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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Mitwelt- und Maisenversorgung

behandelt werden müssen, die für ihren und ihrer Familien Lebensunterhalt
regelmäßig und hauptsächlich nicht ans Privat- und Nebeneinnahmen, sondern
ans ihren Gehalt und ihre Pension angewiesen ist und angewiesen bleiben muß.

Weiter müssen wir uns aber von vornherein auch zu der Ansicht be¬
kennen, daß in Deutschland durch die wiederholten Gehalts- und Pensions¬
aufbesserungen den öffentlichen Beamten im allgemeinen ein angemessenes Ein¬
kommen gewährt worden ist, soweit es sich um Deckung der Unterhaltskosten
für sie selbst und ihre Familien handelt, solange sie leben. Freilich sind
zahlreiche Unterbeamtenklasscn immer noch ganz unzureichend besoldet, reichen
die ersten Gehaltstufen von unter sowohl bei höhern wie bei mittlern und
bei Unterbeamten vielfach zum Unterhalt einer Familie noch nicht ans, auch
wo die Verheiratung des Beamten erwünscht oder doch ganz natürlich ist,
und genügen an sehr vielen Orten, wo besonders viele Beamte gebraucht
werden, die Wohnungsgeldzuschüsse zur Deckung des Wohnnngsbedarfs einer
Beamtenfamilie absolut nicht. Hier dem tatsächlichen, müßigen Bedürfnis ge¬
recht zu werden, ist natürlich die erste Pflicht des Staats auch ohne höhere
Zolleinnahmen, erst recht aber, wenn sie ihm in den Schoß fallen sollten.
Den modernen Luxus brauchen die Beamten nicht mitzumachen, der Re¬
gierungsrat soll in der materiellen Lebensführung nicht mit dem Bankier, der
Rcgierungssekrctür nicht mit dem Kolonialwarenhündler, der Schutzmann
nicht mit dem Schankwirt rivalisieren. Wo sie das zu tun versuchen, wird die
Vornehmheit der Beamteustellung nicht erhöht, sondern herabgedrückt. Wenn
irgend ein böser Geist aus dem Beamtentum wieder ausgetrieben werden muß,
so ist es der Teufel der luxuriösen Lebensführung. Ihrem eignen Stande
gemäß sollen die Beamten leben können, und dazu reichen trotz allem gegen¬
teiligen Gerede -- von den angedeuteten Ausnahmen abgesehen -- die Be¬
amtenbesoldungen im allgemeinen jetzt aus.

Aber zu mehr reichen sie nicht aus. Ein Vermögen -- nicht nur einen Not¬
groschen -- vom Gehalt zu ersparen, ist dem Beamten bei dem standesmäßigen
Leben, das verlangt werden muß, nicht möglich. Für das Alter der Beamten
selbst sorgt die Pension, über deren Zulänglichkeit ziemlich dasselbe gesagt
werden kann wie über den Gehalt. Sie entspricht im allgemeinen dem Be¬
dürfnis. Wer aufs Altenteil geht, muß und kann ein Loch zurückstecken. Das
ist natürlich und billig, Wenns mich im modernen Geschüftsleben oft anders
gehalten wird. Das Elend, die wirklich dringende Not liegt für unser Beamten¬
tum hauptsächlich in der zurückgebliebnen, vernachlässigten, dem unbestreitbaren
Bedürfnis nicht mehr entsprechenden Witwen- und Waisenversorgung.

Im allgemeinen gelten für die Zahlung des gesetzlich ohne Rücksicht auf
die Bedürftigkeit zugesicherten Witwen- und Waiscngeldes an Hinterbliebne
von Reichs- und preußischen Staatsbeamten -- die wir hier hauptsächlich im
Auge haben -- folgende Bestimmungen: Das Witwengeld besteht in vierzig
vom Hundert der Pension, zu der der Verstorbne berechtigt war oder berechtigt
gewesen sein würde, wenn er am Todestag in den Ruhestand versetzt worden
wäre, es soll jedoch in der Regel mindestens 216 Mark betragen. Das Waiscn-
geld beträgt erstens für Kinder, deren Mutter lebt und zu der Zeit des Todes


Mitwelt- und Maisenversorgung

behandelt werden müssen, die für ihren und ihrer Familien Lebensunterhalt
regelmäßig und hauptsächlich nicht ans Privat- und Nebeneinnahmen, sondern
ans ihren Gehalt und ihre Pension angewiesen ist und angewiesen bleiben muß.

