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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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König Laurin

Den vierten Akt muß man lesen oder sehen, beschreiben laßt er sich, außer
insoweit es sich dabei um den ersten Auftritt zwischen Justinian und dein Prä¬
fekten handelt, nicht.

Der Präfekt sucht dem Kaiser die Gotenkönigin auszureden, er findet bei
diesem aber wenig Anklang, und so widerlich einen: Justinian auch ist, daß ihm
das Überweib als Gattin nicht einleuchtet, kauu man ihm nicht zum Vorwurf machen.
Theodora gefällt ihm besser.


Der du voir Fleisch und Blut
Mich fortgeschwatzt hast (sagt Justinian zum Präfekten) und hinausgelockt
Zu -- Gipfelhöhn der Welt.
Da steh ich, beten mit einem Wesen,
Das wie ein Weib aussieht, und auch nicht Mensch ist.

(Hohngelächter der Hölle!)

Ist sie nicht schön?

Johannes:

Wie Schnee im Mount Mai.

Justinian:

Ist sie nicht klug?'

Johannes: Justinian:

Wie Puthia auf dem Dreifuß.

Dahin mit ihr. Opferpriesteriunen
Gehören in den Tempel ., .

Johannes:

Die Worte ihrer Botschaft --


Justinian:

Worte! Worte

Kann man nicht heiraten.


Schließlich gelingt es aber dem Präfekten doch, dem Kaiser einzurede", es sei
seine Regentenpflicht, die schöne Gelegenheit nicht ungenutzt zu lassen und Italien
für Byzmiz wieder zu gewinnen:


Den Bund zu stiften, der den Weltfrieden
Gebären und das blutge Haupt des Kriegs
Zertreten soll.

Er wird vom Kaiser ermächtigt, Vorbereitungen für dessen am nächsten Morgen
ni Aussicht genommene Vermählung mit der Gvtenkönigin zu treffen, und er ent¬
fernt sich, indem er sich in der Tür mit dem Edelknaben begegnet, der dem Kaiser
zu Bett leuchten soll. Von allen UnWahrscheinlichkeiten, die man uns auftischen
könnte, damit wir sie für bare Münze nehmen, ist dieser Edelknabe die schlimmste.
Theodora ist nicht, wie man bisher geglaubt hat, verschwunden. Tribonian hat sie
irgendwo im Palast verborgen gehalten, und nun hat sie, mit dem langen rot-
seidnen Kleide der Edelknaben angetan, die Mantelkappe über den Kopf bis tief
ins Gesicht gezogen, im Vorzimmer gewartet, um dem Kaiser zu Bett zu leuchten.


Leuchtkäfer (sagt der) -- endlich. Flattre mir voran.

Die Wendung ist sehr anmutig: über das Unmögliche dessen, was uns zu
glauben zugemutet wird, kann sie uns nicht hinwegtäuschen. Der byzantinische
Kaiserpalast war zu Justinians Zeit nicht das Paradies, worin der Tiger neben
dem Lamm richte! das Leben des Kaisers war stündlich in Gefahr und konnte nur
durch die größte Vorsicht gegen Anschläge aller Art geschützt werden; eine Palast¬
revolution, bei der Belisar die Oberhand erhielt, mußte Tribonian ans Ruder
bringen und den Präfekten stürzen. Das alles wußte dieser, und er sollte den
Kaiser mit einem Edelknaben allein gelassen haben, der wie ein Femrichter ver¬
mummt war? Edelknaben, die dem Herrn zu Bett leuchten, tragen die Mantel-
^Ppe nicht über den Kopf bis tief ins Gesicht gezogen: einmal ist das nicht Sitte,
und dann wäre es auch nicht ratsam, da man doch zu wissen wünscht, wer einem
Zu Bett leuchtet, und ob es nicht jemand ist, der die Gelegenheit benutzen könnte,
einen mit dein Dolche zwischen der dritten und vierten Rippe zu kitzeln.

Aber wir tun Wildenbruch den Gefallen und nehmen den Edelknaben hin,
U'le er uns geboten wird, "eine Wachskerze in goldnem Leuchter tragend." Justinian
erkennt Theodora am Gang und an der Stimme, und alles, was der Prttfekt mit
vieler Mühe aufgebaut hat, liegt im Nu am Boden.


