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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Am Fuße des Hradschins

Prälaten und geistlichen Herren einer Vermählung der Komtesse Paula mit dem
Grafen Egon Libkvwitz das Wort. Ans diesen, der ein "guter Katholik" und in
etwas entfernter": Grade auch ein Neffe des Fürsten war, konnte man rechnen.
Wenn es nach des Himmels Gnade und unter behutsamer menschlicher Nachhilfe zu
einem "nach allen Richtungen hin befriedigenden Bunde" zwischen diesem und
Komtesse Paula kam, so konnte der Fürst ruhig sterben, nachdem er diesen: frommen,
kirchlich gesinnten und pricstcrfreundlichen Paare den Teil seines Besitzes vermacht
hatte, über den ihm freie Verfügung zustand. Mit diesen beiden lief, glaubte man,
die Kirche keine Gefahr, zu kurz zu kommen. Wenn aber der Fürst vorzog, statt
des Grafen Egon, den er nicht recht mochte, Komtesse Paula seiue Güter und sein
sonstiges Vermögen zu hinterlassen, und diese junge Dame, statt sich zu vermählen,
in eins der aristokratischen Klöster eintrat, die dem hohen österreichischen Adel als
Herbarien für seinen überschüssigen Töchterreichtnm dienen, so war es um so besser.
Die tote Hand war schon ausgestreckt, um alles, was durch Zureden und geistlichen
Druck zu erlangen war, ohne Sang und Klang, wie es sich für eine tote Hand
ziemt, "in Form Rechtens" an sich zu nehmen und zu dein übrigen zu legen. Dem
ohnehin so vermögenden und durch seinen ausgebreiteten Landbesitz so einflußreichen
Damenstift am Fuße des Berges wäre dieser gewaltige Zuwachs an Kapitalien und
Ländereien gerade jetzt, wo einem die Unterstützung der pauslawistischen Bestrebungen
so "furchtbare" Unkosten verursachte, doppelt erwünscht gewesen.

Freilich wußte man, daß man die Katze ans mehr als einem Gründe noch
nicht im Sack hatte. Denn obwohl der Kaplan in rein geistlichen Dingen nicht
ohne Einfluß auf den Fürsten war, so hatte sich dieser in weltlichen Angelegen¬
heiten eine "bedauerliche" Selbständigkeit zu wahren gewußt. Es würde, dnvou
hatte man sich leider überzeugen müssen, schwer halten, ihn zur Einsetzung des
Grafen Egon als Erben zu bewegen. Er zog diesem seinen Neffen Viktor bei
weitem vor, und -- das Schlimmste bei dem ohnehin etwas unsicher" Handel -- Kom¬
tesse Paula, der man dabei eine Hauptrolle zugedacht hatte, war trotz der be¬
ruhigenden Versicherungen, die ihre Mutter über ihre Botmäßigkeit und gute kirch¬
liche Gesinnung abzugeben nicht müde wurde, dem Kaplan gegenüber sehr zurück¬
haltend, wenn dieser das Gespräch ans den von ihm befürworteten Freier zu bringen
suchte. Ja Pater Aloysius konnte sichs nicht verhehlen, er hatte den peinlichen
Eindruck, daß die junge Dame an dem anwesenden, ihr so warm empfohlenen
Vetter weniger Anteil nahm als um dem abwesenden, über dessen Richtung und
Gesinnungen sie immer nur schlimmes zu hören bekam.

Es galt deshalb für den Pater und dessen Bundesgenossen beiderlei Geschlechts,
sehr auf ihrer Hut zu sein. Und das um so mehr, da man sich sagen mußte,
daß man es in Prag mit allerhand Einflüssen zu thun haben werde, die man hier
ans dem Lande, in Vysveän von dem Fürsten hatte fern halten können, während
das in der Landeshauptstadt, wo er während des Landtags der Kontrolle seines
Beichtvaters weit mehr entzogen war, nicht möglich sein würde.

Der alte Fürst, über dessen italienische Abstammung der Familienname keinen
Zweifel ließ, war zwar, was den täglichen Besuch der Messe, das Innehalten der
Fast- und Abstinenztage und die sonstige Beobachtung der vorgeschriebnen kirch¬
lichen Gebräuche anlangte, ein gewissenhafter Katholik, aber im Punkte der wünschens¬
werten Begeisterung für die alles beherrschende und allein seligmachende Kirche er¬
schien er dem Kaplan zu lau. Auch für die Autonomie der zur böhmischen Krone
gehörigen Länder sowie für die spezifisch tschechisch-slawischen Interessen über¬
haupt fehlte ihm die wahre Wärme, das Herz. Er hatte zu lauge in Wien gelebt
und den das Kaiserhaus nächstumgebeuden Kreisen zu ausschließlich angehört, als
daß er in politischer Beziehung ein andres Ziel und Ideal hätte haben können
als das einer allseitig anerkannten, möglichst unumschränkten Autorität seines kaiser¬
lichen Herren und des Gedeihens der habsburgischen Gesamtmonarchie. Mißachtung
der tschechischen Nationalität im großen und ganzen konnte man ihm nicht vor-