Weiter müssen wir uns aber von vornherein auch zu der Ansicht be¬
kennen, daß in Deutschland durch die wiederholten Gehalts- und Pensions¬
aufbesserungen den öffentlichen Beamten im allgemeinen ein angemessenes Ein¬
kommen gewährt worden ist, soweit es sich um Deckung der Unterhaltskosten
für sie selbst und ihre Familien handelt, solange sie leben. Freilich sind
zahlreiche Unterbeamtenklasscn immer noch ganz unzureichend besoldet, reichen
die ersten Gehaltstufen von unter sowohl bei höhern wie bei mittlern und
bei Unterbeamten vielfach zum Unterhalt einer Familie noch nicht ans, auch
wo die Verheiratung des Beamten erwünscht oder doch ganz natürlich ist,
und genügen an sehr vielen Orten, wo besonders viele Beamte gebraucht
werden, die Wohnungsgeldzuschüsse zur Deckung des Wohnnngsbedarfs einer
Beamtenfamilie absolut nicht. Hier dem tatsächlichen, müßigen Bedürfnis ge¬
recht zu werden, ist natürlich die erste Pflicht des Staats auch ohne höhere
Zolleinnahmen, erst recht aber, wenn sie ihm in den Schoß fallen sollten.
Den modernen Luxus brauchen die Beamten nicht mitzumachen, der Re¬
gierungsrat soll in der materiellen Lebensführung nicht mit dem Bankier, der
Rcgierungssekrctür nicht mit dem Kolonialwarenhündler, der Schutzmann
nicht mit dem Schankwirt rivalisieren. Wo sie das zu tun versuchen, wird die
Vornehmheit der Beamteustellung nicht erhöht, sondern herabgedrückt. Wenn
irgend ein böser Geist aus dem Beamtentum wieder ausgetrieben werden muß,
so ist es der Teufel der luxuriösen Lebensführung. Ihrem eignen Stande
gemäß sollen die Beamten leben können, und dazu reichen trotz allem gegen¬
teiligen Gerede — von den angedeuteten Ausnahmen abgesehen — die Be¬
amtenbesoldungen im allgemeinen jetzt aus.

Aber zu mehr reichen sie nicht aus. Ein Vermögen — nicht nur einen Not¬
groschen — vom Gehalt zu ersparen, ist dem Beamten bei dem standesmäßigen
Leben, das verlangt werden muß, nicht möglich. Für das Alter der Beamten
selbst sorgt die Pension, über deren Zulänglichkeit ziemlich dasselbe gesagt
werden kann wie über den Gehalt. Sie entspricht im allgemeinen dem Be¬
dürfnis. Wer aufs Altenteil geht, muß und kann ein Loch zurückstecken. Das
ist natürlich und billig, Wenns mich im modernen Geschüftsleben oft anders
gehalten wird. Das Elend, die wirklich dringende Not liegt für unser Beamten¬
tum hauptsächlich in der zurückgebliebnen, vernachlässigten, dem unbestreitbaren
Bedürfnis nicht mehr entsprechenden Witwen- und Waisenversorgung.

Im allgemeinen gelten für die Zahlung des gesetzlich ohne Rücksicht auf
die Bedürftigkeit zugesicherten Witwen- und Waiscngeldes an Hinterbliebne
von Reichs- und preußischen Staatsbeamten — die wir hier hauptsächlich im
Auge haben — folgende Bestimmungen: Das Witwengeld besteht in vierzig
vom Hundert der Pension, zu der der Verstorbne berechtigt war oder berechtigt
gewesen sein würde, wenn er am Todestag in den Ruhestand versetzt worden
wäre, es soll jedoch in der Regel mindestens 216 Mark betragen. Das Waiscn-
geld beträgt erstens für Kinder, deren Mutter lebt und zu der Zeit des Todes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/196>, abgerufen am 24.11.2024.