König Laurin

Den vierten Akt muß man lesen oder sehen, beschreiben laßt er sich, außer
insoweit es sich dabei um den ersten Auftritt zwischen Justinian und dein Prä¬
fekten handelt, nicht.

Der Präfekt sucht dem Kaiser die Gotenkönigin auszureden, er findet bei
diesem aber wenig Anklang, und so widerlich einen: Justinian auch ist, daß ihm
das Überweib als Gattin nicht einleuchtet, kauu man ihm nicht zum Vorwurf machen.
Theodora gefällt ihm besser.


Der du voir Fleisch und Blut
Mich fortgeschwatzt hast (sagt Justinian zum Präfekten) und hinausgelockt
Zu — Gipfelhöhn der Welt.
Da steh ich, beten mit einem Wesen,
Das wie ein Weib aussieht, und auch nicht Mensch ist.

(Hohngelächter der Hölle!)

Ist sie nicht schön?

Johannes:

Wie Schnee im Mount Mai.

Justinian:

Ist sie nicht klug?'

Johannes: Justinian:

Wie Puthia auf dem Dreifuß.

Dahin mit ihr. Opferpriesteriunen
Gehören in den Tempel ., .

Johannes:

Die Worte ihrer Botschaft —


Justinian:

Worte! Worte

Kann man nicht heiraten.


Schließlich gelingt es aber dem Präfekten doch, dem Kaiser einzurede», es sei
seine Regentenpflicht, die schöne Gelegenheit nicht ungenutzt zu lassen und Italien
für Byzmiz wieder zu gewinnen:


Den Bund zu stiften, der den Weltfrieden
Gebären und das blutge Haupt des Kriegs
Zertreten soll.

Er wird vom Kaiser ermächtigt, Vorbereitungen für dessen am nächsten Morgen
ni Aussicht genommene Vermählung mit der Gvtenkönigin zu treffen, und er ent¬
fernt sich, indem er sich in der Tür mit dem Edelknaben begegnet, der dem Kaiser
zu Bett leuchten soll. Von allen UnWahrscheinlichkeiten, die man uns auftischen
könnte, damit wir sie für bare Münze nehmen, ist dieser Edelknabe die schlimmste.
Theodora ist nicht, wie man bisher geglaubt hat, verschwunden. Tribonian hat sie
irgendwo im Palast verborgen gehalten, und nun hat sie, mit dem langen rot-
seidnen Kleide der Edelknaben angetan, die Mantelkappe über den Kopf bis tief
ins Gesicht gezogen, im Vorzimmer gewartet, um dem Kaiser zu Bett zu leuchten.


Leuchtkäfer (sagt der) — endlich. Flattre mir voran.

Die Wendung ist sehr anmutig: über das Unmögliche dessen, was uns zu
glauben zugemutet wird, kann sie uns nicht hinwegtäuschen. Der byzantinische
Kaiserpalast war zu Justinians Zeit nicht das Paradies, worin der Tiger neben
dem Lamm richte! das Leben des Kaisers war stündlich in Gefahr und konnte nur
durch die größte Vorsicht gegen Anschläge aller Art geschützt werden; eine Palast¬
revolution, bei der Belisar die Oberhand erhielt, mußte Tribonian ans Ruder
bringen und den Präfekten stürzen. Das alles wußte dieser, und er sollte den
Kaiser mit einem Edelknaben allein gelassen haben, der wie ein Femrichter ver¬
mummt war? Edelknaben, die dem Herrn zu Bett leuchten, tragen die Mantel-
^Ppe nicht über den Kopf bis tief ins Gesicht gezogen: einmal ist das nicht Sitte,
und dann wäre es auch nicht ratsam, da man doch zu wissen wünscht, wer einem
Zu Bett leuchtet, und ob es nicht jemand ist, der die Gelegenheit benutzen könnte,
einen mit dein Dolche zwischen der dritten und vierten Rippe zu kitzeln.

Aber wir tun Wildenbruch den Gefallen und nehmen den Edelknaben hin,
U'le er uns geboten wird, „eine Wachskerze in goldnem Leuchter tragend." Justinian
erkennt Theodora am Gang und an der Stimme, und alles, was der Prttfekt mit
vieler Mühe aufgebaut hat, liegt im Nu am Boden.


