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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Der Professor, Vnkel Zinnober, Rosamunde und Ärmchen

So war es bei ihnen geblieben und heran gewachsen. Der Professor mußte
lachen, wie er daran dachte, was für ein seltsamer wilder Kobold das Kind ge¬
wesen war, und wie es immer in bitterer Feindschaft mit ihm, dem großen Jungen,
gelebt hatte. Sie waren ja wie Bruder und Schwester zusammen erzogen worden.
Aber es war immer ein komischer Gegensah zwischen ihnen gewesen. Er wußte nie
recht, haßte sie ihn, oder hatte sie ihn gern. Und auch als sie schou ein großes
Mädchen und fast erwachsen war, war sie von einer wunderlichen Herbheit gegen
ihn gewesen. Er hatte sie ja wirklich lieb gehabt, wie man eine Schwester lieb
hat, und er war ihr manchesmal zärtlich genaht. Aber dann war sie immer
scheu vor ihm zurückgewichen. Den Eltern gegenüber war sie hingebend und an¬
schmiegend wie eine Tochter, und zwischen ihr und dem wunderlichen polternden
Onkel herrschte ein eigentümliches zartes Verhältnis, obgleich er ihr immer barsch
und oft geradezu feindselig gegenübertrat. Das entsprang, es war dem Professor klar,
aus dem Gefühl, daß er den Freunden eine große Last und Verantwortung auf¬
gebürdet hätte; er wachte mit Argusaugen darüber, daß das Kind seinen Pflege¬
eltern Ehre mache und sich seiner Dankespflicht bewußt sei. Aber worin hatte
Ärmchen den Grund zu ihrem seltsamen Benehmen ihm selbst, dem Pflegebruder
gegenüber? Der Professor schüttelte den Kopf, als er es sich vergegenwärtigte.
Es war doch wohl das Gefühl, daß sie sich als Eindringling betrachtete, wenn
auch niemand ihr Anlaß dazu gab. Er freilich, er hatte ihr ja in seiner super¬
kluger Jungenhaftigkeit tausendmal Anlaß gegeben, in zornige Thränen auszubrechen,
das konnte er sich nicht verbergen; aber Jungen sind nun einmal Flegel, und ein
guter Bruder war er ihr doch immer gewesen.

In, du kluger Professer Waldemar mit deinem zerstörten Ideal; ein guter
Bruder! Aber weißt du deun, was in einem Mädchenherzen vor sich geht, das
einer Schwester gehört, die gar keine Schwester ist? Ich, der deine Geschichte
schreibt, weiß es, aber du weißt es trotz aller Gelehrtheit nicht!

Und dann warst du am Ziel. Du ordnetest an auf dem Bahnhof, was du
dir ausgedacht hattest, und gingst auf die Straße hinaus. Es herrschte schon ein
mattes Dämmern, als du um den Wall gingst, und im Westen schimmerte orange¬
gelbes Licht dnrch die Stämme der Anlagen.

Wenn sie wüßten, daß ich jetzt hier gehe! dachte der Professor. Eilige Leute
überholten ihn oder kennen ihm entgegen. Es war noch alles geschäftig bei den
Weihnachtsbesorgungen. Da fiel ihm eine schlanke Mädchengestalt auf, die mit
elastischem Schritt vor ihm her ging. Ein Hut mit mächtigen Federn saß auf
einem prachtvollen blonden Haarknänel. Das ist ja eine merkwürdige Farbe! dachte
er; die ganze Gestalt war auffallend. Wundervolle Shmmetrie, und diese Be¬
wegungen! Die reine Musik! Wie die Pelzjacke die feine Gestalt umschließt!
Wenn sie doch einmal den Kopf ein wenig --

Da wandte sie ihn, nur ein wenig, aber er erhaschte doch etwas von ihrem Profil.

Donnerwetter, sagte er und drehte sich so rasch zur Seite, daß er beinahe
einen Jungen mit einem Christbaum umgerannt hätte. Donnerwetter, wenn sie
mich gesehen hätte!

Er eilte über den Fahrdamm einem Gäßchen zu, das in die Stadt hinein¬
führte. An der Ecke sah er sich noch einmal vorsichtig um. Drüben ging die schlanke
Gestalt und sah gerade vor sich. Jetzt verlor sie sich zwischen den Menschen. Das
mußte Ärmchen gewesen sein. Aber wie hatte sich das Mädchen herausgemacht.
Die reine Di -- --

Der Professor stolperte verblüfft über diesen unvollendeten Gedanken. Zu dumm!
Ein andrer Dianakopf stand wieder vor ihm. Aber dieses Blond -- und wie sie
den Kopf trug -- --

Da, nur noch um die Ecke, das war die alte wunderliche Straße mit ihren
Biegungen und den hochgiebligeu Häusern. Und hier war die Thür. Er zog an
der Klingel und hörte den schrillen Ton drinnen im Haus, den er so gut kannte.


