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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Der Professor, Gillet Zinnober, Rosamunde und Ärmchen

Bleib nur ruhig sitzen, sagte er, als der Professur Miene machte, aufzustehn.
Was ich hier mache? Das siehst du doch. Ich muß das gute Mondlicht benutzen,
die Sache anzulegen.

Richtig, der Mond war aufgegangen und schien durch das große Atelierfenster
herein. Es war fast taghell im Raum, und die Leinwand, vor der der Onkel
in schwarzen Umrissen stand, glänzte weiß zu Wcildemar herüber.

Wenn ich es jetzt nicht festhalte, ist es auf und davon! fuhr der Onkel Zinnober
fort. Du hast ja keine Eile. Du willst nur auf andre Gedanken kommen -- der
Onkel hatte sich der Leinwand wieder zugewandt, und der Professor hatte das un¬
angenehme Gefühl, daß der Alte boshaft vor sich hinlache --; da kannst du mir
ja ein bischen zusehen. Es ist gar nicht übel für einen Kunstprofessor, manchmal
zu sehen, wie es gemacht wird. Technik! Wie oft hast du das Wort unnütz im
Munde geführt. Technik! Du weißt ja kaum, wie man den Pinsel ansetzt. Und daß
Technik weiter nichts ist, als wie man es herausbringt. Mit dem Stiel oder mit den
Borsten oder mit dem Spachtel, das ist jedes eigne Sache und ganz einerlei, wenns
nur was wird. Sieh doch nur -- der Onkel fuhr mit dem Pinsel in die Farben --

Aber Onkel, wollen Sie nicht wenigstens ablegen? In Mantel und Hut --

Der Onkel fuhr herum. Thörichtes Geschwätz! Wie soll ich denn barhäuptig --
siehst du nicht, daß ich nur den Sommerhavelock anhabe?

Das war richtig. -- Aber Onkel, im Mondlicht! Man kaun ja die Farben
gar nicht unterscheiden!

So? Kann man nicht? Der Onkel fuhr mit dem Pinsel eben über die Lein¬
wand. Ist das Kobaltblau, oder was ist es? Siehst du, ganz leuchtendes Frühlings¬
blau! Und siehst du hier -- sieh nur! das sind Wölkchen, schneeweiß, leuchtend ---
ja, nicht wahr, ein bischen Jaune brillant, das machts, daß sie leuchten, wenn sie
auch nur weiß erscheinen. Kremserweiß allein thuts freilich uicht. Aber der ge¬
brannte lichte Ocker, und der gelbe Ocker und das Neapelgelb, die hineingemischt
sind, geben auch noch kein Jaune brillant, sondern erst die Spur Zinnober und
Kadmium, die drin siud, die machen es. Denkst du denn, ich wüßte nicht, was Jaune
brillant ist? Ich brauche Mewes und Schönfeld nicht dazu. Das kaun man sich
überlegen! So was Brutales, wie roter Zinnober und Kadmium, uicht wahr? Aber
nun sieh nur die Wölkchen, wie sie schimmern, hier, zwischen den Bäumen durch!

Er hatte nach einem andern Pinsel gefaßt, ihn in die Farbenhäufchen auf der
Palette gestoßen und fuhr hastig damit auf der Leinwand hin und her. Wcildemar
sah in starrem Staunen zu.

Siehst du, fuhr der Onkel zwischen seinem eiligen Arbeiten fort, wie sich die
Bnumwipfel ineinander weben und die Zweige sich leise in dem Sommerhauche be¬
wegen? Da stehn die Stämme, und das Unterholz wächst an ihnen hinauf. Sieh,
wie die Souue durch das Blattgewirr funkelt. Und dort drüben, hinter der dicken
Eiche geht es ganz dunkel und dämmerig in den Wald hinein. Aber hier in der
Mitte -- siehst du, da liegt die Waldwiese, halb im Schatten, halb im Sonnen¬
schein, und über das Gehege weg, zu dem der Pfad hier durch die Wiese führt,
siehst du zwischen den Waldkulissen in die duftige Ferne -- warte, das müssen wir
zart machen -- siehst du das Dörfchen ganz im Duft und dahinter den feinen Höhen¬
zug -- und siehst du jetzt, wie die Wolken am Himmel vorüberziehn und das Himmels¬
blau bald verdecken, bald durchschauen lassen, und wie sie dnrch die Zweige leuchten?

Immer heftiger fuhr die geschäftige Hemd zwischen Palette und Leinwand hin
und her. Wie seltsam das war. Fast die ganze weiße Fläche der Leinwand war
verschwunden, und ein golddurchglänztes Landschaftsbild that sich vor Waldemars
Augen auf. Und wunderbar; es schien zu wachsen und sich auszudehnen. Die
Zweige bewegten sich, die Wolken zogen -- ja dort drüben vor dem Dorfe, ganz
in der Ferne, waren Leute mit Pferden und Wagen. Sie machten Heu, man sah
es deutlich, wie sie hartem und aufluden, und ein hochgetürmter Wagen fuhr davon.

