Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Babel und Bibel

bei mir, indem sie die Versicherung hinzufügten, sie stünden jederzeit wieder zu
meinen Diensten und wollten auch mit andern Bekannten in den Nebenstraßen reden,
damit ich dort nicht lange nach Kommissionsgliedern zu suchen brauche.

Ich entließ meine Leute. Die Schornsteinfeger waren mit ihrer Einnahme
höchst zufrieden und baten mich, sie nächstens nur ja wieder mitzunehmen. Der
Wachmeister und der Schutzmann freuten sich ebenfalls, daß der übermütige, grobe
Kaufmann seinen Willen nicht hatte durchsetzen können. Kurz, alle waren bei guter
Laune. Jegorow ging sogar so weit, daß er sich erlaubte, mich zu loben.

Mit Ihnen, Euer Wohlgeboren, ist es eine Lust Dienst zu tun, sagte er mit
der Hand an der Mütze.

(Fortsetzung folgt)




Babel und Bibel
Ein Handschreiben Seiner Majestät Kaiser Wilhelms des Zweiten an das Vorstandsmitglied
der Deutschen Grientgesellschaft, Admiral Hollmann")

Mein lieber Hollmcni"

Mein Telegramm an Sie wird Ihnen die Zweifel behoben haben, welche
Sie bezüglich des Schlußpassus des Vortrages noch gehegt haben. Er ist
vollkommen klar von den Zuhörer" verstanden worden und mußte daher so
bleiben. Es ist mir aber sehr lieb, daß durch Ihre Anfrage diese Materie des
zweiten Vortrags nochmal angeschnitten ward, und ich ergreife gerne diese
Gelegenheit, nach Durchlesen des Abzuges nochmals meine Stellung ganz klar
zu präzisiren.

Während einer Abendgesellschaft bei uns hatte Professor Delitzsch Gelegen¬
heit, mit Ihrer Majestät der Kaiserin und General-Superintendent Dryander
eingehend mehrere Stunden zu konferircn und zu debattiren, wobei ich mich
zuhörend und passiv verhielt. Er verließ dabei leider den Standpunkt des
strengen Historikers und Assyriologen und gerieth in theologisch-religiöse Schlüsse
und Hypothesen hinein, welche doch recht nebelhaft oder gewagt waren. Als
er aber auf das neue Testament kam, wurde es bald klar, daß er bezüglich
der Person unseres Heilandes so ganz abweichende Anschauungen entwickelte, das;
ich ihm darin nicht nur nicht folgen konnte, sondern einen meinem Standpunkte
diametral entgegengesetzten konstatiren mußte. Er erkennt die Gottheit Christi
nicht an, und daher soll als Rückschluß auf das alte Testament dieses keine
Offenbarung auf denselben als Messias enthalte". Hier hört der Assyriologe
und forschende Geschichtsschreiber auf und der Theologe mit allen seinen Licht-
und Schattenseiten setzt ein. Auf diesen: Gebiet kann ich nur dringend ihm
rathen, nur sehr vorsichtig Schritt vor Schritt zu gehen und jedenfalls seine
Thesen nnr in theologischen Schriften nud im Kreise seiner Kollegen zu venti-



Ein Abdruck des obigen in einer Anzahl von Exemplaren vervielfältigten Handschreibens
Seiner Majestät ist uns mit Rücksicht auf die Schlußbemerkung des Briefes von befreundeter
Seite zur Verfügung gestellt worden.
Grenzboten l 1903 KL
Babel und Bibel

bei mir, indem sie die Versicherung hinzufügten, sie stünden jederzeit wieder zu
meinen Diensten und wollten auch mit andern Bekannten in den Nebenstraßen reden,
damit ich dort nicht lange nach Kommissionsgliedern zu suchen brauche.

Ich entließ meine Leute. Die Schornsteinfeger waren mit ihrer Einnahme
höchst zufrieden und baten mich, sie nächstens nur ja wieder mitzunehmen. Der
Wachmeister und der Schutzmann freuten sich ebenfalls, daß der übermütige, grobe
Kaufmann seinen Willen nicht hatte durchsetzen können. Kurz, alle waren bei guter
Laune. Jegorow ging sogar so weit, daß er sich erlaubte, mich zu loben.

Mit Ihnen, Euer Wohlgeboren, ist es eine Lust Dienst zu tun, sagte er mit
der Hand an der Mütze.

(Fortsetzung folgt)




Babel und Bibel
Ein Handschreiben Seiner Majestät Kaiser Wilhelms des Zweiten an das Vorstandsmitglied
der Deutschen Grientgesellschaft, Admiral Hollmann")

Mein lieber Hollmcni»

Mein Telegramm an Sie wird Ihnen die Zweifel behoben haben, welche
Sie bezüglich des Schlußpassus des Vortrages noch gehegt haben. Er ist
vollkommen klar von den Zuhörer» verstanden worden und mußte daher so
bleiben. Es ist mir aber sehr lieb, daß durch Ihre Anfrage diese Materie des
zweiten Vortrags nochmal angeschnitten ward, und ich ergreife gerne diese
Gelegenheit, nach Durchlesen des Abzuges nochmals meine Stellung ganz klar
zu präzisiren.

