Stall so gut wie un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/722>, abgerufen am 24.11.2024.