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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Die Grenzen des amerikanischen Aufschwungs
Wilhelm von polenz von(Fortsetzung)

cum man die Schwierigkeiten aus eigner Erfahrung kennt, unter
denen der deutsche Landwirt, sei er Großgrundbesitzer, Bauer
oder Kleinstelleninhaber, seinein Erwerb nachgeht, und nun die
Leichtigkeit sieht, mit der in Nordamerika jede beliebige Menge
von Brotfrucht, Handelsgewächsen, Früchten, Leguminosen und
Fleisch erzeugt wird, so weiß man, wem das große Los zugefallen ist. Dem
deutschen Landwirt einen Vorwurf daraus machen zu wollen, daß er nicht in
ähnlich großem Maßstabe produziert, seine Wirtschaft nicht zu gleicher Ein¬
träglichkeit erhebt wie der Amerikaner, ist ungerecht und spricht nicht für Kennt¬
nis der Verhältnisse. Die Industrie mag vielleicht die Arbeitsmethode und
die Verwaltuugsmaximen, die in einem andern Kontinente geübt werden, mit
Erfolg bei sich einführen, die Landwirtschaft kann das nicht; sie ist unbeweglich
und darum schwerfälliger. Einmal ist sie gebunden an den Grund und Boden
und an das Klima, an die Natur überhaupt, und sodann ist sie von der
Tradition abhängig.

Die geschichtliche Entwicklung hat nicht bloß dem Grund und Boden im
Laufe der Jahrhunderte eine ganz bestimmte Staats- und Landeszugehörigkeit
verliehen, sie hat das Land auch aufgeteilt, hier in große, dort in kleine Grund¬
stücke, sie hat ländliche Stände geschaffen, wie den Großgrundbesitzer, den
Vollbauern, den Gärtner und den Kätuer, den ländlichen Tagelöhner. Sie
hat im Erbrecht, in den Schuldverhültnissen, im Grundbuch, im Sachenrecht
allgemein giltige Prinzipien festgelegt und Einrichtungen geschaffen, die Er¬
werben, Halten und Verlieren von Grund und Boden regeln. Der Stand
der Landwirte ist wie kein andrer im Recht und in der Geschichte seines
Volkes tief verankert. Von einem solchen Stande das Anpassungsvermögen
Und die Schmiegsamkeit des Handelsstandes verlangen, heißt dem Fische zu¬
muten, daß er fliegen lernen solle.

Ganz andre bequemere Bedingungen, als die er daheim verlassen hatte,
fand der europamüde Landmann in Amerika vor. Einen jungfräulichen
Boden vor allem, weite unbesiedelte Strecken sodann, von denen er sich ein
Stück nach eigner Wahl erwerben konnte, keinen Stand über sich, der ihn
drückte, keinen neben sich, der ihm das Leben sauer machte, keine Hörigkeit,
keine Konkurrenz, keinen Frondienst, keine Militärpflicht, leine Bureaukratie.
Seine Grenzen fand dieser Glückliche scheinbar nur in der eignen Leistungs¬
fähigkeit.

Man darf, wenn malt die Blüte der amerikanischen Volkswirtschaft staunend




Die Grenzen des amerikanischen Aufschwungs
Wilhelm von polenz von(Fortsetzung)

cum man die Schwierigkeiten aus eigner Erfahrung kennt, unter
denen der deutsche Landwirt, sei er Großgrundbesitzer, Bauer
oder Kleinstelleninhaber, seinein Erwerb nachgeht, und nun die
Leichtigkeit sieht, mit der in Nordamerika jede beliebige Menge
von Brotfrucht, Handelsgewächsen, Früchten, Leguminosen und
Fleisch erzeugt wird, so weiß man, wem das große Los zugefallen ist. Dem
deutschen Landwirt einen Vorwurf daraus machen zu wollen, daß er nicht in
ähnlich großem Maßstabe produziert, seine Wirtschaft nicht zu gleicher Ein¬
träglichkeit erhebt wie der Amerikaner, ist ungerecht und spricht nicht für Kennt¬
nis der Verhältnisse. Die Industrie mag vielleicht die Arbeitsmethode und
die Verwaltuugsmaximen, die in einem andern Kontinente geübt werden, mit
Erfolg bei sich einführen, die Landwirtschaft kann das nicht; sie ist unbeweglich
und darum schwerfälliger. Einmal ist sie gebunden an den Grund und Boden
und an das Klima, an die Natur überhaupt, und sodann ist sie von der
Tradition abhängig.

