gegangen seit einem ersten Krankheitsanfall, der ihn am Beginn von 1892 traf, bald nach seinem Doktorjubiläum, Die Angriffe mehrten und verstärkten sich, am empfindlichste:? war ihm die Abnahme der Sehkraft, zeitweise bis zur Erblindung; dazwischen kamen dann wieder Erholungen und auch uoch Freuden¬ tage, wie die Geburtstagsfeier von 1893, und gearbeitet wurde noch bis ganz zuletzt, wenigstens zwei Stunden täglich am Texte des großen Olympiawerkes. Die kürzer werdenden Aufzeichnungen der Briefe ans dieser Leidenszeit zeigen uns gleich langsamer werdenden Atemzügen, wie sich dieser ganz auf Tätigkeit angelegte Geist in innerlicher Betrachtung auf die ewige Ruhe vorbereitet. Mein Vater lebte in dem Glauben an den lebendigen Gott, der das Gebet seiner Kinder hört, sagt der Sohn in der Vorrede. Mai 1892: "Der Leib gehört dem Reiche des Todes an, das fühlen wir täglich, wir können nichts tun als uns anschicken, daß wir mit Freuden auf die Befreiung von diesem Leibe des Todes Hinblicken." Zu Flemmings Vers: So sei nun Seele deine bemerkt er: "Vielen ganz unverständlich, mir ein teures Lieblingswort. Die Seele ist nnr ihr eigen und frei, wenn sie in ihrem Element ist, d. h. in Gott, zu dem sie geschaffen ist; da ist sie zuhause, wie der Fisch im Wasser." April 1896: "Ich nehme allmählich langsam von der sichtbaren Welt Abschied und hoffe zu Gott, daß es mir gelingen wird, diesen Abschied ruhig durch- zuführen, mit ernstem Blick in die Zukunft. -- Ich verzage nicht, ich habe in meinen alten Tagen viel nachzulernen, nud wenn ich auf Müuner wie Treitschke blicke, so schlage ich beschämt die Augen nieder; ich kann ja noch immer meine Geisteskräfte verwerten." -- "Ich bin so betrübt, daß ich nicht mehr für mich in der Bibel lesen kann; ich sehne mich immer nach den gewaltigen Worten des Paulus über den Glnnben Abrahams." Eine seiner letzten Arbeiten war: Paulus in Athen, 1893. Eude Mai: "Wichtige Organe sind so wesentlich geschwächt, daß ich mich gar nicht zu einem kräftigen Wunsche ermannen kann, noch lange hier zu verweilen. Ich habe keine andre Sehnsucht, kein andres Gebet, als in Frieden einzukehren zu dem ewigen Leben dnrch Gottes Barm¬ herzigkeit. Von Kindheit an bin ich auf das ewige Ziel hingewiesen, ich habe keine Entschuldigung." Dann folgen Betrachtungen, wie sie uns ähnlich auch von andern bedeutenden Männern überliefert sind, Wilhelm von Humboldt und Moltke, die nicht ans dein positiven Glaubensgrnnde standen wie Curtius. "Mir kommen noch so viele Gedanken, die mir nicht leicht sind: wie verhält sich die Fülle der Gedankenwelt, in der wir unser Leben zugebracht haben, zu der Stille der Ewigkeit, dem Anschauen Gottes? Es ist doch das geistige Leben mit allen Keimen, die darin enthalten sind, ein so auf Produktivität angelegtes, daß die Menge von Interessen, Gesichtspunkten, Studienkreisen, in denen wir uns bewegen, nicht etwas sein kann, was gegen Gottes Willen und mit den höchsten Interessen des Menschengeistes im Widerspruch ist." Am 6. Juni: "Die Nächte waren mit Hilfe der unentbehrlichen Mittel ruhig. Trotz der Hitze konnte ich täglich mein Pensum Olympia erledigen." Am 28.: "Ihr könnt euch denken, daß ich bei meinem siechen Körper bei dieser Hitze viel zu leiden habe. Ich muß still und ernst auf das Ende schauen und meine irdischen Aufgaben abzuschließen suchen."
