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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Am Fuße des ycadschins

sione" sür unsre nioderne, chinesisch znsanimengeschrumpfte Rllnmempfindnng zu stattlich
waren. Aber man geniöhnte sich much und nach an diese nicht eben behagliche
Übermäßigkeit, und wenn man. um zu Tisch zu gehn oder den Fürsten aufzusuchen,
von dem eignen ovi'ps alö lossi" aus jedesmal eine kleine Reise unternehmen mußte,
empfand man Ludwig XIV. seine Vorliebe für Marly und Trenmor nach. Auch ihm,
dem pomphaftesten und prnchtliebendsten König, war Versailles zu weitläufig.

Leben, lautes, geschäftiges, sich dem Auge und dem Ohre aufdrängeudes
Leben herrschte nur im Stallhofe. Von Stall- und Remisegcbäuden umgeben, die
an der vierten Seite das Reithaus zu einem Biereck abschloß, war er früh und
spät im ganzen Palais der einzige Fleck, von dem der schlafende Geist der Vorzeit
gebannt war. El" hoher offner Thorbogen. Portikus, führte nach dein Haupthöfe
und der Rampe, ein andrer nach den, Park, ein dritter direkt nach der Straße,
während der vierte, nur der Symmetrie halber gebant, die Fassade des Reithauses
schmückte, zu dem der Eingang natürlich an dessen oberm Ende war. Wenn es
nicht für den Fürsten und Angehörige des Hnnsstandes Ein- und Zweispänner,
Jngdzüge. Tandems oder Reitpferde zurecht zu machen gab, so wurden in der
durch deu Triumph Neptuns verherrlichte" Schwemme Wagen gewaschen, oder es
machte sich ein Zug Wagen- und Reitpferde unter der Führung eines Oberberciters
zum Ausreiter fertig, eine Leibesbewegung für Mann und Roß, die noch immer
von dem Stallpersonal als "Promenade" bezeichnet wurde, wie die ihm im Reithaus
oder ans dem Reitplatz davor erteilten Reitstunden mit ängstlicher Festhaltung am
Hergebrachten nach wie vor "Equitativnsstunden" hießen. Darüber soll um auch hier
nicht gespottet werden, denn was um wirklich feiner und vornehmer Reitkunst aus
frühern Jahrhunderten auf uns gerettet worden ist, verdankt Österreich der spanischen
Eciuitationsschule in der Burg und den ihr von den Magnaten des Reichs überall
nachgebildeten ähnlichen Anstalten.

Da im Stallhof die Kutscher und die Reitknechte bei sich zu Hause waren, so
durfte geschrieen, gepfiffen, gesungen, lant gegähnt, zugerufen und geflucht werden,
und jeder that das aus Leibeskräften, wie es ihm gerade zu Sinn war und in
den Mund kam. Auch die Frauen standen und liefen überall mit herum, und den
Kindern -- diese scheinbar alle gleichen Alters und von überraschender Menge --
wurde, wie es im Evangelium heißt, nicht gewehrt, oder doch nur insoweit, als sie
nicht im Wege sein, mit ander" Worten sich nicht überfahren oder überreiten lassen
durften. Ein Blick auf deu bunten, muntern Schwarm genügte, einen, zu erklären,
warum der Stall des Fürsten nie Reitknechte oder Kutscher "suchte": er rekrutierte
sich aus sich selbst, und was er zuviel hatte, gab er an andre ab, die "suchten."

Wenn Graf Viktor da war, so galt er auf dem Stallhofe mehr als der i"
seinem Muschelwagen mit Vieren breit dahiustürmende Meergott. Er war von allen
der beste, sicherste, und was die Schonung des Pferdcmaterials anlangte, der vor¬
sichtigste Nciteri er entschied in oberster Instanz über das, was man die "Meriten"
eines Pferdes nannte, die von ihm mit einem Gaul erreichte Sprunghöhe wurde
als unübersteigliches Maximum angesehen, und was nun ihm an Äußerlichkeiten
nachmachen konnte, Haar- und Bartschnitt, Haltung des Rcitstocks, Auf- und Nieder-
beweguug beim Traben kopierte man unbesehens. Sämtliche Neitbeinkleider wäre",
wenn er es darauf abgesehen hätte, in einer Woche eng und ..... nach einem aller¬
dings etwas längern Zeitraume -- wieder weit geworden. Auch zu einen: Zopfe
würde man sich, wenn er angefangen hätte, einen zu tragen, verstanden habe".
Allerdings wegen der übrigen Prager Ställe langsam und ungern.

