Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Das Miquelschl! Einkommensteuergesetz im Jahre ^9^2 Die Vorschriften über die Berechnung und die Ermittlung der steuer¬ Die Klassenstenerpslichtigen, die Zensiten mit einem Einkommen uuter Die Grundlage dieser alljährlich wiederkehrenden, meist als unwillkommene Die endgiltige Festsetzung der Klnssenstenerrolle lag der Negierung ob. Diese Bearbeitung bei der Regierung war oberflächlich, und sie fand Das Miquelschl! Einkommensteuergesetz im Jahre ^9^2 Die Vorschriften über die Berechnung und die Ermittlung der steuer¬ Die Klassenstenerpslichtigen, die Zensiten mit einem Einkommen uuter Die Grundlage dieser alljährlich wiederkehrenden, meist als unwillkommene Die endgiltige Festsetzung der Klnssenstenerrolle lag der Negierung ob. Diese Bearbeitung bei der Regierung war oberflächlich, und sie fand <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0578" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240134"/> <fw type="header" place="top"> Das Miquelschl! Einkommensteuergesetz im Jahre ^9^2</fw><lb/> <p xml:id="ID_3135"> Die Vorschriften über die Berechnung und die Ermittlung der steuer¬<lb/> pflichtigen Einkommen waren unbestimmt und dehnbar, und was an ihnen<lb/> gut war, das konnte nur unzulänglich ausgeführt werdeu, da die zur Aus¬<lb/> führung des Gesetzes berufnen Behörden und Kommissionen mit schwächlichen,<lb/> unzureichenden Befugnissen ausgerüstet waren. Der Geist, unter dem das<lb/> Gesetz zustande gekommen war, und in dem es ausgeführt wurde, war der<lb/> der Halbheit und der Ängstlichkeit. Wer nur das gegenwärtige Einkommen¬<lb/> steuergesetz kennt, den unter die damaligen Zustände fremd und kaum glaub¬<lb/> haft um.</p><lb/> <p xml:id="ID_3136"> Die Klassenstenerpslichtigen, die Zensiten mit einem Einkommen uuter<lb/> tausend Talern, wurden von den für einzelne Ortschaften oder kleinere Bezirke<lb/> gebildeten Einschützungskommissioncn eingeschätzt. Die Festsetzung der Steuer<lb/> erfolgte durch die Regierung nach einer Vorrcvision durch den Landrat. Diese<lb/> erste Durcharbeitung der Klassensteuerrolle lag fast ausschließlich in der Hand<lb/> des Kreissekretärs. Ein eifriger Lcmdrnt arbeitete sie wohl selbst einmal durch,<lb/> um die Wirtschafts- und Vermögensverhältnisse seiner Kreiseingesesseuen kennen<lb/> zu lernen; doch solcher Landräte soll es nicht allzuviele gegeben haben. Sah<lb/> ein Landrat alljährlich einige Seiten der Rolle an, so tat er mehr als die<lb/> meisten seiner Herren Kollegen. Nach durchaus vertrauenswürdiger Mitteilungen<lb/> soll es Landrüte gegeben haben, die in langer Dienstzeit niemals einen Blick<lb/> in die Klassensteuerrolle geworfen haben, die die mühsame und langweilige<lb/> Arbeit der Revision der Rolle vorbehaltlos dem Kreissekretär überließen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3137"> Die Grundlage dieser alljährlich wiederkehrenden, meist als unwillkommene<lb/> Zugabe zu deu laufenden Sachen begrüßten Arbeit war die vorjährige Rolle.<lb/> Auf sie wurde zunächst zurückgegriffen, der vorgcschlagne Steuersatz wurde mit<lb/> dem frühern verglichen, und dann wurde nach Empfinden des Bearbeiters,<lb/> nach Hörensagen und selten nach eingehenden Ermittlungen der Steuersatz<lb/> eingestellt.</p><lb/> <p xml:id="ID_3138"> Die endgiltige Festsetzung der Klnssenstenerrolle lag der Negierung ob.<lb/> Groß war die Aufregung hier, wenn die umfangreichen Rollen einliefen. Der<lb/> Stcnerdepartementsrat, außer stände, die eilige umfangreiche Arbeit allein zu<lb/> erledigen, ließ sich Referendare, Sekretäre und Supernumerare überweisen,<lb/> denen die Rollen zugeschrieben wurden. Diese in Steuersachen meist uner-<lb/> fahrnen Beamten, die außerdem die ihnen übertragne Revision als unan¬<lb/> genehme Mehrarbeit ansahen, prüften die Vorschläge und setzten die Steuer¬<lb/> sätze fest. Der Steuerdepartemeutsrat konnte unmöglich sämtliche Arbeiten nach¬<lb/> prüfen; dazu waren sie zu umfangreich, und die