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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Die Ausbildung der höhern verwaltungsbeamteu in Preußen und andres

stände ist, einem jungen Referendar, der von Verwaltung nichts kennt, die
nötige Anleitung zu geben.

Daß die jetzige Ausbildung wenig günstige Erfolge gezeitigt hat, liegt
nach meinen Erfahrungen hauptsächlich, wenn nicht sogar ausschließlich daran,
daß sich der Referendar jetzt in der Regel vollkommen selbst überlassen bleibt.
Hier muß Wandel eintreten. Ob es dazu nötig ist, besondre Kurse mit Uni¬
versitätslehrern einzurichten, lasse ich dahingestellt sein. Wahrscheinlich würde
es genügen, wenn man bei jeder Behörde einen geeigneten Dezernenten be¬
stellte, der die Ausbildung zu überwachen hätte und dafür verantwortlich wäre,
daß die ihm zugewiesenen Referendare nicht nur auf den einzelnen, ihnen gerade
vorliegenden praktischen Fall hinarbeiteten, sondern im Anschluß an diese prak¬
tischen Arbeiten das ganze für einen praktischen Verwaltungsbeamten wichtige
Wissensgebiet systematisch und möglichst lückenlos durchnühmen. Dieses Ver
fahren würde anderseits den Vorteil haben, daß auch kleinern, abseits liegenden
Regierungen Referendare überwiesen werden könnten; solche kleine Behörden
sind nach meinen Erfahrungen viel geeigneter zur Ausbildung der Referendare
als große mit ihrer Zersplitterung der Dezernate.

Dringend verbesserungsbedürftig ist dagegen die große Staatsprüfung.
Zunächst muß der Prüfungsstoff verringert werden. Leider unterläßt das der
Entwurf. Die Prüfung soll sich nach ihm auch in Zukunft erstrecken "auf
das in Preußen geltende öffentliche und Privatrecht, insbesondre Verfassungs¬
und Verwaltungsrecht, sowie auf die Volkswirtschafts- und Verwaltungspolitik."
Wie man sieht, ist es also ein ungeheures Gebiet, über das die Referendare
Rechenschaft ablegen sollen. Und so besteht die Gefahr, daß die Prüfung
entweder zur Tragödie oder zur Komödie wird. Der Prüfungsstoff muß ent¬
schieden beschnitten werden. Am nächsten liegt es, wie ich schon früher aus¬
geführt habe, das Privatrecht in dieser Prüfung ganz wegzulassen und dafür
eine Zwischenprüfung über diesen Gegenstand nach Abschluß der praktischen
Beschäftigung bei den Justizbehörden einzuführen. Die zweite schriftliche Arbeit,
die jetzt eine theoretische Aufgabe betrifft, würde besser eine Relation über
eine Verwaltungsstreitsache sein; wenn die Akten richtig ausgewählt werden, kann
eine solche Relation beanem in drei bis vier Wochen angefertigt werden. Diese
Änderung würde also eine wünschenswerte Abkürzung der Prüfung bedeuten.

Zu der wichtigen Frage der Zusammensetzung der Prüfungskommission
mochte ich >zur den Wunsch aussprechen, daß mehr Verwaltungsbeamte in sie
berufen würden. Jetzt sind unter den nenn Mitgliedern der Kommission nur
zwei Regierungsassessoreu, die als ehemalige Landrüte zugleich die einzigen
Mitglieder der Kommission sind, die als praktische Verwaltungsbeamte tätig
waren! Daneben müßte man dem akademischen Element einen größern Ein¬
fluß einräumen. Auf die vielen Mängel der Art und Weise des Fragens in
der mündlichen Prüfung endlich noch einzugehn, kann ich mir ersparen, da
nach den Erklärungen eines Negierungsvertretcrs bei der Verhandlung über
den Gesetzentwurf im Abgeordnetenhause bestimmt angenommen werden kann,
daß hier Wandel geschafft werden wird.

