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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Latholica

liebe gegen den einzelnen äußerlich niedriger und im Einkommen viel schlechter
gestellten Mitmenschen, unterwürfig nach oben, herrisch nach unten, nur den
eignen Nutzen suchen, geniert diese Herren Sozialpolitiker nicht. Der moderne
Sozialismus und auch die moderne Ethik begünstigen leider diese Art. Danach
braucht Nächstenliebe überhaupt kaum noch unmittelbar gegen den Nächsten ge-
gcübt zu werden. Sie ist Sache der Gesamtheit und braucht nur uoch theoretisch
erwogen, durch Gesetze vorgeschrieben und bureaukratisch inszeniert zu werden.
Was dabei herauskommen muß, ist klar. Der Sozialdemokratie werden die
Geschäfte damit glänzend besorgt werden, und wenn dann die Flinte schießen
und der Säbel hauen muß, um die Kasten- und Klassenprärogative zu schützen,
erst recht.

Der politische Liberalismus ist am Materialismus zu Schanden geworden.
Mit ihm hat unsre Sache nichts zu thun. Aber den echten, rechten, idealen und
sozialen Liberalismus an den Universitäten und im Beamtentum, den brauchen
wir heute in Preußen dringender als jemals, und ihn zu fördern hat man die
Macht, wenn man nur will.




(Latholica
Joseph INayer von
9. Die katholische Universität von Amerika

is das zweite Plenarkonzil der Bischöfe in den Vereinigten
Staaten von Nordamerika im Oktober 1866 in Baltimore ge¬
feiert wurde, sprachen die versammelten Väter den lebhaften
Wunsch ans, daß in diesem Lande eine Universität errichtet werde,
"an der alle Zweige der Litteratur und des Wissens, sowohl
der heiligen wie der profanen Wissenschaften, gelehrt werden sollten." Die
Zeit für eine solche Gründung war noch nicht gekommen, und erst als sich
die Väter zum dritten Plenarkonzil von Baltimore im Jahre 1884 versammelt
hatten, konnte etwas geschehn.

Hauptsächlich auf Veranlassung von Monsignore John Lancaster Spalding,
Bischof von Pevria, hatte sich Miß Mary Gwendoline Caldwell von Newport
(Rhode Island) entschlossen, der amerikanischen Hierarchie 300000 Dollar, das
sind 1200000 Mark anzubieten, "zu dem Zwecke der Gründung eines großen theo¬
logischen Seminars zur höhern Ausbildung des Klerus der Vereinigten Staaten,
in der Erwartung, daß es die Grundlage einer zukünftigen katholischen Uni¬
versität abgebe." Selbstverständlich wurde die fürstliche Schenkung angenommen,
und ein Ausschuß wurde mit der Erledigung der Borarbeiten betraut. Am
26. Januar 1885 versammelte sich dieser Ausschuß in New Ac'rk und stellte
den in der Überschrift mitgeteilten Namen der zukünftigen Anstalt fest. Als
Sitz der Hochschule wurde am 7. Mai des genannten Jahres Washington
bestimmt und die Geschäfte von einem mittlerweile gebildeten Verwaltungsaus-


Latholica

liebe gegen den einzelnen äußerlich niedriger und im Einkommen viel schlechter
gestellten Mitmenschen, unterwürfig nach oben, herrisch nach unten, nur den
eignen Nutzen suchen, geniert diese Herren Sozialpolitiker nicht. Der moderne
Sozialismus und auch die moderne Ethik begünstigen leider diese Art. Danach
braucht Nächstenliebe überhaupt kaum noch unmittelbar gegen den Nächsten ge-
gcübt zu werden. Sie ist Sache der Gesamtheit und braucht nur uoch theoretisch
erwogen, durch Gesetze vorgeschrieben und bureaukratisch inszeniert zu werden.
Was dabei herauskommen muß, ist klar. Der Sozialdemokratie werden die
Geschäfte damit glänzend besorgt werden, und wenn dann die Flinte schießen
und der Säbel hauen muß, um die Kasten- und Klassenprärogative zu schützen,
erst recht.

Der politische Liberalismus ist am Materialismus zu Schanden geworden.
Mit ihm hat unsre Sache nichts zu thun. Aber den echten, rechten, idealen und
sozialen Liberalismus an den Universitäten und im Beamtentum, den brauchen
wir heute in Preußen dringender als jemals, und ihn zu fördern hat man die
Macht, wenn man nur will.




(Latholica
Joseph INayer von
9. Die katholische Universität von Amerika

is das zweite Plenarkonzil der Bischöfe in den Vereinigten
Staaten von Nordamerika im Oktober 1866 in Baltimore ge¬
feiert wurde, sprachen die versammelten Väter den lebhaften
Wunsch ans, daß in diesem Lande eine Universität errichtet werde,
„an der alle Zweige der Litteratur und des Wissens, sowohl
der heiligen wie der profanen Wissenschaften, gelehrt werden sollten." Die
Zeit für eine solche Gründung war noch nicht gekommen, und erst als sich
die Väter zum dritten Plenarkonzil von Baltimore im Jahre 1884 versammelt
hatten, konnte etwas geschehn.

Hauptsächlich auf Veranlassung von Monsignore John Lancaster Spalding,
Bischof von Pevria, hatte sich Miß Mary Gwendoline Caldwell von Newport
(Rhode Island) entschlossen, der amerikanischen Hierarchie 300000 Dollar, das
sind 1200000 Mark anzubieten, „zu dem Zwecke der Gründung eines großen theo¬
logischen Seminars zur höhern Ausbildung des Klerus der Vereinigten Staaten,
in der Erwartung, daß es die Grundlage einer zukünftigen katholischen Uni¬
versität abgebe." Selbstverständlich wurde die fürstliche Schenkung angenommen,
und ein Ausschuß wurde mit der Erledigung der Borarbeiten betraut. Am
26. Januar 1885 versammelte sich dieser Ausschuß in New Ac'rk und stellte
den in der Überschrift mitgeteilten Namen der zukünftigen Anstalt fest. Als
Sitz der Hochschule wurde am 7. Mai des genannten Jahres Washington
bestimmt und die Geschäfte von einem mittlerweile gebildeten Verwaltungsaus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/710>, abgerufen am 01.09.2024.