Der Professor, Vnkel Zinnober, Rosamunde und Ärmchen

So war es bei ihnen geblieben und heran gewachsen. Der Professor mußte
lachen, wie er daran dachte, was für ein seltsamer wilder Kobold das Kind ge¬
wesen war, und wie es immer in bitterer Feindschaft mit ihm, dem großen Jungen,
gelebt hatte. Sie waren ja wie Bruder und Schwester zusammen erzogen worden.
Aber es war immer ein komischer Gegensah zwischen ihnen gewesen. Er wußte nie
recht, haßte sie ihn, oder hatte sie ihn gern. Und auch als sie schou ein großes
Mädchen und fast erwachsen war, war sie von einer wunderlichen Herbheit gegen
ihn gewesen. Er hatte sie ja wirklich lieb gehabt, wie man eine Schwester lieb
hat, und er war ihr manchesmal zärtlich genaht. Aber dann war sie immer
scheu vor ihm zurückgewichen. Den Eltern gegenüber war sie hingebend und an¬
schmiegend wie eine Tochter, und zwischen ihr und dem wunderlichen polternden
Onkel herrschte ein eigentümliches zartes Verhältnis, obgleich er ihr immer barsch
und oft geradezu feindselig gegenübertrat. Das entsprang, es war dem Professor klar,
aus dem Gefühl, daß er den Freunden eine große Last und Verantwortung auf¬
gebürdet hätte; er wachte mit Argusaugen darüber, daß das Kind seinen Pflege¬
eltern Ehre mache und sich seiner Dankespflicht bewußt sei. Aber worin hatte
Ärmchen den Grund zu ihrem seltsamen Benehmen ihm selbst, dem Pflegebruder
gegenüber? Der Professor schüttelte den Kopf, als er es sich vergegenwärtigte.
Es war doch wohl das Gefühl, daß sie sich als Eindringling betrachtete, wenn
auch niemand ihr Anlaß dazu gab. Er freilich, er hatte ihr ja in seiner super¬
kluger Jungenhaftigkeit tausendmal Anlaß gegeben, in zornige Thränen auszubrechen,
das konnte er sich nicht verbergen; aber Jungen sind nun einmal Flegel, und ein
guter Bruder war er ihr doch immer gewesen.

In, du kluger Professer Waldemar mit deinem zerstörten Ideal; ein guter
Bruder! Aber weißt du deun, was in einem Mädchenherzen vor sich geht, das
einer Schwester gehört, die gar keine Schwester ist? Ich, der deine Geschichte
schreibt, weiß es, aber du weißt es trotz aller Gelehrtheit nicht!

Und dann warst du am Ziel. Du ordnetest an auf dem Bahnhof, was du
dir ausgedacht hattest, und gingst auf die Straße hinaus. Es herrschte schon ein
mattes Dämmern, als du um den Wall gingst, und im Westen schimmerte orange¬
gelbes Licht dnrch die Stämme der Anlagen.

Wenn sie wüßten, daß ich jetzt hier gehe! dachte der Professor. Eilige Leute
überholten ihn oder kennen ihm entgegen. Es war noch alles geschäftig bei den
Weihnachtsbesorgungen. Da fiel ihm eine schlanke Mädchengestalt auf, die mit
elastischem Schritt vor ihm her ging. Ein Hut mit mächtigen Federn saß auf
einem prachtvollen blonden Haarknänel. Das ist ja eine merkwürdige Farbe! dachte
er; die ganze Gestalt war auffallend. Wundervolle Shmmetrie, und diese Be¬
wegungen! Die reine Musik! Wie die Pelzjacke die feine Gestalt umschließt!
Wenn sie doch einmal den Kopf ein wenig —

Da wandte sie ihn, nur ein wenig, aber er erhaschte doch etwas von ihrem Profil.

Donnerwetter, sagte er und drehte sich so rasch zur Seite, daß er beinahe
einen Jungen mit einem Christbaum umgerannt hätte. Donnerwetter, wenn sie
mich gesehen hätte!

Er eilte über den Fahrdamm einem Gäßchen zu, das in die Stadt hinein¬
führte. An der Ecke sah er sich noch einmal vorsichtig um. Drüben ging die schlanke
Gestalt und sah gerade vor sich. Jetzt verlor sie sich zwischen den Menschen. Das
mußte Ärmchen gewesen sein. Aber wie hatte sich das Mädchen herausgemacht.
Die reine Di — —

Der Professor stolperte verblüfft über diesen unvollendeten Gedanken. Zu dumm!
Ein andrer Dianakopf stand wieder vor ihm. Aber dieses Blond — und wie sie
den Kopf trug — —

Da, nur noch um die Ecke, das war die alte wunderliche Straße mit ihren
Biegungen und den hochgiebligeu Häusern. Und hier war die Thür. Er zog an
der Klingel und hörte den schrillen Ton drinnen im Haus, den er so gut kannte.