Das ist doch wundersam, dachte der Professor. Es ist doch nur ein Bild,


Der Professor, Gillet Zinnober, Rosamunde und Ärmchen

Bleib nur ruhig sitzen, sagte er, als der Professur Miene machte, aufzustehn.
Was ich hier mache? Das siehst du doch. Ich muß das gute Mondlicht benutzen,
die Sache anzulegen.

Richtig, der Mond war aufgegangen und schien durch das große Atelierfenster
herein. Es war fast taghell im Raum, und die Leinwand, vor der der Onkel
in schwarzen Umrissen stand, glänzte weiß zu Wcildemar herüber.

Wenn ich es jetzt nicht festhalte, ist es auf und davon! fuhr der Onkel Zinnober
fort. Du hast ja keine Eile. Du willst nur auf andre Gedanken kommen — der
Onkel hatte sich der Leinwand wieder zugewandt, und der Professor hatte das un¬
angenehme Gefühl, daß der Alte boshaft vor sich hinlache —; da kannst du mir
ja ein bischen zusehen. Es ist gar nicht übel für einen Kunstprofessor, manchmal
zu sehen, wie es gemacht wird. Technik! Wie oft hast du das Wort unnütz im
Munde geführt. Technik! Du weißt ja kaum, wie man den Pinsel ansetzt. Und daß
Technik weiter nichts ist, als wie man es herausbringt. Mit dem Stiel oder mit den
Borsten oder mit dem Spachtel, das ist jedes eigne Sache und ganz einerlei, wenns
nur was wird. Sieh doch nur — der Onkel fuhr mit dem Pinsel in die Farben —

Aber Onkel, wollen Sie nicht wenigstens ablegen? In Mantel und Hut —

Der Onkel fuhr herum. Thörichtes Geschwätz! Wie soll ich denn barhäuptig —
siehst du nicht, daß ich nur den Sommerhavelock anhabe?

Das war richtig. — Aber Onkel, im Mondlicht! Man kaun ja die Farben
gar nicht unterscheiden!

So? Kann man nicht? Der Onkel fuhr mit dem Pinsel eben über die Lein¬
wand. Ist das Kobaltblau, oder was ist es? Siehst du, ganz leuchtendes Frühlings¬
blau! Und siehst du hier — sieh nur! das sind Wölkchen, schneeweiß, leuchtend —-
ja, nicht wahr, ein bischen Jaune brillant, das machts, daß sie leuchten, wenn sie
auch nur weiß erscheinen. Kremserweiß allein thuts freilich uicht. Aber der ge¬
brannte lichte Ocker, und der gelbe Ocker und das Neapelgelb, die hineingemischt
sind, geben auch noch kein Jaune brillant, sondern erst die Spur Zinnober und
Kadmium, die drin siud, die machen es. Denkst du denn, ich wüßte nicht, was Jaune
brillant ist? Ich brauche Mewes und Schönfeld nicht dazu. Das kaun man sich
überlegen! So was Brutales, wie roter Zinnober und Kadmium, uicht wahr? Aber
nun sieh nur die Wölkchen, wie sie schimmern, hier, zwischen den Bäumen durch!

Er hatte nach einem andern Pinsel gefaßt, ihn in die Farbenhäufchen auf der
Palette gestoßen und fuhr hastig damit auf der Leinwand hin und her. Wcildemar
sah in starrem Staunen zu.

Siehst du, fuhr der Onkel zwischen seinem eiligen Arbeiten fort, wie sich die
Bnumwipfel ineinander weben und die Zweige sich leise in dem Sommerhauche be¬
wegen? Da stehn die Stämme, und das Unterholz wächst an ihnen hinauf. Sieh,
wie die Souue durch das Blattgewirr funkelt. Und dort drüben, hinter der dicken
Eiche geht es ganz dunkel und dämmerig in den Wald hinein. Aber hier in der
Mitte — siehst du, da liegt die Waldwiese, halb im Schatten, halb im Sonnen¬
schein, und über das Gehege weg, zu dem der Pfad hier durch die Wiese führt,
siehst du zwischen den Waldkulissen in die duftige Ferne — warte, das müssen wir
zart machen — siehst du das Dörfchen ganz im Duft und dahinter den feinen Höhen¬
zug — und siehst du jetzt, wie die Wolken am Himmel vorüberziehn und das Himmels¬
blau bald verdecken, bald durchschauen lassen, und wie sie dnrch die Zweige leuchten?

Immer heftiger fuhr die geschäftige Hemd zwischen Palette und Leinwand hin
und her. Wie seltsam das war. Fast die ganze weiße Fläche der Leinwand war
verschwunden, und ein golddurchglänztes Landschaftsbild that sich vor Waldemars
Augen auf. Und wunderbar; es schien zu wachsen und sich auszudehnen. Die
Zweige bewegten sich, die Wolken zogen — ja dort drüben vor dem Dorfe, ganz
in der Ferne, waren Leute mit Pferden und Wagen. Sie machten Heu, man sah
es deutlich, wie sie hartem und aufluden, und ein hochgetürmter Wagen fuhr davon.

