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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Marokko

und zu eine richtige Seefahrt zu machen, als sein Geld immer nur an den
italienischen Seen oder an der Riviera auszugeben, wo ihm der Wettkampf der
Völker gar nicht zur Anschauung kommt. Aber da schon die zahlreichen End¬
linien Woermanns die Knnareu und Madeira bedienen, so muß man fürchten,
daß die erwähnte Rundfahrt von Hamburg aus nicht so bald ins Leben treten
wird. Vielleicht nimmt Bremen diesen Gedanken auf, wenn der Mittelland¬
kanal gebaut worden ist.

Die französische Firma N. Paquet >K Komp. sendet von Marseille monat¬
lich drei Dampfer nach der Küste von Marokko. Das sind Schiffe von ungefähr
800 Ranmtonnen; es sind alte Kasten, die aber, da sie gewiß ganz abgeschrieben
sind, günstig arbeiten mögen. Auch Le Havre sendet neuerdings einen kleinen
Dampfer, der monatlich verkehrt. Spanien unterhält einige kleinere Linien nu
der Küste. Abgesehen von Getrcidefrachten, die sie nach Spanien bringen, ist
ihr Verkehr nicht bedeutend. Die ungarische Gesellschaft Adria hat vor einem
Jahre eine Linie nach Marokko eröffnet, die aller zwanzig Tage verkehrt. Die
Dampfer sind neu und schön eingerichtet. Diese Gesellschaft läßt aber neuer¬
dings ihre Dampfer nur bis Tanger laufen, was soviel heißt wie den Ver¬
kehr aufgeben.

Leider wird es noch einige Zeit dauern, bis mau dem marokkanischen
Volke mit Eisenbahnen wird kommen können; auch die kleine Versuchsstrecke
Fes-Metres, die man neulich anfangen wollte, scheint an dem Widerstande
der Kabylen zu scheitern. Eine Eisenbahn würde gewiß billiger befördern als
die Kameltreiber, die hundert Kilogramm hundert Kilometer weit für drei
Peseten befördern, aber eine Bahn rann nur uach wirtschaftlichen Reformen
genügend Ladung finden. Dazu kommt, daß auf dem Gebiete der Eisenbahn
Projekte Eifersucht zwischen England und Frankreich herrscht. England möchte
die Hauptstädte des Laudes mit der Küste verbinden, während Frankreich sie
an das algerische Netz anschließen mochte, besonders durch die Linie Oran-
Udschda-Fes. Vorläufig erscheint alles das unwahrscheinlich. Drei Telegraphen¬
kabel, ein englisches, ein französisches und ein spanisches, reichen bis Tanger,
darüber hinaus gehn die Telegramme zu Wasser und zu Lande.


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Deutschland und Marokko

Eine Abhandlung über Marokko kann bei uns nur halbes Interesse bean¬
spruchen, wenn sie sich nur auf die Darstellung des Landes beschränkt und
sich nicht damit beschäftigt, was dieses Land in Zukunft für Deutschland be¬
deuten kann. Hier lauten die Fragen: Was ist uns Deutschen Marokko?
Welcher Vorteil winkt uns dort? Ist es der Mühe wert, und ist es möglich,
uns diesen Vorteil zu sichern?

Wenn man ein außerdeutsches Land auf seine Bedeutung für Deutschland
hin untersucht, so ist die erste Frage immer die, ob sich das Land als deutsches
Pflanzland eignet, ob man es mit deutschen Bauern besiedeln kann. Diese
Frage muß mau für Marokko mit ziemlicher Bestimmtheit verneinen. Nicht
aus klimatischen Gründen, denn das marokkanische Klima ist gesund und fast


Marokko

und zu eine richtige Seefahrt zu machen, als sein Geld immer nur an den
italienischen Seen oder an der Riviera auszugeben, wo ihm der Wettkampf der
Völker gar nicht zur Anschauung kommt. Aber da schon die zahlreichen End¬
linien Woermanns die Knnareu und Madeira bedienen, so muß man fürchten,
daß die erwähnte Rundfahrt von Hamburg aus nicht so bald ins Leben treten
wird. Vielleicht nimmt Bremen diesen Gedanken auf, wenn der Mittelland¬
kanal gebaut worden ist.

Die französische Firma N. Paquet >K Komp. sendet von Marseille monat¬
lich drei Dampfer nach der Küste von Marokko. Das sind Schiffe von ungefähr
800 Ranmtonnen; es sind alte Kasten, die aber, da sie gewiß ganz abgeschrieben
sind, günstig arbeiten mögen. Auch Le Havre sendet neuerdings einen kleinen
Dampfer, der monatlich verkehrt. Spanien unterhält einige kleinere Linien nu
der Küste. Abgesehen von Getrcidefrachten, die sie nach Spanien bringen, ist
ihr Verkehr nicht bedeutend. Die ungarische Gesellschaft Adria hat vor einem
Jahre eine Linie nach Marokko eröffnet, die aller zwanzig Tage verkehrt. Die
Dampfer sind neu und schön eingerichtet. Diese Gesellschaft läßt aber neuer¬
dings ihre Dampfer nur bis Tanger laufen, was soviel heißt wie den Ver¬
kehr aufgeben.

