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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Herbstbilder von der Roter und der Pnlsnitz

larisierten Kloster Seußlitz? Ich wage nicht so etwas zu glauben, sondern bleibe,
bis etwas andres festgestellt ist, zunächst bei der natürlichen Vorstellung, der
Altar sei eine Stiftung des oben erwähnten Herrn Seiffart von Lüttichcm oder
seiner Söhne, Allerdings habe ich von einem Lüttichauschen Wappen an dem
Altare nichts wahrgenommen.

Ich will die Schradendörfer nicht verlassen, ohne einige leicht skizzierte
Bilder aus der Entwicklung ihrer Wirtschaft und Kultur zu entwerfen. Der
Stoff dazu ist in reicheren Maße vorhanden, als man meinen sollte. Da ist
zunächst der höchst interessante Haushalts- und Wirtschaftsbericht des ehrenfester
und gestrengen Herrn Seiffart von Lnttichau auf Grvßkmehlen vom Jahre 1474.
Damals hatten Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht Rundschreiben an alle
Städte, Amtleute und Vasallen ihrer Länder erlassen mit der Aufforderung,
aufzuschreiben, wie viel Vermögen an Gütern und Leuten vorhanden sei, damit
auf Grund dieser Angaben auf dem Reichstage in Nürnberg ein Anschlag wider
die Türken ausgestellt werden könne. Zugleich aber kann man in diesen Erlassen
auch den ersten Versuch zur Herstellung einer Statistik der wettinischcn Lande
sehen. Erhalten haben sich von den eingegmignen Antworten im sächsischen
Hauptstaatsarchiv etwa dreißig Berichte von Amtleuten und Vasallen und fünf¬
zehn von Städten. Zu den ersten gehört "der rechin zedel" des oben genannten
Ritters. Sein Hausstand umfaßt außer ihm und der Frau Katharina gebornen
von Miltitz eine Tochter und vier Söhne, von denen nur zwei, Seifried und
Heinrich, den Vater überlebten, dcizn zwei Neiterknechte, einen Schreiber,
einen Vogt, einen Stubenhcizer, die zwei oben genannten Grenzwächter, einen
Torwächter, einen Schirrmeister, einen Zimmermann, zwei Ackerknechte und zwei
Treiber, eine Jungfer, eine Schaffnerin, eine Köchin, eine Kindermagd, eine Käse¬
mutter, zwei Viehmägde und einen Kuhhirten, dazu in Kleinkmehlen und in
Blochwitz uoch je zwei Viehmägde und einen Hirten (er hat im ganzen vier-
undsechzig Stück Rindvieh) und außerdem zwei Schäfer (für insgesamt acht¬
hundert Schafe). Er hat also insgesamt dreißig Personen Gesinde, denen jähr¬
lich außer der Verpflegung 72 neue Schock ^ 3024 Mark nach unserm
Geldwerte an Lohn gezahlt werdeu soll, außerdem erhalten die beiden Schäfer
80 Scheffel Getreide. Der Ritter selbst braucht für tägliche Kleider und Schuhe
11 Schock ^462 Mark, seine Fran und seine Tochter 18 Schock ^750 Mark,
die vier Söhne gar 25 Schock ^ 1050 Mark. Er ist aber mit diesem
Garderobeaufwand nicht zufrieden, denn er sagt: "Auch bedürfte ich wohl etliche
hundert Gulden zu Sonntagskleidern, wenn es die Hufen trügen, sie tragen
es aber nicht." Ferner klagt er, daß er wegen zu geringer Einnahme
550 Schock ^ 23100 Mark Schulden habe, für deren Verzinsung er jährlich
34 Schock 1428 Mark aufbringen müsse. Dazu kommen die Ausgaben
für Salz, Würze, Kirschen, Birnen, Äpfel, Honig, Öl, Heringe (210 Mark),
Stockfisch, gedörrte Fische, Gewürznelken, Feigen, Mandeln und Rosinen, für
Harnisch, Sättel, Schwerter, Zäume, Halfter, Hufschlag, Wagen- und Pflug¬
geschirr, für 25 Viertel Bier und für ein halbes, bisweilen auch ein ganzes
Fuder Wein --- man wird nicht zu hoch greifen, wenn man den Jcchresbednrf
des Mannes auf 200 Schock 8400 Mark bares Geld schätzt. Soviel


Herbstbilder von der Roter und der Pnlsnitz

larisierten Kloster Seußlitz? Ich wage nicht so etwas zu glauben, sondern bleibe,
bis etwas andres festgestellt ist, zunächst bei der natürlichen Vorstellung, der
Altar sei eine Stiftung des oben erwähnten Herrn Seiffart von Lüttichcm oder
seiner Söhne, Allerdings habe ich von einem Lüttichauschen Wappen an dem
Altare nichts wahrgenommen.

