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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Feuer!

Geschrei ist an die Stelle der frühern Stille getreten. Sinnlos fahren die Schläfer
aus ihren Betten, betäubt von dem Lärm, geblendet von dem blutroten Schein,
der ihnen von draußen her unheilverheißend entgegenleuchtet.

Dort, wo die blendend weißen Vorhänge an den drei kleinen freundlichen
Fenstern so kokett aufgesteckt sind, daß sie mit den schön blühenden Gloxinien darunter
ein wunderliebliches Bild bieten, das die Vorübergehenden nicht selten zum stehn-
bleiben veranlaßt, haust ein junges Paar. Er hat mehrere Jahre unermüdlich ge¬
strebt und gearbeitet, um sie heimführen zu können. Sie hat ihrerseits vom Morgen
bis zur Nacht die Hände gerührt, um ihm die Aufgabe zu erleichtern und einiger¬
maßen das zu erwerben, was jede, die nicht elternlos ist wie sie, dem Manne ohne
Mühe in das Haus bringt. Sie haben den Schritt nicht leichtfertig und gedankenlos
getan wie andre. Sie haben vorher bedacht, daß die Gründung einer Familie
eine gewisse Sicherheit auch für die zu erwartende Nachkommenschaft notwendig
voraussetzt. Endlich haben sie es erreicht. Er hat eine Stelle errungen, die ihnen
bescheidnen Unterhalt gewährt. Ihre beiderseitigen Ersparnisse reichten zur ent¬
sprechenden und ansprechenden Einrichtung. Da haben sie sich geheiratet.

Feuer!

In wenig Augenblicken ist all ihr Schaffen und Wirken in nichts zerronnen.
Sie stehn auf dem Punkte, wo sie vor Jahren standen. Sie haben nur die Mög¬
lichkeit, ihr Leben kümmerlich weiterzufristen. Sie haben keine Mittel, sich nen ein¬
zurichten. Sie haben keine Aussicht, dem bald zu erwartenden Ältesten einen
sorgenlosen Empfang zu bereiten. Sie sehen sich in einer Lage, als hätten sie sich
ebenso leichtsinnig geheiratet wie andre.

In einer mit gewissem Komfort ausgestatteten Wohnung leitet eine hübsche,
rüstige Frau das Hauswesen. Sie hat vollauf damit zu tun und tut es mit Liebe
und Lust. Darum hat sie keinen Sinn für Visiten und Klatschgesellschaften, keine
Zeit für Konzerte und Theaterbesuch. Der Mann ist meist abwesend. Er müht
sich in der Ferne, um der Familie zu verschaffen und zu sichern, was sie gegen¬
wärtig und in der Zukunft nötig hat. Und die Frau unterstützt ihn durch ihr
häusliches Wirken nach Möglichkeit. Sie verknüpft der zahlreichen Kinderschar
gegenüber die mütterliche Sorgfalt mit dem väterlichen Ernst. Wie müde ist sie
aber auch, wenn der Abend kommt, und die Jüngsten, von ihr eigenhändig gebadet
und zu Bett gebracht, die rosigen Gesichtchen lächelnd in die Kissen drücken, während
die Ältern sich anschicken, der Mutter das Abendgebet herzusagen und ihr dann
Gute Nacht zu bieten!

Feuer!

Erstarrt und ratlos steht die sonst so überlegte, so entschlossene Frau. Sie weiß
nicht, welches der Kinder sie zuerst ergreifen soll, denn alle kann sie nicht in die
Arme fassen. Sie preßt verzweifelt die Hände an die brennenden Schläfen, während
die beiden Mägde jammernd und zwecklos in den Zimmern umherlaufen. Da
bringen auch schon fremde Menschen in die Wohnung. Die schreienden Kinder
werden ans den Betten gerissen. Die Frau selbst packt die beiden jüngsten. Wenig
Minuten später sieht sie sich mit den zwei weinenden Kleinen draußen in einem
wirren, lärmenden Menschenhaufen. Sie weiß nicht, wohin sie soll. Sie hat keine
Ahnung davon, wo die übrigen Kinder sind, und ob es auch wirklich gelungen ist,
"lie zu retten.

Stumm sitzt ein alter Mann auf einem halb verkohlten Balken und starrt
"uf den vor ihm dampfenden Schutt- und Trümmerhaufe". Neben ihm kauert
eben so stumm, das runzlige Gesicht in die dürren Hände gedrückt, eine alte Frau.
Mök ein halbes Jahrhundert haben sie miteinander gelebt, haben jeden Groschen
M Rat gehalten und immer nur ein Ziel vor den Augen gehabt. Die lange Ge¬
duld und Ausdauer war glücklich belohnt. Sie wohnten zuletzt ruhig und zufrieden
wi eignen Häuschen. Sie hatten es da warm, reinlich und bequem. Danach allein
hatten sie sich gesehnt ihr Leben lang.


Feuer!