Am Fuße des Hradschins

Prälaten und geistlichen Herren einer Vermählung der Komtesse Paula mit dem
Grafen Egon Libkvwitz das Wort. Ans diesen, der ein „guter Katholik" und in
etwas entfernter«: Grade auch ein Neffe des Fürsten war, konnte man rechnen.
Wenn es nach des Himmels Gnade und unter behutsamer menschlicher Nachhilfe zu
einem „nach allen Richtungen hin befriedigenden Bunde" zwischen diesem und
Komtesse Paula kam, so konnte der Fürst ruhig sterben, nachdem er diesen: frommen,
kirchlich gesinnten und pricstcrfreundlichen Paare den Teil seines Besitzes vermacht
hatte, über den ihm freie Verfügung zustand. Mit diesen beiden lief, glaubte man,
die Kirche keine Gefahr, zu kurz zu kommen. Wenn aber der Fürst vorzog, statt
des Grafen Egon, den er nicht recht mochte, Komtesse Paula seiue Güter und sein
sonstiges Vermögen zu hinterlassen, und diese junge Dame, statt sich zu vermählen,
in eins der aristokratischen Klöster eintrat, die dem hohen österreichischen Adel als
Herbarien für seinen überschüssigen Töchterreichtnm dienen, so war es um so besser.
Die tote Hand war schon ausgestreckt, um alles, was durch Zureden und geistlichen
Druck zu erlangen war, ohne Sang und Klang, wie es sich für eine tote Hand
ziemt, „in Form Rechtens" an sich zu nehmen und zu dein übrigen zu legen. Dem
ohnehin so vermögenden und durch seinen ausgebreiteten Landbesitz so einflußreichen
Damenstift am Fuße des Berges wäre dieser gewaltige Zuwachs an Kapitalien und
Ländereien gerade jetzt, wo einem die Unterstützung der pauslawistischen Bestrebungen
so „furchtbare" Unkosten verursachte, doppelt erwünscht gewesen.

Freilich wußte man, daß man die Katze ans mehr als einem Gründe noch
nicht im Sack hatte. Denn obwohl der Kaplan in rein geistlichen Dingen nicht
ohne Einfluß auf den Fürsten war, so hatte sich dieser in weltlichen Angelegen¬
heiten eine „bedauerliche" Selbständigkeit zu wahren gewußt. Es würde, dnvou
hatte man sich leider überzeugen müssen, schwer halten, ihn zur Einsetzung des
Grafen Egon als Erben zu bewegen. Er zog diesem seinen Neffen Viktor bei
weitem vor, und — das Schlimmste bei dem ohnehin etwas unsicher» Handel — Kom¬
tesse Paula, der man dabei eine Hauptrolle zugedacht hatte, war trotz der be¬
ruhigenden Versicherungen, die ihre Mutter über ihre Botmäßigkeit und gute kirch¬
liche Gesinnung abzugeben nicht müde wurde, dem Kaplan gegenüber sehr zurück¬
haltend, wenn dieser das Gespräch ans den von ihm befürworteten Freier zu bringen
suchte. Ja Pater Aloysius konnte sichs nicht verhehlen, er hatte den peinlichen
Eindruck, daß die junge Dame an dem anwesenden, ihr so warm empfohlenen
Vetter weniger Anteil nahm als um dem abwesenden, über dessen Richtung und
Gesinnungen sie immer nur schlimmes zu hören bekam.

Es galt deshalb für den Pater und dessen Bundesgenossen beiderlei Geschlechts,
sehr auf ihrer Hut zu sein. Und das um so mehr, da man sich sagen mußte,
daß man es in Prag mit allerhand Einflüssen zu thun haben werde, die man hier
ans dem Lande, in Vysveän von dem Fürsten hatte fern halten können, während
das in der Landeshauptstadt, wo er während des Landtags der Kontrolle seines
Beichtvaters weit mehr entzogen war, nicht möglich sein würde.

Der alte Fürst, über dessen italienische Abstammung der Familienname keinen
Zweifel ließ, war zwar, was den täglichen Besuch der Messe, das Innehalten der
Fast- und Abstinenztage und die sonstige Beobachtung der vorgeschriebnen kirch¬
lichen Gebräuche anlangte, ein gewissenhafter Katholik, aber im Punkte der wünschens¬
werten Begeisterung für die alles beherrschende und allein seligmachende Kirche er¬
schien er dem Kaplan zu lau. Auch für die Autonomie der zur böhmischen Krone
gehörigen Länder sowie für die spezifisch tschechisch-slawischen Interessen über¬
haupt fehlte ihm die wahre Wärme, das Herz. Er hatte zu lauge in Wien gelebt
und den das Kaiserhaus nächstumgebeuden Kreisen zu ausschließlich angehört, als
daß er in politischer Beziehung ein andres Ziel und Ideal hätte haben können
als das einer allseitig anerkannten, möglichst unumschränkten Autorität seines kaiser¬
lichen Herren und des Gedeihens der habsburgischen Gesamtmonarchie. Mißachtung
der tschechischen Nationalität im großen und ganzen konnte man ihm nicht vor-


