Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Der Kreuzzug gegen die Stcdinger mauertem Ufer gedeckt. Hier standen die Bauern, angeführt von drei Mannern, Zur Überraschung der Bauern griff das heranmarschierende Kreuzheer Es war die Vernichtung des schwächern Teils durch eine gewaltige Über¬ Der Kreuzzug gegen die Stcdinger mauertem Ufer gedeckt. Hier standen die Bauern, angeführt von drei Mannern, Zur Überraschung der Bauern griff das heranmarschierende Kreuzheer Es war die Vernichtung des schwächern Teils durch eine gewaltige Über¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0605" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240161"/> <fw type="header" place="top"> Der Kreuzzug gegen die Stcdinger</fw><lb/> <p xml:id="ID_3224" prev="#ID_3223"> mauertem Ufer gedeckt. Hier standen die Bauern, angeführt von drei Mannern,<lb/> deren Namen noch heute bekannt sind: Volke von Bardensleth, Thmnmo<lb/> von Huntvrp und Dettmar vom Dicke. Wir haben sie uns als hochgewachsene,<lb/> muskulöse Männer mit flachsblondem Haar zu denken, wohl nur zum kleinsten<lb/> Teil gepanzert, bewaffnet mit Schwert, Spieß, Morgenstern oder bloßen Keulen,<lb/> die meisten in ledernem Wams mit Schild. Reiterei wird wenig auf ihrer<lb/> Seite gewesen sein, denn für ihre zur Defensive bestimmte Fechtart konnte sie<lb/> ja auch wenig verwertet werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_3225"> Zur Überraschung der Bauern griff das heranmarschierende Kreuzheer<lb/> nicht den verteidigten Zugang beim Hemmelstamper Walde an; vielmehr waren<lb/> zugleich Schiffe von Bremen aus die Weser hinabgefahren und in den Neben¬<lb/> fluß, die Ochtnm, die die Grenze des Stedingerlandcs war, eingefahren. Hier<lb/> legten sie sich vor den Angen der Bauern, und ohne daß diese es hindern<lb/> konnte, zu Schiffbrücken über den schmalen Fluß zusammen. So überschritten<lb/> die Angreifer mit großer Übermacht ungehindert die Grenze. Auf einem ebnen,<lb/> offnen Felde erwarteten die Bauern sie, angeführt und angefeuert von den<lb/> drei genannten Männern. Ans bischöflicher Seite leiteten der Herzog von Brabant<lb/> und Graf Florentin von Holland den Angriff, und im Hintertreffen stand der<lb/> Klerus und sang geistliche Lieder zu der grausigen Tat. Recken vitg. in inorw<lb/> 8UMU8, so klang es bei dem Schwenken der Kirchenfahnen und dem Schwingen<lb/> der Weihrauchfässer. Mit Ungestüm ging es gegen die Bauern, aber diese<lb/> standen wie eine Mauer. Viele Ritter wurden erschlagen, nnter ihnen Graf<lb/> Heinrich von Oldenburg, der den Bruder zu rächen hatte, und dem ein großer<lb/> Anteil an der weltlichen Herrschaft als Beute winkte; er war hoch zu Roß<lb/> ins Getümmel gesprengt und hatte dort seinen Tod gefunden. Aber gegen<lb/> die Übermacht, die immer neue Scharen heranführte, erlahmte die Kraft der<lb/> Bauern, denn auch sie hatten schon stark gelitten. Endlich konnten sie uicht<lb/> mehr standhalten, obgleich auch Frauen zu den Waffen gegriffen hatten.<lb/> Man fand deren nicht wenige unter den Leichen der tapfern Bauern, die die<lb/> Walstatt bedeckten. Alte Quellen sprechen von 10000 Toten; andre von<lb/> 4000. Schumacher nimmt an, daß 1233 und 1234 in den Kämpfen ans<lb/> beiden Ufern der Weser 4000 Menschenleben auf stedingischer Seite vernichtet<lb/> seien, davon 1000 Frauen und Kinder.</p><lb/> <p xml:id="ID_3226"> Es war die Vernichtung des schwächern Teils durch eine gewaltige Über¬<lb/> macht. Die Widerstandskraft Stedingens war für immer gebrochen. Die Flucht<lb/> gelang nur den wenigen, die der Pfade durch Moor und Sumpf genau kundig<lb/> waren. Wessen man habhaft wurde, der wurde noch nachträglich getötet; die<lb/> Häuser wurden in Menge angezündet. Massengräber umschlossen Freund und<lb/> Feind. Das Wort „Liebet eure Feinde" hatte Christus für kämpfende Kirchen¬<lb/> fürsten wie Erzbischof Gerhard den Zweiten vergeblich gesprochen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0605]