Gruft Lurtius
gegangen seit einem ersten Krankheitsanfall, der ihn am Beginn von 1892 traf, bald nach seinem Doktorjubiläum, Die Angriffe mehrten und verstärkten sich, am empfindlichste:? war ihm die Abnahme der Sehkraft, zeitweise bis zur Erblindung; dazwischen kamen dann wieder Erholungen und auch uoch Freuden¬ tage, wie die Geburtstagsfeier von 1893, und gearbeitet wurde noch bis ganz zuletzt, wenigstens zwei Stunden täglich am Texte des großen Olympiawerkes. Die kürzer werdenden Aufzeichnungen der Briefe ans dieser Leidenszeit zeigen uns gleich langsamer werdenden Atemzügen, wie sich dieser ganz auf Tätigkeit angelegte Geist in innerlicher Betrachtung auf die ewige Ruhe vorbereitet. Mein Vater lebte in dem Glauben an den lebendigen Gott, der das Gebet seiner Kinder hört, sagt der Sohn in der Vorrede. Mai 1892: „Der Leib gehört dem Reiche des Todes an, das fühlen wir täglich, wir können nichts tun als uns anschicken, daß wir mit Freuden auf die Befreiung von diesem Leibe des Todes Hinblicken." Zu Flemmings Vers: So sei nun Seele deine bemerkt er: „Vielen ganz unverständlich, mir ein teures Lieblingswort. Die Seele ist nnr ihr eigen und frei, wenn sie in ihrem Element ist, d. h. in Gott, zu dem sie geschaffen ist; da ist sie zuhause, wie der Fisch im Wasser." April 1896: „Ich nehme allmählich langsam von der sichtbaren Welt Abschied und hoffe zu Gott, daß es mir gelingen wird, diesen Abschied ruhig durch- zuführen, mit ernstem Blick in die Zukunft. — Ich verzage nicht, ich habe in meinen alten Tagen viel nachzulernen, nud wenn ich auf Müuner wie Treitschke blicke, so schlage ich beschämt die Augen nieder; ich kann ja noch immer meine Geisteskräfte verwerten." — „Ich bin so betrübt, daß ich nicht mehr für mich in der Bibel lesen kann; ich sehne mich immer nach den gewaltigen Worten des Paulus über den Glnnben Abrahams." Eine seiner letzten Arbeiten war: Paulus in Athen, 1893. Eude Mai: „Wichtige Organe sind so wesentlich geschwächt, daß ich mich gar nicht zu einem kräftigen Wunsche ermannen kann, noch lange hier zu verweilen. Ich habe keine andre Sehnsucht, kein andres Gebet, als in Frieden einzukehren zu dem ewigen Leben dnrch Gottes Barm¬ herzigkeit. Von Kindheit an bin ich auf das ewige Ziel hingewiesen, ich habe keine Entschuldigung." Dann folgen Betrachtungen, wie sie uns ähnlich auch von andern bedeutenden Männern überliefert sind, Wilhelm von Humboldt und Moltke, die nicht ans dein positiven Glaubensgrnnde standen wie Curtius. „Mir kommen noch so viele Gedanken, die mir nicht leicht sind: wie verhält sich die Fülle der Gedankenwelt, in der wir unser Leben zugebracht haben, zu der Stille der Ewigkeit, dem Anschauen Gottes? Es ist doch das geistige Leben mit allen Keimen, die darin enthalten sind, ein so auf Produktivität angelegtes, daß die Menge von Interessen, Gesichtspunkten, Studienkreisen, in denen wir uns bewegen, nicht etwas sein kann, was gegen Gottes Willen und mit den höchsten Interessen des Menschengeistes im Widerspruch ist." Am 6. Juni: „Die Nächte waren mit Hilfe der unentbehrlichen Mittel ruhig. Trotz der Hitze konnte ich täglich mein Pensum Olympia erledigen." Am 28.: „Ihr könnt euch denken, daß ich bei meinem siechen Körper bei dieser Hitze viel zu leiden habe. Ich muß still und ernst auf das Ende schauen und meine irdischen Aufgaben abzuschließen suchen."
