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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

gezählt zu werden, werden wir dafür sorgen, daß die Idee eines konfessionellen
Friedensstandes nicht so rasch zu Grabe getragen werden wird. Der Stein ist
ins Rollen gebracht, und dn es auch im Reich des Geistes gesetzmäßig zugeht, so
wüßten wir nicht, weshalb diese Bewegung plötzlich ins Stocken geraten sollte. So
manches Problem, das anfangs unlösbar erschien, hat danach doch noch seinen
Entdecker gefunden. So wird es auch mit diesem Problem gehn. Es bedarf nur
der Ausdauer und eines Glaubens an den gesunden Kern der deutschen Nation,
dann wird der Fortschritt nicht fehlen.

In weiten Kreisen der deutschen Bevölkerung hat man das gegenseitige kon¬
fessionelle Kämpfen und Streiten gründlich satt. Das deutsche Volk, das ohnedies
unter der Misere des industriellen Niedergangs, der ja hoffentlich bald seinen
tiefsten Stand erreicht haben wird, unsagbar leidet, sehnt sich seit langem schon
in seinem religiös-kirchlichen Leben nach Ruhe und Frieden. Der Kampf war vor¬
mals notwendig, aber unnötig und verderblich ist es, ihn ohne Not jetzt weiter
fortzusetzen. Als nach der Beendigung des Kulturkampfes, bei demi der preußische
Staat weltliche und geistliche Waffen verwechselte, der gesamte deutsche Prote¬
stantismus gefährdet erschien, da mußte zu dem Schwerte scharfer, rückhaltloser
Auseinandersetzung gegriffen werden. Das war in den achtziger Jahren. Die
Zeiten siud anders geworden, die Lage hat sich verschoben, das Bild hat sich ver¬
ändert. Heute bricht sich die Erkenntnis Bahn: Wenn das deutsche Volk nicht stark
geschädigt werden soll, so muß der Kampf ein Ende haben; denn schon werden
Verstimmung und Verbitterung wegen konfessioneller Zwistigkeiten in die bürger¬
lichen Kreise, in das geschäftliche Leben hineingetragen. Die Wahl eines Arztes
nach konfessionellen Rücksichten ist heute schon keine Seltenheit mehr, und wenn die
Fehde länger dauert, denn werden die kaufmännischen Geschäfte in den Städten
dieselben Erfahrungen machen, wie draußen auf dem Lande, vor allem in der
Diaspora. Man kauft dann nur noch bei seineu Glaubensgenossen ein. Das sind
teilte übertriebnen Schilderungen, keine Malereien schwarz in schwarz, sondern
wahrheitsgetreue Darstellungen, die wahrhaftig zu denken geben. Wohin sind wir
gekommen!

Aber kann man denn überhaupt ein halbwegs durchführbares Programm für
eine solche neu zu schaffende Friedenslign aufstellen? Wir zweifeln nicht daran.
Nur muß ein solches Programm alles ausscheidet,, was störend und hinderlich wäre.
Vor allem müssen alle kühnen Hoffnungen auf eine förmliche Wiedervereinigung der
beiden Kirchen als gänzlich aussichtslos aufgegeben werden. Romanismus und
Protestantismus siud und bleiben seit dem Reichstag von Speier 1529, wo man
zum ersten mal den Namen "Protestanten" hörte, Gegensätze, die eine förmliche
Aussöhnung und Verquickung niemals zulassen. Der Protestant denkt anders,
empfindet anders und will etwas andres als der Katholik. Die beiden gehn in
ihren Lehr-, Heils- und Weltanschauungen völlig auseinander, wenn man die prin¬
zipiellen Gegensätze nach der Theorie betrachtet. Aber es gilt zum Glück auch hier
das Wort von der "grauen Theorie." Die geistige Luft, die beide atmen, der un¬
ausgesetzte gesellschaftliche Verkehr, die tausend gemischten Ehen -- das alles kann
unmöglich spurlos an den Zeitgenossen vorübergehn, und so geschieht es, daß sich that¬
sächlich zwischen dein Protestantismus und dem Katholizismus hundert Brücken finden,
die auch für eine Friedensvereinignng recht wohl das Fundament bilden konnten.

Das voit uns aufgestellte Programm lautet: "Unter Ausschluß aller rein poll-
en> F^gen und unter Wahrung des Bekenntnisstandpnnktes reichen sich alle
Mttglieder zu dem Zweck die Hand, den konfessionellen Frieden zu schaffen, wo er
zerrüttet ist, den Frieden zu pflegen und zu fördern, wo er bedroht ist." Man
wende auch nicht ein. daß die Durchführung dieses Programms auf große Hinder¬
nde stoße; denn noch immer pflegt sich ein Weg zu finden, wenn ein ernster und
euergtscher Wille vorliegt. So wird man mich hier Versammlungen, Vortrage über
gemeinsame Berührungspunkte u. ni. ganz leicht bewerkstelligen können. Man braucht
ja nicht gleich an weltimtgestaltende Einrichtungen zu denken. Es wird sich alles


Maßgebliches und Unmaßgebliches

gezählt zu werden, werden wir dafür sorgen, daß die Idee eines konfessionellen
Friedensstandes nicht so rasch zu Grabe getragen werden wird. Der Stein ist
ins Rollen gebracht, und dn es auch im Reich des Geistes gesetzmäßig zugeht, so
wüßten wir nicht, weshalb diese Bewegung plötzlich ins Stocken geraten sollte. So
manches Problem, das anfangs unlösbar erschien, hat danach doch noch seinen
Entdecker gefunden. So wird es auch mit diesem Problem gehn. Es bedarf nur
der Ausdauer und eines Glaubens an den gesunden Kern der deutschen Nation,
dann wird der Fortschritt nicht fehlen.

