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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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ganz eigentümlich zu Mut, und ein Blick in ihr von der Lampe auf dem Tische
hell beschienenes Gesicht mit den blendend weißen Zähnchen, die wie Perlen zwischen
den etwas geöffneten frischen Lippen hervorglänzten, mit den Mutwillen verratenden
Angen und dem von der Mütze in die reizendste Unordnung gebrachten Löckchen-
busche über der Stirn raubte mir fast vollständig die Fassung. Ich war deshalb
ziemlich einsilbig, als ich ihr gegenüber am Tische saß, während die Mutter die
schon erkaltete Teemaschine hinaustrug, um frische Kohlen nachzulegen. Es gelang
mir nicht, mich soweit zu sammeln, daß ich eine fließende Unterhaltung in Gang
gebracht hätte. Erst als die Mutter mit der summenden Maschine zurückkehrte, als
ich ein Glas des heißen Getränks vor mir hatte und aufgefordert wurde, mir eine
Pcipiros anzuzünden, damit auch sie sich nicht zu genieren brauchten, dasselbe zu
tun, als die Mutter den Rauch von sich blies, und auch die Tochter schelmisch
lächelnd kleine Ringe aus dem Munde aufsteigen ließ, wobei sie wieder die schönen
Zähne zeigte -- erst da fand ich mich zurecht, und wir gerieten in heiteres Ge-
plauder.

Beide sprachen offen und gerade. Sie hatten, wie es schien, keine Geheimnisse.
Das Gespräch kam bald aus die Wirtin. Sie malten teils lachend teils ärgerlich
aus, was sie von der aufdringlichen, boshaften Person zu leiden hätten. Ich lachte
und ärgerte mich mit. Warum sie nicht auszogen, fragte ich. Das sei leichter ge¬
sagt als getan, meinten sie. Zwei so reinliche und bequeme Zimmer ließen sich
schwer zu einem so billigen Preise wieder finden. Mehr zahlen könnten sie aber
nicht, denn ihre Mittel seien gar zu beschränkt. Sie hätten nichts als die geringe
Pension und die Kleinigkeit, die die Tochter mit verschiednen Handarbeiten verdiene.
Sie hielten darum auch keine Magd. Die Mutter besorge eigenhändig und mit
Vergnügen die kleine Wirtschaft, und die Tochter nähe für einige Magazine und
auch für Privatbestelluug. Ich deutete mein Bedauern an, daß ein junges Fräulein
sich mit der Sklaverei solcher Arbeiten abgeben müsse. Mahada lachte, verneigte sich
übermütig und empfahl sich mir für den Fall, daß ich mir Tücher mit Arabesken
und Monogrammen bestellen wolle. Die Mutter aber erklärte, daß von Sklaverei
doch nicht die Rede sein könne, da Mahada eben nur soviel Bestellungen übernehme,
wie sie mit Bequemlichkeit und ohne Anstrengung bewältigen könne. Das trage
jedoch soviel ein, daß Mahada ihre Garderobe vollständig damit bestreite.

O, meine Mahada ist ein tüchtiger, prächtiger Kerl! sagte die Mutter stolz.

Eben war die Unterhaltung wieder auf die Wirtin gekommen. Mahada hatte
ein Geschichtchen zum besten gegeben, wobei sie treffend die Schtschepin nachahmte.
Wir lachten von Herzen. Da ging die Außentür. Jemand tastete mit den Händen
an der Zimmertür umher, öffnete diese, und herein trat -- Wera Schtschepin in
eigner Person.

Hundertmal habe ich Ihnen gesagt, Mahada, begann sie ohne jegliche Ein¬
leitung, indem sie bis zum Tische vorrückte und das große Tuch, in das sie sich
gehüllt holte, vom Kopfe auf die Schultern sinken ließ, daß Sie nicht das richtige
Benehmen haben. Ich bin ein adliches Fräulein und kann das beurteilen. Sie
sind auch ein Fräulein, und Sie müßten stets so tun und auftreten, wie es einem
Fräulein ziemt; aber Sie haben nicht die rechte Art, Ihnen fehlt der feine Takt.
Ihre Mutter sieht uicht genug uach Ihnen. Ja, Sie sehen zu wenig nach ihr
-- sie wandte sich zur Mutter, streckte den Arm vor und bewegte die gespreizte
Hand Schweigen gebietend hin und her --, viel zu wenig. Sie sehen so gut wie
gar nicht nach ihr. Reden Sie nichts, gar nichts. Es ist, wie ich sage. Ich
kann das beurteilen, denn meine Erziehung befähigt mich dazu. Und ich bin nicht
egoistisch. Ich erteile Ihrer Mahada gute Lehren. Aber hört sie darauf? Nimmt
sie sich ein Beispiel an mir? Gott bewahre! Und Sie sehen das an und sagen
nichts dazu. Sie macheu mit ihr noch gemeinschaftliche Sache. Es brennt draußen
^ sie sah mich an, als ob sie mir erzähle --, und ich armes, verlassenes Ge¬
schöpf erfahre nichts davon. Meine Magd meldet es mir nicht, denn meine Mngd