Ich will die Schradendörfer nicht verlassen, ohne einige leicht skizzierte
Bilder aus der Entwicklung ihrer Wirtschaft und Kultur zu entwerfen. Der
Stoff dazu ist in reicheren Maße vorhanden, als man meinen sollte. Da ist
zunächst der höchst interessante Haushalts- und Wirtschaftsbericht des ehrenfester
und gestrengen Herrn Seiffart von Lnttichau auf Grvßkmehlen vom Jahre 1474.
Damals hatten Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht Rundschreiben an alle
Städte, Amtleute und Vasallen ihrer Länder erlassen mit der Aufforderung,
aufzuschreiben, wie viel Vermögen an Gütern und Leuten vorhanden sei, damit
auf Grund dieser Angaben auf dem Reichstage in Nürnberg ein Anschlag wider
die Türken ausgestellt werden könne. Zugleich aber kann man in diesen Erlassen
auch den ersten Versuch zur Herstellung einer Statistik der wettinischcn Lande
sehen. Erhalten haben sich von den eingegmignen Antworten im sächsischen
Hauptstaatsarchiv etwa dreißig Berichte von Amtleuten und Vasallen und fünf¬
zehn von Städten. Zu den ersten gehört „der rechin zedel" des oben genannten
Ritters. Sein Hausstand umfaßt außer ihm und der Frau Katharina gebornen
von Miltitz eine Tochter und vier Söhne, von denen nur zwei, Seifried und
Heinrich, den Vater überlebten, dcizn zwei Neiterknechte, einen Schreiber,
einen Vogt, einen Stubenhcizer, die zwei oben genannten Grenzwächter, einen
Torwächter, einen Schirrmeister, einen Zimmermann, zwei Ackerknechte und zwei
Treiber, eine Jungfer, eine Schaffnerin, eine Köchin, eine Kindermagd, eine Käse¬
mutter, zwei Viehmägde und einen Kuhhirten, dazu in Kleinkmehlen und in
Blochwitz uoch je zwei Viehmägde und einen Hirten (er hat im ganzen vier-
undsechzig Stück Rindvieh) und außerdem zwei Schäfer (für insgesamt acht¬
hundert Schafe). Er hat also insgesamt dreißig Personen Gesinde, denen jähr¬
lich außer der Verpflegung 72 neue Schock ^ 3024 Mark nach unserm
Geldwerte an Lohn gezahlt werdeu soll, außerdem erhalten die beiden Schäfer
80 Scheffel Getreide. Der Ritter selbst braucht für tägliche Kleider und Schuhe
11 Schock ^462 Mark, seine Fran und seine Tochter 18 Schock ^750 Mark,
die vier Söhne gar 25 Schock ^ 1050 Mark. Er ist aber mit diesem
Garderobeaufwand nicht zufrieden, denn er sagt: „Auch bedürfte ich wohl etliche
hundert Gulden zu Sonntagskleidern, wenn es die Hufen trügen, sie tragen
es aber nicht." Ferner klagt er, daß er wegen zu geringer Einnahme
550 Schock ^ 23100 Mark Schulden habe, für deren Verzinsung er jährlich
34 Schock 1428 Mark aufbringen müsse. Dazu kommen die Ausgaben
für Salz, Würze, Kirschen, Birnen, Äpfel, Honig, Öl, Heringe (210 Mark),
Stockfisch, gedörrte Fische, Gewürznelken, Feigen, Mandeln und Rosinen, für
Harnisch, Sättel, Schwerter, Zäume, Halfter, Hufschlag, Wagen- und Pflug¬
geschirr, für 25 Viertel Bier und für ein halbes, bisweilen auch ein ganzes
Fuder Wein —- man wird nicht zu hoch greifen, wenn man den Jcchresbednrf
des Mannes auf 200 Schock 8400 Mark bares Geld schätzt. Soviel


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/536>, abgerufen am 24.11.2024.