In weiten Kreisen der deutschen Bevölkerung hat man das gegenseitige kon¬
fessionelle Kämpfen und Streiten gründlich satt. Das deutsche Volk, das ohnedies
unter der Misere des industriellen Niedergangs, der ja hoffentlich bald seinen
tiefsten Stand erreicht haben wird, unsagbar leidet, sehnt sich seit langem schon
in seinem religiös-kirchlichen Leben nach Ruhe und Frieden. Der Kampf war vor¬
mals notwendig, aber unnötig und verderblich ist es, ihn ohne Not jetzt weiter
fortzusetzen. Als nach der Beendigung des Kulturkampfes, bei demi der preußische
Staat weltliche und geistliche Waffen verwechselte, der gesamte deutsche Prote¬
stantismus gefährdet erschien, da mußte zu dem Schwerte scharfer, rückhaltloser
Auseinandersetzung gegriffen werden. Das war in den achtziger Jahren. Die
Zeiten siud anders geworden, die Lage hat sich verschoben, das Bild hat sich ver¬
ändert. Heute bricht sich die Erkenntnis Bahn: Wenn das deutsche Volk nicht stark
geschädigt werden soll, so muß der Kampf ein Ende haben; denn schon werden
Verstimmung und Verbitterung wegen konfessioneller Zwistigkeiten in die bürger¬
lichen Kreise, in das geschäftliche Leben hineingetragen. Die Wahl eines Arztes
nach konfessionellen Rücksichten ist heute schon keine Seltenheit mehr, und wenn die
Fehde länger dauert, denn werden die kaufmännischen Geschäfte in den Städten
dieselben Erfahrungen machen, wie draußen auf dem Lande, vor allem in der
Diaspora. Man kauft dann nur noch bei seineu Glaubensgenossen ein. Das sind
teilte übertriebnen Schilderungen, keine Malereien schwarz in schwarz, sondern
wahrheitsgetreue Darstellungen, die wahrhaftig zu denken geben. Wohin sind wir
gekommen!

Aber kann man denn überhaupt ein halbwegs durchführbares Programm für
eine solche neu zu schaffende Friedenslign aufstellen? Wir zweifeln nicht daran.
Nur muß ein solches Programm alles ausscheidet,, was störend und hinderlich wäre.
Vor allem müssen alle kühnen Hoffnungen auf eine förmliche Wiedervereinigung der
beiden Kirchen als gänzlich aussichtslos aufgegeben werden. Romanismus und
Protestantismus siud und bleiben seit dem Reichstag von Speier 1529, wo man
zum ersten mal den Namen „Protestanten" hörte, Gegensätze, die eine förmliche
Aussöhnung und Verquickung niemals zulassen. Der Protestant denkt anders,
empfindet anders und will etwas andres als der Katholik. Die beiden gehn in
ihren Lehr-, Heils- und Weltanschauungen völlig auseinander, wenn man die prin¬
zipiellen Gegensätze nach der Theorie betrachtet. Aber es gilt zum Glück auch hier
das Wort von der „grauen Theorie." Die geistige Luft, die beide atmen, der un¬
ausgesetzte gesellschaftliche Verkehr, die tausend gemischten Ehen — das alles kann
unmöglich spurlos an den Zeitgenossen vorübergehn, und so geschieht es, daß sich that¬
sächlich zwischen dein Protestantismus und dem Katholizismus hundert Brücken finden,
die auch für eine Friedensvereinignng recht wohl das Fundament bilden konnten.

Das voit uns aufgestellte Programm lautet: „Unter Ausschluß aller rein poll-
en> F^gen und unter Wahrung des Bekenntnisstandpnnktes reichen sich alle
Mttglieder zu dem Zweck die Hand, den konfessionellen Frieden zu schaffen, wo er
zerrüttet ist, den Frieden zu pflegen und zu fördern, wo er bedroht ist." Man
wende auch nicht ein. daß die Durchführung dieses Programms auf große Hinder¬
nde stoße; denn noch immer pflegt sich ein Weg zu finden, wenn ein ernster und
euergtscher Wille vorliegt. So wird man mich hier Versammlungen, Vortrage über
gemeinsame Berührungspunkte u. ni. ganz leicht bewerkstelligen können. Man braucht
ja nicht gleich an weltimtgestaltende Einrichtungen zu denken. Es wird sich alles