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[0502] Am Fuße des Hradschins Prälaten und geistlichen Herren einer Vermählung der Komtesse Paula mit dem Grafen Egon Libkvwitz das Wort. Ans diesen, der ein „guter Katholik" und in etwas entfernter«: Grade auch ein Neffe des Fürsten war, konnte man rechnen. Wenn es nach des Himmels Gnade und unter behutsamer menschlicher Nachhilfe zu einem „nach allen Richtungen hin befriedigenden Bunde" zwischen diesem und Komtesse Paula kam, so konnte der Fürst ruhig sterben, nachdem er diesen: frommen, kirchlich gesinnten und pricstcrfreundlichen Paare den Teil seines Besitzes vermacht hatte, über den ihm freie Verfügung zustand. Mit diesen beiden lief, glaubte man, die Kirche keine Gefahr, zu kurz zu kommen. Wenn aber der Fürst vorzog, statt des Grafen Egon, den er nicht recht mochte, Komtesse Paula seiue Güter und sein sonstiges Vermögen zu hinterlassen, und diese junge Dame, statt sich zu vermählen, in eins der aristokratischen Klöster eintrat, die dem hohen österreichischen Adel als Herbarien für seinen überschüssigen Töchterreichtnm dienen, so war es um so besser. Die tote Hand war schon ausgestreckt, um alles, was durch Zureden und geistlichen Druck zu erlangen war, ohne Sang und Klang, wie es sich für eine tote Hand ziemt, „in Form Rechtens" an sich zu nehmen und zu dein übrigen zu legen. Dem ohnehin so vermögenden und durch seinen ausgebreiteten Landbesitz so einflußreichen Damenstift am Fuße des Berges wäre dieser gewaltige Zuwachs an Kapitalien und Ländereien gerade jetzt, wo einem die Unterstützung der pauslawistischen Bestrebungen so „furchtbare" Unkosten verursachte, doppelt erwünscht gewesen. Freilich wußte man, daß man die Katze ans mehr als einem Gründe noch nicht im Sack hatte. Denn obwohl der Kaplan in rein geistlichen Dingen nicht ohne Einfluß auf den Fürsten war, so hatte sich dieser in weltlichen Angelegen¬ heiten eine „bedauerliche" Selbständigkeit zu wahren gewußt. Es würde, dnvou hatte man sich leider überzeugen müssen, schwer halten, ihn zur Einsetzung des Grafen Egon als Erben zu bewegen. Er zog diesem seinen Neffen Viktor bei weitem vor, und — das Schlimmste bei dem ohnehin etwas unsicher» Handel — Kom¬ tesse Paula, der man dabei eine Hauptrolle zugedacht hatte, war trotz der be¬ ruhigenden Versicherungen, die ihre Mutter über ihre Botmäßigkeit und gute kirch¬ liche Gesinnung abzugeben nicht müde wurde, dem Kaplan gegenüber sehr zurück¬ haltend, wenn dieser das Gespräch ans den von ihm befürworteten Freier zu bringen suchte. Ja Pater Aloysius konnte sichs nicht verhehlen, er hatte den peinlichen Eindruck, daß die junge Dame an dem anwesenden, ihr so warm empfohlenen Vetter weniger Anteil nahm als um dem abwesenden, über dessen Richtung und Gesinnungen sie immer nur schlimmes zu hören bekam. Es galt deshalb für den Pater und dessen Bundesgenossen beiderlei Geschlechts, sehr auf ihrer Hut zu sein. Und das um so mehr, da man sich sagen mußte, daß man es in Prag mit allerhand Einflüssen zu thun haben werde, die man hier ans dem Lande, in Vysveän von dem Fürsten hatte fern halten können, während das in der Landeshauptstadt, wo er während des Landtags der Kontrolle seines Beichtvaters weit mehr entzogen war, nicht möglich sein würde. Der alte Fürst, über dessen italienische Abstammung der Familienname keinen Zweifel ließ, war zwar, was den täglichen Besuch der Messe, das Innehalten der Fast- und Abstinenztage und die sonstige Beobachtung der vorgeschriebnen kirch¬ lichen Gebräuche anlangte, ein gewissenhafter Katholik, aber im Punkte der wünschens¬ werten Begeisterung für die alles beherrschende und allein seligmachende Kirche er¬ schien er dem Kaplan zu lau. Auch für die Autonomie der zur böhmischen Krone gehörigen Länder sowie für die spezifisch tschechisch-slawischen Interessen über¬ haupt fehlte ihm die wahre Wärme, das Herz. Er hatte zu lauge in Wien gelebt und den das Kaiserhaus nächstumgebeuden Kreisen zu ausschließlich angehört, als daß er in politischer Beziehung ein andres Ziel und Ideal hätte haben können als das einer allseitig anerkannten, möglichst unumschränkten Autorität seines kaiser¬ lichen Herren und des Gedeihens der habsburgischen Gesamtmonarchie. Mißachtung der tschechischen Nationalität im großen und ganzen konnte man ihm nicht vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/502>, abgerufen am 01.09.2024.