Die Dressur Emirs des Apfel- und Abduls des Fliegenschimmels war eine
Zeit lang Tagesgespräch. Auch die Damen und Graf Egon, den man, was das
Reiten anlangte, zu den Damen rechnete, weil er, selbst fromm, am beste" und
frommen Pferden fertig wurde, waren bisweilen mit herübergekommen und hatten
von der ..Loge" aus zugesehen. Araber sind, wenn man eine weiche Hand und ein
vornehmes Gemüt hat, außerordentlich leicht und rasch zu dressieren, was sie nicht


Am Fuße des ycadschins

sione» sür unsre nioderne, chinesisch znsanimengeschrumpfte Rllnmempfindnng zu stattlich
waren. Aber man geniöhnte sich much und nach an diese nicht eben behagliche
Übermäßigkeit, und wenn man. um zu Tisch zu gehn oder den Fürsten aufzusuchen,
von dem eignen ovi'ps alö lossi« aus jedesmal eine kleine Reise unternehmen mußte,
empfand man Ludwig XIV. seine Vorliebe für Marly und Trenmor nach. Auch ihm,
dem pomphaftesten und prnchtliebendsten König, war Versailles zu weitläufig.

Leben, lautes, geschäftiges, sich dem Auge und dem Ohre aufdrängeudes
Leben herrschte nur im Stallhofe. Von Stall- und Remisegcbäuden umgeben, die
an der vierten Seite das Reithaus zu einem Biereck abschloß, war er früh und
spät im ganzen Palais der einzige Fleck, von dem der schlafende Geist der Vorzeit
gebannt war. El» hoher offner Thorbogen. Portikus, führte nach dein Haupthöfe
und der Rampe, ein andrer nach den, Park, ein dritter direkt nach der Straße,
während der vierte, nur der Symmetrie halber gebant, die Fassade des Reithauses
schmückte, zu dem der Eingang natürlich an dessen oberm Ende war. Wenn es
nicht für den Fürsten und Angehörige des Hnnsstandes Ein- und Zweispänner,
Jngdzüge. Tandems oder Reitpferde zurecht zu machen gab, so wurden in der
durch deu Triumph Neptuns verherrlichte» Schwemme Wagen gewaschen, oder es
machte sich ein Zug Wagen- und Reitpferde unter der Führung eines Oberberciters
zum Ausreiter fertig, eine Leibesbewegung für Mann und Roß, die noch immer
von dem Stallpersonal als „Promenade" bezeichnet wurde, wie die ihm im Reithaus
oder ans dem Reitplatz davor erteilten Reitstunden mit ängstlicher Festhaltung am
Hergebrachten nach wie vor „Equitativnsstunden" hießen. Darüber soll um auch hier
nicht gespottet werden, denn was um wirklich feiner und vornehmer Reitkunst aus
frühern Jahrhunderten auf uns gerettet worden ist, verdankt Österreich der spanischen
Eciuitationsschule in der Burg und den ihr von den Magnaten des Reichs überall
nachgebildeten ähnlichen Anstalten.

Da im Stallhof die Kutscher und die Reitknechte bei sich zu Hause waren, so
durfte geschrieen, gepfiffen, gesungen, lant gegähnt, zugerufen und geflucht werden,
und jeder that das aus Leibeskräften, wie es ihm gerade zu Sinn war und in
den Mund kam. Auch die Frauen standen und liefen überall mit herum, und den
Kindern — diese scheinbar alle gleichen Alters und von überraschender Menge —
wurde, wie es im Evangelium heißt, nicht gewehrt, oder doch nur insoweit, als sie
nicht im Wege sein, mit ander» Worten sich nicht überfahren oder überreiten lassen
durften. Ein Blick auf deu bunten, muntern Schwarm genügte, einen, zu erklären,
warum der Stall des Fürsten nie Reitknechte oder Kutscher „suchte": er rekrutierte
sich aus sich selbst, und was er zuviel hatte, gab er an andre ab, die „suchten."

Wenn Graf Viktor da war, so galt er auf dem Stallhofe mehr als der i»
seinem Muschelwagen mit Vieren breit dahiustürmende Meergott. Er war von allen
der beste, sicherste, und was die Schonung des Pferdcmaterials anlangte, der vor¬
sichtigste Nciteri er entschied in oberster Instanz über das, was man die „Meriten"
eines Pferdes nannte, die von ihm mit einem Gaul erreichte Sprunghöhe wurde
als unübersteigliches Maximum angesehen, und was nun ihm an Äußerlichkeiten
nachmachen konnte, Haar- und Bartschnitt, Haltung des Rcitstocks, Auf- und Nieder-
beweguug beim Traben kopierte man unbesehens. Sämtliche Neitbeinkleider wäre»,
wenn er es darauf abgesehen hätte, in einer Woche eng und ..... nach einem aller¬
dings etwas längern Zeitraume — wieder weit geworden. Auch zu einen: Zopfe
würde man sich, wenn er angefangen hätte, einen zu tragen, verstanden habe».
Allerdings wegen der übrigen Prager Ställe langsam und ungern.