Geschrei ist an die Stelle der frühern Stille getreten. Sinnlos fahren die Schläfer
aus ihren Betten, betäubt von dem Lärm, geblendet von dem blutroten Schein,
der ihnen von draußen her unheilverheißend entgegenleuchtet.

Dort, wo die blendend weißen Vorhänge an den drei kleinen freundlichen
Fenstern so kokett aufgesteckt sind, daß sie mit den schön blühenden Gloxinien darunter
ein wunderliebliches Bild bieten, das die Vorübergehenden nicht selten zum stehn-
bleiben veranlaßt, haust ein junges Paar. Er hat mehrere Jahre unermüdlich ge¬
strebt und gearbeitet, um sie heimführen zu können. Sie hat ihrerseits vom Morgen
bis zur Nacht die Hände gerührt, um ihm die Aufgabe zu erleichtern und einiger¬
maßen das zu erwerben, was jede, die nicht elternlos ist wie sie, dem Manne ohne
Mühe in das Haus bringt. Sie haben den Schritt nicht leichtfertig und gedankenlos
getan wie andre. Sie haben vorher bedacht, daß die Gründung einer Familie
eine gewisse Sicherheit auch für die zu erwartende Nachkommenschaft notwendig
voraussetzt. Endlich haben sie es erreicht. Er hat eine Stelle errungen, die ihnen
bescheidnen Unterhalt gewährt. Ihre beiderseitigen Ersparnisse reichten zur ent¬
sprechenden und ansprechenden Einrichtung. Da haben sie sich geheiratet.

Feuer!

In wenig Augenblicken ist all ihr Schaffen und Wirken in nichts zerronnen.
Sie stehn auf dem Punkte, wo sie vor Jahren standen. Sie haben nur die Mög¬
lichkeit, ihr Leben kümmerlich weiterzufristen. Sie haben keine Mittel, sich nen ein¬
zurichten. Sie haben keine Aussicht, dem bald zu erwartenden Ältesten einen
sorgenlosen Empfang zu bereiten. Sie sehen sich in einer Lage, als hätten sie sich
ebenso leichtsinnig geheiratet wie andre.

In einer mit gewissem Komfort ausgestatteten Wohnung leitet eine hübsche,
rüstige Frau das Hauswesen. Sie hat vollauf damit zu tun und tut es mit Liebe
und Lust. Darum hat sie keinen Sinn für Visiten und Klatschgesellschaften, keine
Zeit für Konzerte und Theaterbesuch. Der Mann ist meist abwesend. Er müht
sich in der Ferne, um der Familie zu verschaffen und zu sichern, was sie gegen¬
wärtig und in der Zukunft nötig hat. Und die Frau unterstützt ihn durch ihr
häusliches Wirken nach Möglichkeit. Sie verknüpft der zahlreichen Kinderschar
gegenüber die mütterliche Sorgfalt mit dem väterlichen Ernst. Wie müde ist sie
aber auch, wenn der Abend kommt, und die Jüngsten, von ihr eigenhändig gebadet
und zu Bett gebracht, die rosigen Gesichtchen lächelnd in die Kissen drücken, während
die Ältern sich anschicken, der Mutter das Abendgebet herzusagen und ihr dann
Gute Nacht zu bieten!

Feuer!

Erstarrt und ratlos steht die sonst so überlegte, so entschlossene Frau. Sie weiß
nicht, welches der Kinder sie zuerst ergreifen soll, denn alle kann sie nicht in die
Arme fassen. Sie preßt verzweifelt die Hände an die brennenden Schläfen, während
die beiden Mägde jammernd und zwecklos in den Zimmern umherlaufen. Da
bringen auch schon fremde Menschen in die Wohnung. Die schreienden Kinder
werden ans den Betten gerissen. Die Frau selbst packt die beiden jüngsten. Wenig
Minuten später sieht sie sich mit den zwei weinenden Kleinen draußen in einem
wirren, lärmenden Menschenhaufen. Sie weiß nicht, wohin sie soll. Sie hat keine
Ahnung davon, wo die übrigen Kinder sind, und ob es auch wirklich gelungen ist,
"lie zu retten.

Stumm sitzt ein alter Mann auf einem halb verkohlten Balken und starrt
"uf den vor ihm dampfenden Schutt- und Trümmerhaufe«. Neben ihm kauert
eben so stumm, das runzlige Gesicht in die dürren Hände gedrückt, eine alte Frau.
Mök ein halbes Jahrhundert haben sie miteinander gelebt, haben jeden Groschen
M Rat gehalten und immer nur ein Ziel vor den Augen gehabt. Die lange Ge¬
duld und Ausdauer war glücklich belohnt. Sie wohnten zuletzt ruhig und zufrieden
wi eignen Häuschen. Sie hatten es da warm, reinlich und bequem. Danach allein
hatten sie sich gesehnt ihr Leben lang.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/55>, abgerufen am 01.09.2024.