Der Kreuzzug gegen die Stcdinger
mauertem Ufer gedeckt. Hier standen die Bauern, angeführt von drei Mannern,
deren Namen noch heute bekannt sind: Volke von Bardensleth, Thmnmo
von Huntvrp und Dettmar vom Dicke. Wir haben sie uns als hochgewachsene,
muskulöse Männer mit flachsblondem Haar zu denken, wohl nur zum kleinsten
Teil gepanzert, bewaffnet mit Schwert, Spieß, Morgenstern oder bloßen Keulen,
die meisten in ledernem Wams mit Schild. Reiterei wird wenig auf ihrer
Seite gewesen sein, denn für ihre zur Defensive bestimmte Fechtart konnte sie
ja auch wenig verwertet werden.
Zur Überraschung der Bauern griff das heranmarschierende Kreuzheer
nicht den verteidigten Zugang beim Hemmelstamper Walde an; vielmehr waren
zugleich Schiffe von Bremen aus die Weser hinabgefahren und in den Neben¬
fluß, die Ochtnm, die die Grenze des Stedingerlandcs war, eingefahren. Hier
legten sie sich vor den Angen der Bauern, und ohne daß diese es hindern
konnte, zu Schiffbrücken über den schmalen Fluß zusammen. So überschritten
die Angreifer mit großer Übermacht ungehindert die Grenze. Auf einem ebnen,
offnen Felde erwarteten die Bauern sie, angeführt und angefeuert von den
drei genannten Männern. Ans bischöflicher Seite leiteten der Herzog von Brabant
und Graf Florentin von Holland den Angriff, und im Hintertreffen stand der
Klerus und sang geistliche Lieder zu der grausigen Tat. Recken vitg. in inorw
8UMU8, so klang es bei dem Schwenken der Kirchenfahnen und dem Schwingen
der Weihrauchfässer. Mit Ungestüm ging es gegen die Bauern, aber diese
standen wie eine Mauer. Viele Ritter wurden erschlagen, nnter ihnen Graf
Heinrich von Oldenburg, der den Bruder zu rächen hatte, und dem ein großer
Anteil an der weltlichen Herrschaft als Beute winkte; er war hoch zu Roß
ins Getümmel gesprengt und hatte dort seinen Tod gefunden. Aber gegen
die Übermacht, die immer neue Scharen heranführte, erlahmte die Kraft der
Bauern, denn auch sie hatten schon stark gelitten. Endlich konnten sie uicht
mehr standhalten, obgleich auch Frauen zu den Waffen gegriffen hatten.
Man fand deren nicht wenige unter den Leichen der tapfern Bauern, die die
Walstatt bedeckten. Alte Quellen sprechen von 10000 Toten; andre von
4000. Schumacher nimmt an, daß 1233 und 1234 in den Kämpfen ans
beiden Ufern der Weser 4000 Menschenleben auf stedingischer Seite vernichtet
seien, davon 1000 Frauen und Kinder.
Es war die Vernichtung des schwächern Teils durch eine gewaltige Über¬
macht. Die Widerstandskraft Stedingens war für immer gebrochen. Die Flucht
gelang nur den wenigen, die der Pfade durch Moor und Sumpf genau kundig
waren. Wessen man habhaft wurde, der wurde noch nachträglich getötet; die
Häuser wurden in Menge angezündet. Massengräber umschlossen Freund und
Feind. Das Wort „Liebet eure Feinde" hatte Christus für kämpfende Kirchen¬
fürsten wie Erzbischof Gerhard den Zweiten vergeblich gesprochen.
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