Die geschichtliche Entwicklung hat nicht bloß dem Grund und Boden im
Laufe der Jahrhunderte eine ganz bestimmte Staats- und Landeszugehörigkeit
verliehen, sie hat das Land auch aufgeteilt, hier in große, dort in kleine Grund¬
stücke, sie hat ländliche Stände geschaffen, wie den Großgrundbesitzer, den
Vollbauern, den Gärtner und den Kätuer, den ländlichen Tagelöhner. Sie
hat im Erbrecht, in den Schuldverhültnissen, im Grundbuch, im Sachenrecht
allgemein giltige Prinzipien festgelegt und Einrichtungen geschaffen, die Er¬
werben, Halten und Verlieren von Grund und Boden regeln. Der Stand
der Landwirte ist wie kein andrer im Recht und in der Geschichte seines
Volkes tief verankert. Von einem solchen Stande das Anpassungsvermögen
Und die Schmiegsamkeit des Handelsstandes verlangen, heißt dem Fische zu¬
muten, daß er fliegen lernen solle.

Ganz andre bequemere Bedingungen, als die er daheim verlassen hatte,
fand der europamüde Landmann in Amerika vor. Einen jungfräulichen
Boden vor allem, weite unbesiedelte Strecken sodann, von denen er sich ein
Stück nach eigner Wahl erwerben konnte, keinen Stand über sich, der ihn
drückte, keinen neben sich, der ihm das Leben sauer machte, keine Hörigkeit,
keine Konkurrenz, keinen Frondienst, keine Militärpflicht, leine Bureaukratie.
Seine Grenzen fand dieser Glückliche scheinbar nur in der eignen Leistungs¬
fähigkeit.

Man darf, wenn malt die Blüte der amerikanischen Volkswirtschaft staunend


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[0717] [Abbildung] Die Grenzen des amerikanischen Aufschwungs Wilhelm von polenz von(Fortsetzung) cum man die Schwierigkeiten aus eigner Erfahrung kennt, unter denen der deutsche Landwirt, sei er Großgrundbesitzer, Bauer oder Kleinstelleninhaber, seinein Erwerb nachgeht, und nun die Leichtigkeit sieht, mit der in Nordamerika jede beliebige Menge von Brotfrucht, Handelsgewächsen, Früchten, Leguminosen und Fleisch erzeugt wird, so weiß man, wem das große Los zugefallen ist. Dem deutschen Landwirt einen Vorwurf daraus machen zu wollen, daß er nicht in ähnlich großem Maßstabe produziert, seine Wirtschaft nicht zu gleicher Ein¬ träglichkeit erhebt wie der Amerikaner, ist ungerecht und spricht nicht für Kennt¬ nis der Verhältnisse. Die Industrie mag vielleicht die Arbeitsmethode und die Verwaltuugsmaximen, die in einem andern Kontinente geübt werden, mit Erfolg bei sich einführen, die Landwirtschaft kann das nicht; sie ist unbeweglich und darum schwerfälliger. Einmal ist sie gebunden an den Grund und Boden und an das Klima, an die Natur überhaupt, und sodann ist sie von der Tradition abhängig. Die geschichtliche Entwicklung hat nicht bloß dem Grund und Boden im Laufe der Jahrhunderte eine ganz bestimmte Staats- und Landeszugehörigkeit verliehen, sie hat das Land auch aufgeteilt, hier in große, dort in kleine Grund¬ stücke, sie hat ländliche Stände geschaffen, wie den Großgrundbesitzer, den Vollbauern, den Gärtner und den Kätuer, den ländlichen Tagelöhner. Sie hat im Erbrecht, in den Schuldverhültnissen, im Grundbuch, im Sachenrecht allgemein giltige Prinzipien festgelegt und Einrichtungen geschaffen, die Er¬ werben, Halten und Verlieren von Grund und Boden regeln. Der Stand der Landwirte ist wie kein andrer im Recht und in der Geschichte seines Volkes tief verankert. Von einem solchen Stande das Anpassungsvermögen Und die Schmiegsamkeit des Handelsstandes verlangen, heißt dem Fische zu¬ muten, daß er fliegen lernen solle. Ganz andre bequemere Bedingungen, als die er daheim verlassen hatte, fand der europamüde Landmann in Amerika vor. Einen jungfräulichen Boden vor allem, weite unbesiedelte Strecken sodann, von denen er sich ein Stück nach eigner Wahl erwerben konnte, keinen Stand über sich, der ihn drückte, keinen neben sich, der ihm das Leben sauer machte, keine Hörigkeit, keine Konkurrenz, keinen Frondienst, keine Militärpflicht, leine Bureaukratie. Seine Grenzen fand dieser Glückliche scheinbar nur in der eignen Leistungs¬ fähigkeit. Man darf, wenn malt die Blüte der amerikanischen Volkswirtschaft staunend

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/717>, abgerufen am 24.11.2024.