Das ist doch wundersam, dachte der Professor. Es ist doch nur ein Bild,


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[0690] Der Professor, Gillet Zinnober, Rosamunde und Ärmchen Bleib nur ruhig sitzen, sagte er, als der Professur Miene machte, aufzustehn. Was ich hier mache? Das siehst du doch. Ich muß das gute Mondlicht benutzen, die Sache anzulegen. Richtig, der Mond war aufgegangen und schien durch das große Atelierfenster herein. Es war fast taghell im Raum, und die Leinwand, vor der der Onkel in schwarzen Umrissen stand, glänzte weiß zu Wcildemar herüber. Wenn ich es jetzt nicht festhalte, ist es auf und davon! fuhr der Onkel Zinnober fort. Du hast ja keine Eile. Du willst nur auf andre Gedanken kommen — der Onkel hatte sich der Leinwand wieder zugewandt, und der Professor hatte das un¬ angenehme Gefühl, daß der Alte boshaft vor sich hinlache —; da kannst du mir ja ein bischen zusehen. Es ist gar nicht übel für einen Kunstprofessor, manchmal zu sehen, wie es gemacht wird. Technik! Wie oft hast du das Wort unnütz im Munde geführt. Technik! Du weißt ja kaum, wie man den Pinsel ansetzt. Und daß Technik weiter nichts ist, als wie man es herausbringt. Mit dem Stiel oder mit den Borsten oder mit dem Spachtel, das ist jedes eigne Sache und ganz einerlei, wenns nur was wird. Sieh doch nur — der Onkel fuhr mit dem Pinsel in die Farben — Aber Onkel, wollen Sie nicht wenigstens ablegen? In Mantel und Hut — Der Onkel fuhr herum. Thörichtes Geschwätz! Wie soll ich denn barhäuptig — siehst du nicht, daß ich nur den Sommerhavelock anhabe? Das war richtig. — Aber Onkel, im Mondlicht! Man kaun ja die Farben gar nicht unterscheiden! So? Kann man nicht? Der Onkel fuhr mit dem Pinsel eben über die Lein¬ wand. Ist das Kobaltblau, oder was ist es? Siehst du, ganz leuchtendes Frühlings¬ blau! Und siehst du hier — sieh nur! das sind Wölkchen, schneeweiß, leuchtend —- ja, nicht wahr, ein bischen Jaune brillant, das machts, daß sie leuchten, wenn sie auch nur weiß erscheinen. Kremserweiß allein thuts freilich uicht. Aber der ge¬ brannte lichte Ocker, und der gelbe Ocker und das Neapelgelb, die hineingemischt sind, geben auch noch kein Jaune brillant, sondern erst die Spur Zinnober und Kadmium, die drin siud, die machen es. Denkst du denn, ich wüßte nicht, was Jaune brillant ist? Ich brauche Mewes und Schönfeld nicht dazu. Das kaun man sich überlegen! So was Brutales, wie roter Zinnober und Kadmium, uicht wahr? Aber nun sieh nur die Wölkchen, wie sie schimmern, hier, zwischen den Bäumen durch! Er hatte nach einem andern Pinsel gefaßt, ihn in die Farbenhäufchen auf der Palette gestoßen und fuhr hastig damit auf der Leinwand hin und her. Wcildemar sah in starrem Staunen zu. Siehst du, fuhr der Onkel zwischen seinem eiligen Arbeiten fort, wie sich die Bnumwipfel ineinander weben und die Zweige sich leise in dem Sommerhauche be¬ wegen? Da stehn die Stämme, und das Unterholz wächst an ihnen hinauf. Sieh, wie die Souue durch das Blattgewirr funkelt. Und dort drüben, hinter der dicken Eiche geht es ganz dunkel und dämmerig in den Wald hinein. Aber hier in der Mitte — siehst du, da liegt die Waldwiese, halb im Schatten, halb im Sonnen¬ schein, und über das Gehege weg, zu dem der Pfad hier durch die Wiese führt, siehst du zwischen den Waldkulissen in die duftige Ferne — warte, das müssen wir zart machen — siehst du das Dörfchen ganz im Duft und dahinter den feinen Höhen¬ zug — und siehst du jetzt, wie die Wolken am Himmel vorüberziehn und das Himmels¬ blau bald verdecken, bald durchschauen lassen, und wie sie dnrch die Zweige leuchten? Immer heftiger fuhr die geschäftige Hemd zwischen Palette und Leinwand hin und her. Wie seltsam das war. Fast die ganze weiße Fläche der Leinwand war verschwunden, und ein golddurchglänztes Landschaftsbild that sich vor Waldemars Augen auf. Und wunderbar; es schien zu wachsen und sich auszudehnen. Die Zweige bewegten sich, die Wolken zogen — ja dort drüben vor dem Dorfe, ganz in der Ferne, waren Leute mit Pferden und Wagen. Sie machten Heu, man sah es deutlich, wie sie hartem und aufluden, und ein hochgetürmter Wagen fuhr davon. Das ist doch wundersam, dachte der Professor. Es ist doch nur ein Bild,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/690>, abgerufen am 01.09.2024.