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Gruft Lurtius
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traf, bald nach seinem Doktorjubiläum, Die Angriffe mehrten und verstärkten
sich, am empfindlichste:? war ihm die Abnahme der Sehkraft, zeitweise bis zur
Erblindung; dazwischen kamen dann wieder Erholungen und auch uoch Freuden¬
tage, wie die Geburtstagsfeier von 1893, und gearbeitet wurde noch bis ganz
zuletzt, wenigstens zwei Stunden täglich am Texte des großen Olympiawerkes.
Die kürzer werdenden Aufzeichnungen der Briefe ans dieser Leidenszeit zeigen
uns gleich langsamer werdenden Atemzügen, wie sich dieser ganz auf Tätigkeit
angelegte Geist in innerlicher Betrachtung auf die ewige Ruhe vorbereitet.
Mein Vater lebte in dem Glauben an den lebendigen Gott, der das Gebet
seiner Kinder hört, sagt der Sohn in der Vorrede. Mai 1892: „Der Leib
gehört dem Reiche des Todes an, das fühlen wir täglich, wir können nichts
tun als uns anschicken, daß wir mit Freuden auf die Befreiung von diesem
Leibe des Todes Hinblicken." Zu Flemmings Vers: So sei nun Seele deine
bemerkt er: „Vielen ganz unverständlich, mir ein teures Lieblingswort. Die
Seele ist nnr ihr eigen und frei, wenn sie in ihrem Element ist, d. h. in Gott,
zu dem sie geschaffen ist; da ist sie zuhause, wie der Fisch im Wasser."
April 1896: „Ich nehme allmählich langsam von der sichtbaren Welt Abschied
und hoffe zu Gott, daß es mir gelingen wird, diesen Abschied ruhig durch-
zuführen, mit ernstem Blick in die Zukunft. — Ich verzage nicht, ich habe in
meinen alten Tagen viel nachzulernen, nud wenn ich auf Müuner wie Treitschke
blicke, so schlage ich beschämt die Augen nieder; ich kann ja noch immer meine
Geisteskräfte verwerten." — „Ich bin so betrübt, daß ich nicht mehr für mich
in der Bibel lesen kann; ich sehne mich immer nach den gewaltigen Worten des
Paulus über den Glnnben Abrahams." Eine seiner letzten Arbeiten war:
Paulus in Athen, 1893. Eude Mai: „Wichtige Organe sind so wesentlich
geschwächt, daß ich mich gar nicht zu einem kräftigen Wunsche ermannen kann,
noch lange hier zu verweilen. Ich habe keine andre Sehnsucht, kein andres
Gebet, als in Frieden einzukehren zu dem ewigen Leben dnrch Gottes Barm¬
herzigkeit. Von Kindheit an bin ich auf das ewige Ziel hingewiesen, ich habe
keine Entschuldigung." Dann folgen Betrachtungen, wie sie uns ähnlich auch
von andern bedeutenden Männern überliefert sind, Wilhelm von Humboldt
und Moltke, die nicht ans dein positiven Glaubensgrnnde standen wie Curtius.
„Mir kommen noch so viele Gedanken, die mir nicht leicht sind: wie verhält
sich die Fülle der Gedankenwelt, in der wir unser Leben zugebracht haben, zu
der Stille der Ewigkeit, dem Anschauen Gottes? Es ist doch das geistige
Leben mit allen Keimen, die darin enthalten sind, ein so auf Produktivität
angelegtes, daß die Menge von Interessen, Gesichtspunkten, Studienkreisen, in
denen wir uns bewegen, nicht etwas sein kann, was gegen Gottes Willen
und mit den höchsten Interessen des Menschengeistes im Widerspruch ist." Am
6. Juni: „Die Nächte waren mit Hilfe der unentbehrlichen Mittel ruhig. Trotz
der Hitze konnte ich täglich mein Pensum Olympia erledigen." Am 28.: „Ihr
könnt euch denken, daß ich bei meinem siechen Körper bei dieser Hitze viel zu
leiden habe. Ich muß still und ernst auf das Ende schauen und meine irdischen
Aufgaben abzuschließen suchen."
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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/668>, abgerufen am 24.11.2024.
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