Die Dressur Emirs des Apfel- und Abduls des Fliegenschimmels war eine
Zeit lang Tagesgespräch. Auch die Damen und Graf Egon, den man, was das
Reiten anlangte, zu den Damen rechnete, weil er, selbst fromm, am beste» und
frommen Pferden fertig wurde, waren bisweilen mit herübergekommen und hatten
von der ..Loge" aus zugesehen. Araber sind, wenn man eine weiche Hand und ein
vornehmes Gemüt hat, außerordentlich leicht und rasch zu dressieren, was sie nicht


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[0620] Am Fuße des ycadschins sione» sür unsre nioderne, chinesisch znsanimengeschrumpfte Rllnmempfindnng zu stattlich waren. Aber man geniöhnte sich much und nach an diese nicht eben behagliche Übermäßigkeit, und wenn man. um zu Tisch zu gehn oder den Fürsten aufzusuchen, von dem eignen ovi'ps alö lossi« aus jedesmal eine kleine Reise unternehmen mußte, empfand man Ludwig XIV. seine Vorliebe für Marly und Trenmor nach. Auch ihm, dem pomphaftesten und prnchtliebendsten König, war Versailles zu weitläufig. Leben, lautes, geschäftiges, sich dem Auge und dem Ohre aufdrängeudes Leben herrschte nur im Stallhofe. Von Stall- und Remisegcbäuden umgeben, die an der vierten Seite das Reithaus zu einem Biereck abschloß, war er früh und spät im ganzen Palais der einzige Fleck, von dem der schlafende Geist der Vorzeit gebannt war. El» hoher offner Thorbogen. Portikus, führte nach dein Haupthöfe und der Rampe, ein andrer nach den, Park, ein dritter direkt nach der Straße, während der vierte, nur der Symmetrie halber gebant, die Fassade des Reithauses schmückte, zu dem der Eingang natürlich an dessen oberm Ende war. Wenn es nicht für den Fürsten und Angehörige des Hnnsstandes Ein- und Zweispänner, Jngdzüge. Tandems oder Reitpferde zurecht zu machen gab, so wurden in der durch deu Triumph Neptuns verherrlichte» Schwemme Wagen gewaschen, oder es machte sich ein Zug Wagen- und Reitpferde unter der Führung eines Oberberciters zum Ausreiter fertig, eine Leibesbewegung für Mann und Roß, die noch immer von dem Stallpersonal als „Promenade" bezeichnet wurde, wie die ihm im Reithaus oder ans dem Reitplatz davor erteilten Reitstunden mit ängstlicher Festhaltung am Hergebrachten nach wie vor „Equitativnsstunden" hießen. Darüber soll um auch hier nicht gespottet werden, denn was um wirklich feiner und vornehmer Reitkunst aus frühern Jahrhunderten auf uns gerettet worden ist, verdankt Österreich der spanischen Eciuitationsschule in der Burg und den ihr von den Magnaten des Reichs überall nachgebildeten ähnlichen Anstalten. Da im Stallhof die Kutscher und die Reitknechte bei sich zu Hause waren, so durfte geschrieen, gepfiffen, gesungen, lant gegähnt, zugerufen und geflucht werden, und jeder that das aus Leibeskräften, wie es ihm gerade zu Sinn war und in den Mund kam. Auch die Frauen standen und liefen überall mit herum, und den Kindern — diese scheinbar alle gleichen Alters und von überraschender Menge — wurde, wie es im Evangelium heißt, nicht gewehrt, oder doch nur insoweit, als sie nicht im Wege sein, mit ander» Worten sich nicht überfahren oder überreiten lassen durften. Ein Blick auf deu bunten, muntern Schwarm genügte, einen, zu erklären, warum der Stall des Fürsten nie Reitknechte oder Kutscher „suchte": er rekrutierte sich aus sich selbst, und was er zuviel hatte, gab er an andre ab, die „suchten." Wenn Graf Viktor da war, so galt er auf dem Stallhofe mehr als der i» seinem Muschelwagen mit Vieren breit dahiustürmende Meergott. Er war von allen der beste, sicherste, und was die Schonung des Pferdcmaterials anlangte, der vor¬ sichtigste Nciteri er entschied in oberster Instanz über das, was man die „Meriten" eines Pferdes nannte, die von ihm mit einem Gaul erreichte Sprunghöhe wurde als unübersteigliches Maximum angesehen, und was nun ihm an Äußerlichkeiten nachmachen konnte, Haar- und Bartschnitt, Haltung des Rcitstocks, Auf- und Nieder- beweguug beim Traben kopierte man unbesehens. Sämtliche Neitbeinkleider wäre», wenn er es darauf abgesehen hätte, in einer Woche eng und ..... nach einem aller¬ dings etwas längern Zeitraume — wieder weit geworden. Auch zu einen: Zopfe würde man sich, wenn er angefangen hätte, einen zu tragen, verstanden habe». Allerdings wegen der übrigen Prager Ställe langsam und ungern. Die Dressur Emirs des Apfel- und Abduls des Fliegenschimmels war eine Zeit lang Tagesgespräch. Auch die Damen und Graf Egon, den man, was das Reiten anlangte, zu den Damen rechnete, weil er, selbst fromm, am beste» und frommen Pferden fertig wurde, waren bisweilen mit herübergekommen und hatten von der ..Loge" aus zugesehen. Araber sind, wenn man eine weiche Hand und ein vornehmes Gemüt hat, außerordentlich leicht und rasch zu dressieren, was sie nicht

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/620>, abgerufen am 01.09.2024.