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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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sein, daß sie mit Freuden ihr Leben aufgeopfert haben würden, um den noch
nie eroberten Platz zu erhalten. Bei der Unmöglichkeit eines nachdrücklichen
Widerstands hätten sie es aber für Pflicht gehalten, eine rühmliche Kapitulation
einer Verteidigung von wenigen Stunden, wobei alles aufgeopfert gewesen,
vorzuziehn." Der Herzog von Württemberg ließ aber beide Kommandanten,
als sie am 11. Mai in Stuttgart ankamen, verhaften und vor ein Kriegsgericht
stellen, Sie führten ihre Verteidigung nicht genügend, und das Kriegsgericht
erkannte in seinem Urteil vom 27. Mai, daß beide totgeschossen werden sollten.
Bon den elf Mitgliedern waren nur fünf dafür, daß die beiden Schuldigen
im Hinblick auf manche Milderungsgründe der höchsten Gnade empfohlen
würden. Herzog Friedrich erklärte am 1. Juni, Bilfinger hätte zwar den Tod
verdient, doch solle er seiner militärischen Ehrenzeichen, des Titels und Charakters
verlustig erklärt, und solle ihm lebenslänglich das Dorf Asperg zu seinem fernern
Aufeuthalt angewiesen werden. Sein ganzes Vermögen wurde zum Beste"
der Militürinvalidenkasse eingezogen, ihm selbst zu seinem Unterhalt monatlich
die Summe von zehn Gulden aus der Kriegskasse verabreicht. Wolff sollte
zwar auch mit der wohlverdienten Todesstrafe verschont bleiben, dagegen seiner
militärischen Ehrenzeichen beraubt, kassiert, ihm dnrch den Scharfrichter vor
einer Wachparade der Degen vor den Knieen zerbrochen, und er als ein Ehr¬
loser lebenslänglich in ein Gefängnis gesperrt werden, wo ihm täglich aus
der Kriegskasse acht Kreuzer zu seinem Unterhalte gereicht werden sollten.
Hohentwicl selbst wurde aber, wie schon anfangs erwähnt worden ist, trotz der
feierlichen Zusage des französischen Generals Vcindamme auf Befehl des ersten
Konsuls Napoleon Bonaparte, weil "höhere Rücksichten" nicht erlaubten, dieses
vom General Vandamme gegebne Versprechen zu halten, vom 6. Oktober um
dem Untergang geweiht. Der Jngenieurhauptmcmn Prüdhomme vollbrachte
mit fünfhundert Arbeitern und hundert Mineurs das Zerstörungswerk, wobei
sogar Felsen nicht geschont wurden. Am 1. März 1801 war es vollendet;
die Marketenderwohnung war das letzte Gebäude, das der barbarischen Zer¬
störungswut der Franzosen unterlag.

An die Wiederherstellung der von Grund aus zerstörte" Festung konnte
uicht gedacht werden, es wurden nur Maßregeln getroffen, daß die noch
brauchbaren Grundmauern und Gewölbe uicht zerfielen und uicht alles dem
völligen Untergang geweiht würde. Die zerstörten Brücken wurden bis Mai
1819 wieder hergestellt, sodaß von nun an die Berghöhe wieder besucht werden
konnte; auch wurde auf dein zu diesem Zweck erhöhten Turm eine Warte
errichtet, die eine herrliche Fernsicht auf das ganze Alpengebirge von den
Walliser und Berner Alpen bis zu deu großartigen Tiroler Gipfeln und in
der entgegengesetzten Richtung auf Schwarzwald und Alb gewährt. Besonders
reizend ist aber der Niederblick auf die schimmernde Fläche des Sees in der
fruchtbaren Ebne, das schöne Konstanz mit seinein prächtigen Dom und die
lieblich liegende Insel Reichenau. Unter der großen Linde auf der Terrasse
des Berges hat Scheffel einst seinen Ekkehard geschrieben und dadurch dem
Hohentwiel einen neuen Zauber verliehen. So bleibt dieser Fleck Erde einer
der schönsten, durch Natur, Geschichte und Sage verklärten Punkte des deutschen