Mit dem Bestehn der großen Staatsprüfung ist die Ausbildung des


Die Ausbildung der höhern verwaltungsbeamteu in Preußen und andres

stände ist, einem jungen Referendar, der von Verwaltung nichts kennt, die
nötige Anleitung zu geben.

Daß die jetzige Ausbildung wenig günstige Erfolge gezeitigt hat, liegt
nach meinen Erfahrungen hauptsächlich, wenn nicht sogar ausschließlich daran,
daß sich der Referendar jetzt in der Regel vollkommen selbst überlassen bleibt.
Hier muß Wandel eintreten. Ob es dazu nötig ist, besondre Kurse mit Uni¬
versitätslehrern einzurichten, lasse ich dahingestellt sein. Wahrscheinlich würde
es genügen, wenn man bei jeder Behörde einen geeigneten Dezernenten be¬
stellte, der die Ausbildung zu überwachen hätte und dafür verantwortlich wäre,
daß die ihm zugewiesenen Referendare nicht nur auf den einzelnen, ihnen gerade
vorliegenden praktischen Fall hinarbeiteten, sondern im Anschluß an diese prak¬
tischen Arbeiten das ganze für einen praktischen Verwaltungsbeamten wichtige
Wissensgebiet systematisch und möglichst lückenlos durchnühmen. Dieses Ver
fahren würde anderseits den Vorteil haben, daß auch kleinern, abseits liegenden
Regierungen Referendare überwiesen werden könnten; solche kleine Behörden
sind nach meinen Erfahrungen viel geeigneter zur Ausbildung der Referendare
als große mit ihrer Zersplitterung der Dezernate.

Dringend verbesserungsbedürftig ist dagegen die große Staatsprüfung.
Zunächst muß der Prüfungsstoff verringert werden. Leider unterläßt das der
Entwurf. Die Prüfung soll sich nach ihm auch in Zukunft erstrecken „auf
das in Preußen geltende öffentliche und Privatrecht, insbesondre Verfassungs¬
und Verwaltungsrecht, sowie auf die Volkswirtschafts- und Verwaltungspolitik."
Wie man sieht, ist es also ein ungeheures Gebiet, über das die Referendare
Rechenschaft ablegen sollen. Und so besteht die Gefahr, daß die Prüfung
entweder zur Tragödie oder zur Komödie wird. Der Prüfungsstoff muß ent¬
schieden beschnitten werden. Am nächsten liegt es, wie ich schon früher aus¬
geführt habe, das Privatrecht in dieser Prüfung ganz wegzulassen und dafür
eine Zwischenprüfung über diesen Gegenstand nach Abschluß der praktischen
Beschäftigung bei den Justizbehörden einzuführen. Die zweite schriftliche Arbeit,
die jetzt eine theoretische Aufgabe betrifft, würde besser eine Relation über
eine Verwaltungsstreitsache sein; wenn die Akten richtig ausgewählt werden, kann
eine solche Relation beanem in drei bis vier Wochen angefertigt werden. Diese
Änderung würde also eine wünschenswerte Abkürzung der Prüfung bedeuten.

Zu der wichtigen Frage der Zusammensetzung der Prüfungskommission
mochte ich >zur den Wunsch aussprechen, daß mehr Verwaltungsbeamte in sie
berufen würden. Jetzt sind unter den nenn Mitgliedern der Kommission nur
zwei Regierungsassessoreu, die als ehemalige Landrüte zugleich die einzigen
Mitglieder der Kommission sind, die als praktische Verwaltungsbeamte tätig
waren! Daneben müßte man dem akademischen Element einen größern Ein¬
fluß einräumen. Auf die vielen Mängel der Art und Weise des Fragens in
der mündlichen Prüfung endlich noch einzugehn, kann ich mir ersparen, da
nach den Erklärungen eines Negierungsvertretcrs bei der Verhandlung über
den Gesetzentwurf im Abgeordnetenhause bestimmt angenommen werden kann,
daß hier Wandel geschafft werden wird.