Während einer Abendgesellschaft bei uns hatte Professor Delitzsch Gelegen¬
heit, mit Ihrer Majestät der Kaiserin und General-Superintendent Dryander
eingehend mehrere Stunden zu konferircn und zu debattiren, wobei ich mich
zuhörend und passiv verhielt. Er verließ dabei leider den Standpunkt des
strengen Historikers und Assyriologen und gerieth in theologisch-religiöse Schlüsse
und Hypothesen hinein, welche doch recht nebelhaft oder gewagt waren. Als
er aber auf das neue Testament kam, wurde es bald klar, daß er bezüglich
der Person unseres Heilandes so ganz abweichende Anschauungen entwickelte, das;
ich ihm darin nicht nur nicht folgen konnte, sondern einen meinem Standpunkte
diametral entgegengesetzten konstatiren mußte. Er erkennt die Gottheit Christi
nicht an, und daher soll als Rückschluß auf das alte Testament dieses keine
Offenbarung auf denselben als Messias enthalte». Hier hört der Assyriologe
und forschende Geschichtsschreiber auf und der Theologe mit allen seinen Licht-
und Schattenseiten setzt ein. Auf diesen: Gebiet kann ich nur dringend ihm
rathen, nur sehr vorsichtig Schritt vor Schritt zu gehen und jedenfalls seine
Thesen nnr in theologischen Schriften nud im Kreise seiner Kollegen zu venti-