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[0757] Maßgebliches und Unmaßgebliches gezählt zu werden, werden wir dafür sorgen, daß die Idee eines konfessionellen Friedensstandes nicht so rasch zu Grabe getragen werden wird. Der Stein ist ins Rollen gebracht, und dn es auch im Reich des Geistes gesetzmäßig zugeht, so wüßten wir nicht, weshalb diese Bewegung plötzlich ins Stocken geraten sollte. So manches Problem, das anfangs unlösbar erschien, hat danach doch noch seinen Entdecker gefunden. So wird es auch mit diesem Problem gehn. Es bedarf nur der Ausdauer und eines Glaubens an den gesunden Kern der deutschen Nation, dann wird der Fortschritt nicht fehlen. In weiten Kreisen der deutschen Bevölkerung hat man das gegenseitige kon¬ fessionelle Kämpfen und Streiten gründlich satt. Das deutsche Volk, das ohnedies unter der Misere des industriellen Niedergangs, der ja hoffentlich bald seinen tiefsten Stand erreicht haben wird, unsagbar leidet, sehnt sich seit langem schon in seinem religiös-kirchlichen Leben nach Ruhe und Frieden. Der Kampf war vor¬ mals notwendig, aber unnötig und verderblich ist es, ihn ohne Not jetzt weiter fortzusetzen. Als nach der Beendigung des Kulturkampfes, bei demi der preußische Staat weltliche und geistliche Waffen verwechselte, der gesamte deutsche Prote¬ stantismus gefährdet erschien, da mußte zu dem Schwerte scharfer, rückhaltloser Auseinandersetzung gegriffen werden. Das war in den achtziger Jahren. Die Zeiten siud anders geworden, die Lage hat sich verschoben, das Bild hat sich ver¬ ändert. Heute bricht sich die Erkenntnis Bahn: Wenn das deutsche Volk nicht stark geschädigt werden soll, so muß der Kampf ein Ende haben; denn schon werden Verstimmung und Verbitterung wegen konfessioneller Zwistigkeiten in die bürger¬ lichen Kreise, in das geschäftliche Leben hineingetragen. Die Wahl eines Arztes nach konfessionellen Rücksichten ist heute schon keine Seltenheit mehr, und wenn die Fehde länger dauert, denn werden die kaufmännischen Geschäfte in den Städten dieselben Erfahrungen machen, wie draußen auf dem Lande, vor allem in der Diaspora. Man kauft dann nur noch bei seineu Glaubensgenossen ein. Das sind teilte übertriebnen Schilderungen, keine Malereien schwarz in schwarz, sondern wahrheitsgetreue Darstellungen, die wahrhaftig zu denken geben. Wohin sind wir gekommen! Aber kann man denn überhaupt ein halbwegs durchführbares Programm für eine solche neu zu schaffende Friedenslign aufstellen? Wir zweifeln nicht daran. Nur muß ein solches Programm alles ausscheidet,, was störend und hinderlich wäre. Vor allem müssen alle kühnen Hoffnungen auf eine förmliche Wiedervereinigung der beiden Kirchen als gänzlich aussichtslos aufgegeben werden. Romanismus und Protestantismus siud und bleiben seit dem Reichstag von Speier 1529, wo man zum ersten mal den Namen „Protestanten" hörte, Gegensätze, die eine förmliche Aussöhnung und Verquickung niemals zulassen. Der Protestant denkt anders, empfindet anders und will etwas andres als der Katholik. Die beiden gehn in ihren Lehr-, Heils- und Weltanschauungen völlig auseinander, wenn man die prin¬ zipiellen Gegensätze nach der Theorie betrachtet. Aber es gilt zum Glück auch hier das Wort von der „grauen Theorie." Die geistige Luft, die beide atmen, der un¬ ausgesetzte gesellschaftliche Verkehr, die tausend gemischten Ehen — das alles kann unmöglich spurlos an den Zeitgenossen vorübergehn, und so geschieht es, daß sich that¬ sächlich zwischen dein Protestantismus und dem Katholizismus hundert Brücken finden, die auch für eine Friedensvereinignng recht wohl das Fundament bilden konnten. Das voit uns aufgestellte Programm lautet: „Unter Ausschluß aller rein poll- en> F^gen und unter Wahrung des Bekenntnisstandpnnktes reichen sich alle Mttglieder zu dem Zweck die Hand, den konfessionellen Frieden zu schaffen, wo er zerrüttet ist, den Frieden zu pflegen und zu fördern, wo er bedroht ist." Man wende auch nicht ein. daß die Durchführung dieses Programms auf große Hinder¬ nde stoße; denn noch immer pflegt sich ein Weg zu finden, wenn ein ernster und euergtscher Wille vorliegt. So wird man mich hier Versammlungen, Vortrage über gemeinsame Berührungspunkte u. ni. ganz leicht bewerkstelligen können. Man braucht ja nicht gleich an weltimtgestaltende Einrichtungen zu denken. Es wird sich alles

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/757>, abgerufen am 01.09.2024.