Mit dem Bestehn der großen Staatsprüfung ist die Ausbildung des


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[0273] Die Ausbildung der höhern verwaltungsbeamteu in Preußen und andres stände ist, einem jungen Referendar, der von Verwaltung nichts kennt, die nötige Anleitung zu geben. Daß die jetzige Ausbildung wenig günstige Erfolge gezeitigt hat, liegt nach meinen Erfahrungen hauptsächlich, wenn nicht sogar ausschließlich daran, daß sich der Referendar jetzt in der Regel vollkommen selbst überlassen bleibt. Hier muß Wandel eintreten. Ob es dazu nötig ist, besondre Kurse mit Uni¬ versitätslehrern einzurichten, lasse ich dahingestellt sein. Wahrscheinlich würde es genügen, wenn man bei jeder Behörde einen geeigneten Dezernenten be¬ stellte, der die Ausbildung zu überwachen hätte und dafür verantwortlich wäre, daß die ihm zugewiesenen Referendare nicht nur auf den einzelnen, ihnen gerade vorliegenden praktischen Fall hinarbeiteten, sondern im Anschluß an diese prak¬ tischen Arbeiten das ganze für einen praktischen Verwaltungsbeamten wichtige Wissensgebiet systematisch und möglichst lückenlos durchnühmen. Dieses Ver fahren würde anderseits den Vorteil haben, daß auch kleinern, abseits liegenden Regierungen Referendare überwiesen werden könnten; solche kleine Behörden sind nach meinen Erfahrungen viel geeigneter zur Ausbildung der Referendare als große mit ihrer Zersplitterung der Dezernate. Dringend verbesserungsbedürftig ist dagegen die große Staatsprüfung. Zunächst muß der Prüfungsstoff verringert werden. Leider unterläßt das der Entwurf. Die Prüfung soll sich nach ihm auch in Zukunft erstrecken „auf das in Preußen geltende öffentliche und Privatrecht, insbesondre Verfassungs¬ und Verwaltungsrecht, sowie auf die Volkswirtschafts- und Verwaltungspolitik." Wie man sieht, ist es also ein ungeheures Gebiet, über das die Referendare Rechenschaft ablegen sollen. Und so besteht die Gefahr, daß die Prüfung entweder zur Tragödie oder zur Komödie wird. Der Prüfungsstoff muß ent¬ schieden beschnitten werden. Am nächsten liegt es, wie ich schon früher aus¬ geführt habe, das Privatrecht in dieser Prüfung ganz wegzulassen und dafür eine Zwischenprüfung über diesen Gegenstand nach Abschluß der praktischen Beschäftigung bei den Justizbehörden einzuführen. Die zweite schriftliche Arbeit, die jetzt eine theoretische Aufgabe betrifft, würde besser eine Relation über eine Verwaltungsstreitsache sein; wenn die Akten richtig ausgewählt werden, kann eine solche Relation beanem in drei bis vier Wochen angefertigt werden. Diese Änderung würde also eine wünschenswerte Abkürzung der Prüfung bedeuten. Zu der wichtigen Frage der Zusammensetzung der Prüfungskommission mochte ich >zur den Wunsch aussprechen, daß mehr Verwaltungsbeamte in sie berufen würden. Jetzt sind unter den nenn Mitgliedern der Kommission nur zwei Regierungsassessoreu, die als ehemalige Landrüte zugleich die einzigen Mitglieder der Kommission sind, die als praktische Verwaltungsbeamte tätig waren! Daneben müßte man dem akademischen Element einen größern Ein¬ fluß einräumen. Auf die vielen Mängel der Art und Weise des Fragens in der mündlichen Prüfung endlich noch einzugehn, kann ich mir ersparen, da nach den Erklärungen eines Negierungsvertretcrs bei der Verhandlung über den Gesetzentwurf im Abgeordnetenhause bestimmt angenommen werden kann, daß hier Wandel geschafft werden wird. Mit dem Bestehn der großen Staatsprüfung ist die Ausbildung des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/273>, abgerufen am 24.11.2024.