Ein Abdruck des obigen in einer Anzahl von Exemplaren vervielfältigten Handschreibens
Seiner Majestät ist uns mit Rücksicht auf die Schlußbemerkung des Briefes von befreundeter
Seite zur Verfügung gestellt worden.
Grenzboten l 1903 KL
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0501" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240057"/>
          <fw type="header" place="top"> Babel und Bibel</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2688" prev="#ID_2687"> bei mir, indem sie die Versicherung hinzufügten, sie stünden jederzeit wieder zu<lb/>
meinen Diensten und wollten auch mit andern Bekannten in den Nebenstraßen reden,<lb/>
damit ich dort nicht lange nach Kommissionsgliedern zu suchen brauche.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2689"> Ich entließ meine Leute. Die Schornsteinfeger waren mit ihrer Einnahme<lb/>
höchst zufrieden und baten mich, sie nächstens nur ja wieder mitzunehmen. Der<lb/>
Wachmeister und der Schutzmann freuten sich ebenfalls, daß der übermütige, grobe<lb/>
Kaufmann seinen Willen nicht hatte durchsetzen können. Kurz, alle waren bei guter<lb/>
Laune.  Jegorow ging sogar so weit, daß er sich erlaubte, mich zu loben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2690"> Mit Ihnen, Euer Wohlgeboren, ist es eine Lust Dienst zu tun, sagte er mit<lb/>
der Hand an der Mütze.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2691"> (Fortsetzung folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Babel und Bibel<lb/>
Ein Handschreiben Seiner Majestät Kaiser Wilhelms des Zweiten an das Vorstandsmitglied<lb/>
der Deutschen Grientgesellschaft, Admiral Hollmann")</head><lb/>
          <note type="salute"> Mein lieber Hollmcni»</note><lb/>
          <p xml:id="ID_2692"> Mein Telegramm an Sie wird Ihnen die Zweifel behoben haben, welche<lb/>
Sie bezüglich des Schlußpassus des Vortrages noch gehegt haben. Er ist<lb/>
vollkommen klar von den Zuhörer» verstanden worden und mußte daher so<lb/>
bleiben. Es ist mir aber sehr lieb, daß durch Ihre Anfrage diese Materie des<lb/>
zweiten Vortrags nochmal angeschnitten ward, und ich ergreife gerne diese<lb/>
Gelegenheit, nach Durchlesen des Abzuges nochmals meine Stellung ganz klar<lb/>
zu präzisiren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2693" next="#ID_2694"> Während einer Abendgesellschaft bei uns hatte Professor Delitzsch Gelegen¬<lb/>
heit, mit Ihrer Majestät der Kaiserin und General-Superintendent Dryander<lb/>
eingehend mehrere Stunden zu konferircn und zu debattiren, wobei ich mich<lb/>
zuhörend und passiv verhielt. Er verließ dabei leider den Standpunkt des<lb/>
strengen Historikers und Assyriologen und gerieth in theologisch-religiöse Schlüsse<lb/>
und Hypothesen hinein, welche doch recht nebelhaft oder gewagt waren. Als<lb/>
er aber auf das neue Testament kam, wurde es bald klar, daß er bezüglich<lb/>
der Person unseres Heilandes so ganz abweichende Anschauungen entwickelte, das;<lb/>
ich ihm darin nicht nur nicht folgen konnte, sondern einen meinem Standpunkte<lb/>
diametral entgegengesetzten konstatiren mußte. Er erkennt die Gottheit Christi<lb/>
nicht an, und daher soll als Rückschluß auf das alte Testament dieses keine<lb/>
Offenbarung auf denselben als Messias enthalte». Hier hört der Assyriologe<lb/>
und forschende Geschichtsschreiber auf und der Theologe mit allen seinen Licht-<lb/>
und Schattenseiten setzt ein. Auf diesen: Gebiet kann ich nur dringend ihm<lb/>
rathen, nur sehr vorsichtig Schritt vor Schritt zu gehen und jedenfalls seine<lb/>
Thesen nnr in theologischen Schriften nud im Kreise seiner Kollegen zu venti-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_28" place="foot"> Ein Abdruck des obigen in einer Anzahl von Exemplaren vervielfältigten Handschreibens<lb/>
Seiner Majestät ist uns mit Rücksicht auf die Schlußbemerkung des Briefes von befreundeter<lb/>
Seite zur Verfügung gestellt worden.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten l 1903 KL</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0501] Babel und Bibel bei mir, indem sie die Versicherung hinzufügten, sie stünden jederzeit wieder zu meinen Diensten und wollten auch mit andern Bekannten in den Nebenstraßen reden, damit ich dort nicht lange nach Kommissionsgliedern zu suchen brauche. Ich entließ meine Leute. Die Schornsteinfeger waren mit ihrer Einnahme höchst zufrieden und baten mich, sie nächstens nur ja wieder mitzunehmen. Der Wachmeister und der Schutzmann freuten sich ebenfalls, daß der übermütige, grobe Kaufmann seinen Willen nicht hatte durchsetzen können. Kurz, alle waren bei guter Laune. Jegorow ging sogar so weit, daß er sich erlaubte, mich zu loben. Mit Ihnen, Euer Wohlgeboren, ist es eine Lust Dienst zu tun, sagte er mit der Hand an der Mütze. (Fortsetzung folgt) Babel und Bibel Ein Handschreiben Seiner Majestät Kaiser Wilhelms des Zweiten an das Vorstandsmitglied der Deutschen Grientgesellschaft, Admiral Hollmann") Mein lieber Hollmcni» Mein Telegramm an Sie wird Ihnen die Zweifel behoben haben, welche Sie bezüglich des Schlußpassus des Vortrages noch gehegt haben. Er ist vollkommen klar von den Zuhörer» verstanden worden und mußte daher so bleiben. Es ist mir aber sehr lieb, daß durch Ihre Anfrage diese Materie des zweiten Vortrags nochmal angeschnitten ward, und ich ergreife gerne diese Gelegenheit, nach Durchlesen des Abzuges nochmals meine Stellung ganz klar zu präzisiren. Während einer Abendgesellschaft bei uns hatte Professor Delitzsch Gelegen¬ heit, mit Ihrer Majestät der Kaiserin und General-Superintendent Dryander eingehend mehrere Stunden zu konferircn und zu debattiren, wobei ich mich zuhörend und passiv verhielt. Er verließ dabei leider den Standpunkt des strengen Historikers und Assyriologen und gerieth in theologisch-religiöse Schlüsse und Hypothesen hinein, welche doch recht nebelhaft oder gewagt waren. Als er aber auf das neue Testament kam, wurde es bald klar, daß er bezüglich der Person unseres Heilandes so ganz abweichende Anschauungen entwickelte, das; ich ihm darin nicht nur nicht folgen konnte, sondern einen meinem Standpunkte diametral entgegengesetzten konstatiren mußte. Er erkennt die Gottheit Christi nicht an, und daher soll als Rückschluß auf das alte Testament dieses keine Offenbarung auf denselben als Messias enthalte». Hier hört der Assyriologe und forschende Geschichtsschreiber auf und der Theologe mit allen seinen Licht- und Schattenseiten setzt ein. Auf diesen: Gebiet kann ich nur dringend ihm rathen, nur sehr vorsichtig Schritt vor Schritt zu gehen und jedenfalls seine Thesen nnr in theologischen Schriften nud im Kreise seiner Kollegen zu venti- Ein Abdruck des obigen in einer Anzahl von Exemplaren vervielfältigten Handschreibens Seiner Majestät ist uns mit Rücksicht auf die Schlußbemerkung des Briefes von befreundeter Seite zur Verfügung gestellt worden. Grenzboten l 1903 KL

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/501
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/501>, abgerufen am 24.11.2024.