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[0613] König Laurin Den vierten Akt muß man lesen oder sehen, beschreiben laßt er sich, außer insoweit es sich dabei um den ersten Auftritt zwischen Justinian und dein Prä¬ fekten handelt, nicht. Der Präfekt sucht dem Kaiser die Gotenkönigin auszureden, er findet bei diesem aber wenig Anklang, und so widerlich einen: Justinian auch ist, daß ihm das Überweib als Gattin nicht einleuchtet, kauu man ihm nicht zum Vorwurf machen. Theodora gefällt ihm besser. Der du voir Fleisch und Blut Mich fortgeschwatzt hast (sagt Justinian zum Präfekten) und hinausgelockt Zu — Gipfelhöhn der Welt. Da steh ich, beten mit einem Wesen, Das wie ein Weib aussieht, und auch nicht Mensch ist. (Hohngelächter der Hölle!) Ist sie nicht schön? Johannes: Wie Schnee im Mount Mai. Justinian: Ist sie nicht klug?' Johannes: Justinian: Wie Puthia auf dem Dreifuß. Dahin mit ihr. Opferpriesteriunen Gehören in den Tempel ., . Johannes: Die Worte ihrer Botschaft — Justinian: Worte! Worte Kann man nicht heiraten. Schließlich gelingt es aber dem Präfekten doch, dem Kaiser einzurede», es sei seine Regentenpflicht, die schöne Gelegenheit nicht ungenutzt zu lassen und Italien für Byzmiz wieder zu gewinnen: Den Bund zu stiften, der den Weltfrieden Gebären und das blutge Haupt des Kriegs Zertreten soll. Er wird vom Kaiser ermächtigt, Vorbereitungen für dessen am nächsten Morgen ni Aussicht genommene Vermählung mit der Gvtenkönigin zu treffen, und er ent¬ fernt sich, indem er sich in der Tür mit dem Edelknaben begegnet, der dem Kaiser zu Bett leuchten soll. Von allen UnWahrscheinlichkeiten, die man uns auftischen könnte, damit wir sie für bare Münze nehmen, ist dieser Edelknabe die schlimmste. Theodora ist nicht, wie man bisher geglaubt hat, verschwunden. Tribonian hat sie irgendwo im Palast verborgen gehalten, und nun hat sie, mit dem langen rot- seidnen Kleide der Edelknaben angetan, die Mantelkappe über den Kopf bis tief ins Gesicht gezogen, im Vorzimmer gewartet, um dem Kaiser zu Bett zu leuchten. Leuchtkäfer (sagt der) — endlich. Flattre mir voran. Die Wendung ist sehr anmutig: über das Unmögliche dessen, was uns zu glauben zugemutet wird, kann sie uns nicht hinwegtäuschen. Der byzantinische Kaiserpalast war zu Justinians Zeit nicht das Paradies, worin der Tiger neben dem Lamm richte! das Leben des Kaisers war stündlich in Gefahr und konnte nur durch die größte Vorsicht gegen Anschläge aller Art geschützt werden; eine Palast¬ revolution, bei der Belisar die Oberhand erhielt, mußte Tribonian ans Ruder bringen und den Präfekten stürzen. Das alles wußte dieser, und er sollte den Kaiser mit einem Edelknaben allein gelassen haben, der wie ein Femrichter ver¬ mummt war? Edelknaben, die dem Herrn zu Bett leuchten, tragen die Mantel- ^Ppe nicht über den Kopf bis tief ins Gesicht gezogen: einmal ist das nicht Sitte, und dann wäre es auch nicht ratsam, da man doch zu wissen wünscht, wer einem Zu Bett leuchtet, und ob es nicht jemand ist, der die Gelegenheit benutzen könnte, einen mit dein Dolche zwischen der dritten und vierten Rippe zu kitzeln. Aber wir tun Wildenbruch den Gefallen und nehmen den Edelknaben hin, U'le er uns geboten wird, „eine Wachskerze in goldnem Leuchter tragend." Justinian erkennt Theodora am Gang und an der Stimme, und alles, was der Prttfekt mit vieler Mühe aufgebaut hat, liegt im Nu am Boden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/613>, abgerufen am 24.11.2024.