sein, daß sie mit Freuden ihr Leben aufgeopfert haben würden, um den noch
nie eroberten Platz zu erhalten. Bei der Unmöglichkeit eines nachdrücklichen
Widerstands hätten sie es aber für Pflicht gehalten, eine rühmliche Kapitulation
einer Verteidigung von wenigen Stunden, wobei alles aufgeopfert gewesen,
vorzuziehn." Der Herzog von Württemberg ließ aber beide Kommandanten,
als sie am 11. Mai in Stuttgart ankamen, verhaften und vor ein Kriegsgericht
stellen, Sie führten ihre Verteidigung nicht genügend, und das Kriegsgericht
erkannte in seinem Urteil vom 27. Mai, daß beide totgeschossen werden sollten.
Bon den elf Mitgliedern waren nur fünf dafür, daß die beiden Schuldigen
im Hinblick auf manche Milderungsgründe der höchsten Gnade empfohlen
würden. Herzog Friedrich erklärte am 1. Juni, Bilfinger hätte zwar den Tod
verdient, doch solle er seiner militärischen Ehrenzeichen, des Titels und Charakters
verlustig erklärt, und solle ihm lebenslänglich das Dorf Asperg zu seinem fernern
Aufeuthalt angewiesen werden. Sein ganzes Vermögen wurde zum Beste»
der Militürinvalidenkasse eingezogen, ihm selbst zu seinem Unterhalt monatlich
die Summe von zehn Gulden aus der Kriegskasse verabreicht. Wolff sollte
zwar auch mit der wohlverdienten Todesstrafe verschont bleiben, dagegen seiner
militärischen Ehrenzeichen beraubt, kassiert, ihm dnrch den Scharfrichter vor
einer Wachparade der Degen vor den Knieen zerbrochen, und er als ein Ehr¬
loser lebenslänglich in ein Gefängnis gesperrt werden, wo ihm täglich aus
der Kriegskasse acht Kreuzer zu seinem Unterhalte gereicht werden sollten.
Hohentwicl selbst wurde aber, wie schon anfangs erwähnt worden ist, trotz der
feierlichen Zusage des französischen Generals Vcindamme auf Befehl des ersten
Konsuls Napoleon Bonaparte, weil „höhere Rücksichten" nicht erlaubten, dieses
vom General Vandamme gegebne Versprechen zu halten, vom 6. Oktober um
dem Untergang geweiht. Der Jngenieurhauptmcmn Prüdhomme vollbrachte
mit fünfhundert Arbeitern und hundert Mineurs das Zerstörungswerk, wobei
sogar Felsen nicht geschont wurden. Am 1. März 1801 war es vollendet;
die Marketenderwohnung war das letzte Gebäude, das der barbarischen Zer¬
störungswut der Franzosen unterlag.

An die Wiederherstellung der von Grund aus zerstörte» Festung konnte
uicht gedacht werden, es wurden nur Maßregeln getroffen, daß die noch
brauchbaren Grundmauern und Gewölbe uicht zerfielen und uicht alles dem
völligen Untergang geweiht würde. Die zerstörten Brücken wurden bis Mai
1819 wieder hergestellt, sodaß von nun an die Berghöhe wieder besucht werden
konnte; auch wurde auf dein zu diesem Zweck erhöhten Turm eine Warte
errichtet, die eine herrliche Fernsicht auf das ganze Alpengebirge von den
Walliser und Berner Alpen bis zu deu großartigen Tiroler Gipfeln und in
der entgegengesetzten Richtung auf Schwarzwald und Alb gewährt. Besonders
reizend ist aber der Niederblick auf die schimmernde Fläche des Sees in der
fruchtbaren Ebne, das schöne Konstanz mit seinein prächtigen Dom und die
lieblich liegende Insel Reichenau. Unter der großen Linde auf der Terrasse
des Berges hat Scheffel einst seinen Ekkehard geschrieben und dadurch dem
Hohentwiel einen neuen Zauber verliehen. So bleibt dieser Fleck Erde einer
der schönsten, durch Natur, Geschichte und Sage verklärten Punkte des deutschen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/172>, abgerufen am 24.11.2024.