Zeit drängte, denn die Rollen<lb/> mußten schleunigst zur Bekanntmachung an die Gemeinden zurückgesandt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_3139"> Diese Bearbeitung bei der Regierung war oberflächlich, und sie fand<lb/> im Gesetz Unterstützung. Es schrieb zwar vor, daß vor eiuer Erhöhung die<lb/> Einschätzmigskvmmission nochmals zu hören sei, weiterhin aber war bemerkt,<lb/> daß das Unterbleiben der Anhörung die Ungiltigkcit der Einschätzung nicht<lb/> nach sich ziehe. Wer wollte es da den Beamten verdenken, daß sie bei der<lb/> karg bemessene» Zeit und bei dem Umfange der Arbeit Rückfragen so wenig<lb/> wie möglich stellten?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0578]
Das Miquelschl! Einkommensteuergesetz im Jahre ^9^2
Die Vorschriften über die Berechnung und die Ermittlung der steuer¬
pflichtigen Einkommen waren unbestimmt und dehnbar, und was an ihnen
gut war, das konnte nur unzulänglich ausgeführt werdeu, da die zur Aus¬
führung des Gesetzes berufnen Behörden und Kommissionen mit schwächlichen,
unzureichenden Befugnissen ausgerüstet waren. Der Geist, unter dem das
Gesetz zustande gekommen war, und in dem es ausgeführt wurde, war der
der Halbheit und der Ängstlichkeit. Wer nur das gegenwärtige Einkommen¬
steuergesetz kennt, den unter die damaligen Zustände fremd und kaum glaub¬
haft um.
Die Klassenstenerpslichtigen, die Zensiten mit einem Einkommen uuter
tausend Talern, wurden von den für einzelne Ortschaften oder kleinere Bezirke
gebildeten Einschützungskommissioncn eingeschätzt. Die Festsetzung der Steuer
erfolgte durch die Regierung nach einer Vorrcvision durch den Landrat. Diese
erste Durcharbeitung der Klassensteuerrolle lag fast ausschließlich in der Hand
des Kreissekretärs. Ein eifriger Lcmdrnt arbeitete sie wohl selbst einmal durch,
um die Wirtschafts- und Vermögensverhältnisse seiner Kreiseingesesseuen kennen
zu lernen; doch solcher Landräte soll es nicht allzuviele gegeben haben. Sah
ein Landrat alljährlich einige Seiten der Rolle an, so tat er mehr als die
meisten seiner Herren Kollegen. Nach durchaus vertrauenswürdiger Mitteilungen
soll es Landrüte gegeben haben, die in langer Dienstzeit niemals einen Blick
in die Klassensteuerrolle geworfen haben, die die mühsame und langweilige
Arbeit der Revision der Rolle vorbehaltlos dem Kreissekretär überließen.
Die Grundlage dieser alljährlich wiederkehrenden, meist als unwillkommene
Zugabe zu deu laufenden Sachen begrüßten Arbeit war die vorjährige Rolle.
Auf sie wurde zunächst zurückgegriffen, der vorgcschlagne Steuersatz wurde mit
dem frühern verglichen, und dann wurde nach Empfinden des Bearbeiters,
nach Hörensagen und selten nach eingehenden Ermittlungen der Steuersatz
eingestellt.
Die endgiltige Festsetzung der Klnssenstenerrolle lag der Negierung ob.
Groß war die Aufregung hier, wenn die umfangreichen Rollen einliefen. Der
Stcnerdepartementsrat, außer stände, die eilige umfangreiche Arbeit allein zu
erledigen, ließ sich Referendare, Sekretäre und Supernumerare überweisen,
denen die Rollen zugeschrieben wurden. Diese in Steuersachen meist uner-
fahrnen Beamten, die außerdem die ihnen übertragne Revision als unan¬
genehme Mehrarbeit ansahen, prüften die Vorschläge und setzten die Steuer¬
sätze fest. Der Steuerdepartemeutsrat konnte unmöglich sämtliche Arbeiten nach¬
prüfen; dazu waren sie zu umfangreich, und die Zeit drängte, denn die Rollen
mußten schleunigst zur Bekanntmachung an die Gemeinden zurückgesandt werden.
Diese Bearbeitung bei der Regierung war oberflächlich, und sie fand
im Gesetz Unterstützung. Es schrieb zwar vor, daß vor eiuer Erhöhung die
Einschätzmigskvmmission nochmals zu hören sei, weiterhin aber war bemerkt,
daß das Unterbleiben der Anhörung die Ungiltigkcit der Einschätzung nicht
nach sich ziehe. Wer wollte es da den Beamten verdenken, daß sie bei der
karg bemessene» Zeit und bei dem Umfange der Arbeit Rückfragen so wenig
wie möglich stellten?
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