ganz eigentümlich zu Mut, und ein Blick in ihr von der Lampe auf dem Tische
hell beschienenes Gesicht mit den blendend weißen Zähnchen, die wie Perlen zwischen
den etwas geöffneten frischen Lippen hervorglänzten, mit den Mutwillen verratenden
Angen und dem von der Mütze in die reizendste Unordnung gebrachten Löckchen-
busche über der Stirn raubte mir fast vollständig die Fassung. Ich war deshalb
ziemlich einsilbig, als ich ihr gegenüber am Tische saß, während die Mutter die
schon erkaltete Teemaschine hinaustrug, um frische Kohlen nachzulegen. Es gelang
mir nicht, mich soweit zu sammeln, daß ich eine fließende Unterhaltung in Gang
gebracht hätte. Erst als die Mutter mit der summenden Maschine zurückkehrte, als
ich ein Glas des heißen Getränks vor mir hatte und aufgefordert wurde, mir eine
Pcipiros anzuzünden, damit auch sie sich nicht zu genieren brauchten, dasselbe zu
tun, als die Mutter den Rauch von sich blies, und auch die Tochter schelmisch
lächelnd kleine Ringe aus dem Munde aufsteigen ließ, wobei sie wieder die schönen
Zähne zeigte — erst da fand ich mich zurecht, und wir gerieten in heiteres Ge-
plauder.

Beide sprachen offen und gerade. Sie hatten, wie es schien, keine Geheimnisse.
Das Gespräch kam bald aus die Wirtin. Sie malten teils lachend teils ärgerlich
aus, was sie von der aufdringlichen, boshaften Person zu leiden hätten. Ich lachte
und ärgerte mich mit. Warum sie nicht auszogen, fragte ich. Das sei leichter ge¬
sagt als getan, meinten sie. Zwei so reinliche und bequeme Zimmer ließen sich
schwer zu einem so billigen Preise wieder finden. Mehr zahlen könnten sie aber
nicht, denn ihre Mittel seien gar zu beschränkt. Sie hätten nichts als die geringe
Pension und die Kleinigkeit, die die Tochter mit verschiednen Handarbeiten verdiene.
Sie hielten darum auch keine Magd. Die Mutter besorge eigenhändig und mit
Vergnügen die kleine Wirtschaft, und die Tochter nähe für einige Magazine und
auch für Privatbestelluug. Ich deutete mein Bedauern an, daß ein junges Fräulein
sich mit der Sklaverei solcher Arbeiten abgeben müsse. Mahada lachte, verneigte sich
übermütig und empfahl sich mir für den Fall, daß ich mir Tücher mit Arabesken
und Monogrammen bestellen wolle. Die Mutter aber erklärte, daß von Sklaverei
doch nicht die Rede sein könne, da Mahada eben nur soviel Bestellungen übernehme,
wie sie mit Bequemlichkeit und ohne Anstrengung bewältigen könne. Das trage
jedoch soviel ein, daß Mahada ihre Garderobe vollständig damit bestreite.

O, meine Mahada ist ein tüchtiger, prächtiger Kerl! sagte die Mutter stolz.

Eben war die Unterhaltung wieder auf die Wirtin gekommen. Mahada hatte
ein Geschichtchen zum besten gegeben, wobei sie treffend die Schtschepin nachahmte.
Wir lachten von Herzen. Da ging die Außentür. Jemand tastete mit den Händen
an der Zimmertür umher, öffnete diese, und herein trat — Wera Schtschepin in
eigner Person.

Hundertmal habe ich Ihnen gesagt, Mahada, begann sie ohne jegliche Ein¬
leitung, indem sie bis zum Tische vorrückte und das große Tuch, in das sie sich
gehüllt holte, vom Kopfe auf die Schultern sinken ließ, daß Sie nicht das richtige
Benehmen haben. Ich bin ein adliches Fräulein und kann das beurteilen. Sie
sind auch ein Fräulein, und Sie müßten stets so tun und auftreten, wie es einem
Fräulein ziemt; aber Sie haben nicht die rechte Art, Ihnen fehlt der feine Takt.
Ihre Mutter sieht uicht genug uach Ihnen. Ja, Sie sehen zu wenig nach ihr
— sie wandte sich zur Mutter, streckte den Arm vor und bewegte die gespreizte
Hand Schweigen gebietend hin und her —, viel zu wenig. Sie sehen so gut wie
gar nicht nach ihr. Reden Sie nichts, gar nichts. Es ist, wie ich sage. Ich
kann das beurteilen, denn meine Erziehung befähigt mich dazu. Und ich bin nicht
egoistisch. Ich erteile Ihrer Mahada gute Lehren. Aber hört sie darauf? Nimmt
sie sich ein Beispiel an mir? Gott bewahre! Und Sie sehen das an und sagen
nichts dazu. Sie macheu mit ihr noch gemeinschaftliche Sache. Es brennt draußen
^ sie sah mich an, als ob sie mir erzähle —, und ich armes, verlassenes Ge¬
schöpf erfahre nichts davon. Meine Magd meldet es mir nicht, denn meine Mngd


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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/242>, abgerufen am 01.09.2024.