Leider wird es noch einige Zeit dauern, bis mau dem marokkanischen
Volke mit Eisenbahnen wird kommen können; auch die kleine Versuchsstrecke
Fes-Metres, die man neulich anfangen wollte, scheint an dem Widerstande
der Kabylen zu scheitern. Eine Eisenbahn würde gewiß billiger befördern als
die Kameltreiber, die hundert Kilogramm hundert Kilometer weit für drei
Peseten befördern, aber eine Bahn rann nur uach wirtschaftlichen Reformen
genügend Ladung finden. Dazu kommt, daß auf dem Gebiete der Eisenbahn
Projekte Eifersucht zwischen England und Frankreich herrscht. England möchte
die Hauptstädte des Laudes mit der Küste verbinden, während Frankreich sie
an das algerische Netz anschließen mochte, besonders durch die Linie Oran-
Udschda-Fes. Vorläufig erscheint alles das unwahrscheinlich. Drei Telegraphen¬
kabel, ein englisches, ein französisches und ein spanisches, reichen bis Tanger,
darüber hinaus gehn die Telegramme zu Wasser und zu Lande.


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Deutschland und Marokko

Eine Abhandlung über Marokko kann bei uns nur halbes Interesse bean¬
spruchen, wenn sie sich nur auf die Darstellung des Landes beschränkt und
sich nicht damit beschäftigt, was dieses Land in Zukunft für Deutschland be¬
deuten kann. Hier lauten die Fragen: Was ist uns Deutschen Marokko?
Welcher Vorteil winkt uns dort? Ist es der Mühe wert, und ist es möglich,
uns diesen Vorteil zu sichern?

Wenn man ein außerdeutsches Land auf seine Bedeutung für Deutschland
hin untersucht, so ist die erste Frage immer die, ob sich das Land als deutsches
Pflanzland eignet, ob man es mit deutschen Bauern besiedeln kann. Diese
Frage muß mau für Marokko mit ziemlicher Bestimmtheit verneinen. Nicht
aus klimatischen Gründen, denn das marokkanische Klima ist gesund und fast


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[0210] Marokko und zu eine richtige Seefahrt zu machen, als sein Geld immer nur an den italienischen Seen oder an der Riviera auszugeben, wo ihm der Wettkampf der Völker gar nicht zur Anschauung kommt. Aber da schon die zahlreichen End¬ linien Woermanns die Knnareu und Madeira bedienen, so muß man fürchten, daß die erwähnte Rundfahrt von Hamburg aus nicht so bald ins Leben treten wird. Vielleicht nimmt Bremen diesen Gedanken auf, wenn der Mittelland¬ kanal gebaut worden ist. Die französische Firma N. Paquet >K Komp. sendet von Marseille monat¬ lich drei Dampfer nach der Küste von Marokko. Das sind Schiffe von ungefähr 800 Ranmtonnen; es sind alte Kasten, die aber, da sie gewiß ganz abgeschrieben sind, günstig arbeiten mögen. Auch Le Havre sendet neuerdings einen kleinen Dampfer, der monatlich verkehrt. Spanien unterhält einige kleinere Linien nu der Küste. Abgesehen von Getrcidefrachten, die sie nach Spanien bringen, ist ihr Verkehr nicht bedeutend. Die ungarische Gesellschaft Adria hat vor einem Jahre eine Linie nach Marokko eröffnet, die aller zwanzig Tage verkehrt. Die Dampfer sind neu und schön eingerichtet. Diese Gesellschaft läßt aber neuer¬ dings ihre Dampfer nur bis Tanger laufen, was soviel heißt wie den Ver¬ kehr aufgeben. Leider wird es noch einige Zeit dauern, bis mau dem marokkanischen Volke mit Eisenbahnen wird kommen können; auch die kleine Versuchsstrecke Fes-Metres, die man neulich anfangen wollte, scheint an dem Widerstande der Kabylen zu scheitern. Eine Eisenbahn würde gewiß billiger befördern als die Kameltreiber, die hundert Kilogramm hundert Kilometer weit für drei Peseten befördern, aber eine Bahn rann nur uach wirtschaftlichen Reformen genügend Ladung finden. Dazu kommt, daß auf dem Gebiete der Eisenbahn Projekte Eifersucht zwischen England und Frankreich herrscht. England möchte die Hauptstädte des Laudes mit der Küste verbinden, während Frankreich sie an das algerische Netz anschließen mochte, besonders durch die Linie Oran- Udschda-Fes. Vorläufig erscheint alles das unwahrscheinlich. Drei Telegraphen¬ kabel, ein englisches, ein französisches und ein spanisches, reichen bis Tanger, darüber hinaus gehn die Telegramme zu Wasser und zu Lande. 3 Deutschland und Marokko Eine Abhandlung über Marokko kann bei uns nur halbes Interesse bean¬ spruchen, wenn sie sich nur auf die Darstellung des Landes beschränkt und sich nicht damit beschäftigt, was dieses Land in Zukunft für Deutschland be¬ deuten kann. Hier lauten die Fragen: Was ist uns Deutschen Marokko? Welcher Vorteil winkt uns dort? Ist es der Mühe wert, und ist es möglich, uns diesen Vorteil zu sichern? Wenn man ein außerdeutsches Land auf seine Bedeutung für Deutschland hin untersucht, so ist die erste Frage immer die, ob sich das Land als deutsches Pflanzland eignet, ob man es mit deutschen Bauern besiedeln kann. Diese Frage muß mau für Marokko mit ziemlicher Bestimmtheit verneinen. Nicht aus klimatischen Gründen, denn das marokkanische Klima ist gesund und fast

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/210>, abgerufen am 24.11.2024.