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[0688] Der Professor, Vnkel Zinnober, Rosamunde und Ärmchen So war es bei ihnen geblieben und heran gewachsen. Der Professor mußte lachen, wie er daran dachte, was für ein seltsamer wilder Kobold das Kind ge¬ wesen war, und wie es immer in bitterer Feindschaft mit ihm, dem großen Jungen, gelebt hatte. Sie waren ja wie Bruder und Schwester zusammen erzogen worden. Aber es war immer ein komischer Gegensah zwischen ihnen gewesen. Er wußte nie recht, haßte sie ihn, oder hatte sie ihn gern. Und auch als sie schou ein großes Mädchen und fast erwachsen war, war sie von einer wunderlichen Herbheit gegen ihn gewesen. Er hatte sie ja wirklich lieb gehabt, wie man eine Schwester lieb hat, und er war ihr manchesmal zärtlich genaht. Aber dann war sie immer scheu vor ihm zurückgewichen. Den Eltern gegenüber war sie hingebend und an¬ schmiegend wie eine Tochter, und zwischen ihr und dem wunderlichen polternden Onkel herrschte ein eigentümliches zartes Verhältnis, obgleich er ihr immer barsch und oft geradezu feindselig gegenübertrat. Das entsprang, es war dem Professor klar, aus dem Gefühl, daß er den Freunden eine große Last und Verantwortung auf¬ gebürdet hätte; er wachte mit Argusaugen darüber, daß das Kind seinen Pflege¬ eltern Ehre mache und sich seiner Dankespflicht bewußt sei. Aber worin hatte Ärmchen den Grund zu ihrem seltsamen Benehmen ihm selbst, dem Pflegebruder gegenüber? Der Professor schüttelte den Kopf, als er es sich vergegenwärtigte. Es war doch wohl das Gefühl, daß sie sich als Eindringling betrachtete, wenn auch niemand ihr Anlaß dazu gab. Er freilich, er hatte ihr ja in seiner super¬ kluger Jungenhaftigkeit tausendmal Anlaß gegeben, in zornige Thränen auszubrechen, das konnte er sich nicht verbergen; aber Jungen sind nun einmal Flegel, und ein guter Bruder war er ihr doch immer gewesen. In, du kluger Professer Waldemar mit deinem zerstörten Ideal; ein guter Bruder! Aber weißt du deun, was in einem Mädchenherzen vor sich geht, das einer Schwester gehört, die gar keine Schwester ist? Ich, der deine Geschichte schreibt, weiß es, aber du weißt es trotz aller Gelehrtheit nicht! Und dann warst du am Ziel. Du ordnetest an auf dem Bahnhof, was du dir ausgedacht hattest, und gingst auf die Straße hinaus. Es herrschte schon ein mattes Dämmern, als du um den Wall gingst, und im Westen schimmerte orange¬ gelbes Licht dnrch die Stämme der Anlagen. Wenn sie wüßten, daß ich jetzt hier gehe! dachte der Professor. Eilige Leute überholten ihn oder kennen ihm entgegen. Es war noch alles geschäftig bei den Weihnachtsbesorgungen. Da fiel ihm eine schlanke Mädchengestalt auf, die mit elastischem Schritt vor ihm her ging. Ein Hut mit mächtigen Federn saß auf einem prachtvollen blonden Haarknänel. Das ist ja eine merkwürdige Farbe! dachte er; die ganze Gestalt war auffallend. Wundervolle Shmmetrie, und diese Be¬ wegungen! Die reine Musik! Wie die Pelzjacke die feine Gestalt umschließt! Wenn sie doch einmal den Kopf ein wenig — Da wandte sie ihn, nur ein wenig, aber er erhaschte doch etwas von ihrem Profil. Donnerwetter, sagte er und drehte sich so rasch zur Seite, daß er beinahe einen Jungen mit einem Christbaum umgerannt hätte. Donnerwetter, wenn sie mich gesehen hätte! Er eilte über den Fahrdamm einem Gäßchen zu, das in die Stadt hinein¬ führte. An der Ecke sah er sich noch einmal vorsichtig um. Drüben ging die schlanke Gestalt und sah gerade vor sich. Jetzt verlor sie sich zwischen den Menschen. Das mußte Ärmchen gewesen sein. Aber wie hatte sich das Mädchen herausgemacht. Die reine Di — — Der Professor stolperte verblüfft über diesen unvollendeten Gedanken. Zu dumm! Ein andrer Dianakopf stand wieder vor ihm. Aber dieses Blond — und wie sie den Kopf trug — — Da, nur noch um die Ecke, das war die alte wunderliche Straße mit ihren Biegungen und den hochgiebligeu Häusern. Und hier war die Thür. Er zog an der Klingel und hörte den schrillen Ton drinnen im Haus, den er so gut kannte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/688>, abgerufen am 01.09.2024.