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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Der Frankfurter Warenhandel von ^750 bis ^866

der Stärke des Personals; hierher würden die Buchbinder, die Hutmacher und
die Posamentierer zu rechnen sein.

Gehn wir nunmehr zu einer Betrachtung der Krämer über, so wird uns
folgendes Bild entgegentreten. Auch die Thätigkeit der Krümer war durch
gesetzliche Bestimmungen beschränkt. So war ihr Arbeitsgebiet gegen die Hand¬
werker abgegrenzt: nur bestimmte Industrieartikel, die schon oben erwähnt
worden sind, waren ihnen freigegeben; von den Nahrungsmitteln war ihnen
der Verkauf von Fleisch, der natürlich den Metzgern zufiel, untersagt. Dagegen
stand ihnen das weite Feld der vegetabilischen Nahrungsmittel, sowie der
Handel mit Wildbret, Geflügel usw. offen. Aber auch innerhalb des Standes
gab es trennende Gesetze. Das ganze Gebiet war in Branchen eingeteilt, und
bei der Bewerbung um die Konzession für einen Detailhandel, die das Nechnnngs-
und Nentenamt erteilte, hatte man die Branchen, die man führen wollte,
namhaft zu machen. Ein Hinausgehn über die einmal gezogne Grenze und
ein Hinübergreifen in andre Branchen war nicht erlaubt. Das Recht zum
Detailhandel hatte jeder Frankfurter Bürger und jede Bürgerswitwe; in Aus¬
nahmefällen erhielten auch Beisassen die.Konzession. Eine besondre kaufmännische
Vorbildung wurde nicht verlangt. Auch beim Vorhandensein nur ganz geringer
Barmittel wurde die Erlaubnis von der Behörde erteilt. Diesen Verhältnissen
entspricht auch der allgemeine Zustand des Gewerbes. Es nährte, kann man
sagen, in auskömmlicher Weise seinen Mann. Bei dem notorischen Wohlstande
der Stadt und der absichtlich zurückgehaltenen Konkurrenz fanden die vor-
handnen Geschäfte ihren Verdienst, Dagegen war aber auch jede größere
Spekulation und jedes bedeutendere Risiko ausgeschlossen. Der Kapitalismus
stand mit andern Worten dem Detailhandel noch ganz fern. Große Waren¬
häuser mit einer Unzahl von Artikeln, die teilweise dem Verderben oder dem
Wechsel der Mode ausgesetzt find, und die also ein größeres Risiko mit sich
bringen, gab es noch nicht.


b) Die Handelsleute und der Adel

Diese größere und umfangreichere Thätigkeit finden wir nur beim Handels¬
mann. Gerade die Stellung und die Aufgaben des Handelsmannes haben
aber in unsrer Periode die merkwürdigsten Wandlungen erfahren. Zunächst
muß man feststellen, daß sich die Mitglieder dieses Standes und zumal die
führenden Personen aus lauter neuen Familien zusammensetzen. Franzosen,
Vlamen nud Holländer (zumeist Hugenotten) sowie Italiener ließen sich in der
Stadt nieder und begannen ihre Geschäfte meistenteils mit dem Bertrich ihrer
heimischen Industrie- und Landesprodukte. Dagegen hielt sich der eingeborne
Frankfurter Stndtadel dem Warengeschäft fast völlig fern und widmete sich
nur der städtischen Regierung, sowie der Verwaltung des eignen, hauptsächlich
in städtischem und ländlichem Grundbesitz angelegten Vermögens. Die Thätigkeit
der Handelsleute erstreckte sich hauptsächlich auf das sogenannte Grossogeschaft,
das erst zu Ende unsrer Periode durch das Geschäft des Großsortimenters
ersetzt wurde. Aber auch das Grossogeschäft hat die mannigfachsten Wandlungen
erfahren. Anfangs ließen die Geschäftsinhaber dnrch ihre Söhne oder An


Der Frankfurter Warenhandel von ^750 bis ^866

der Stärke des Personals; hierher würden die Buchbinder, die Hutmacher und
die Posamentierer zu rechnen sein.

Gehn wir nunmehr zu einer Betrachtung der Krämer über, so wird uns
folgendes Bild entgegentreten. Auch die Thätigkeit der Krümer war durch
gesetzliche Bestimmungen beschränkt. So war ihr Arbeitsgebiet gegen die Hand¬
werker abgegrenzt: nur bestimmte Industrieartikel, die schon oben erwähnt
worden sind, waren ihnen freigegeben; von den Nahrungsmitteln war ihnen
der Verkauf von Fleisch, der natürlich den Metzgern zufiel, untersagt. Dagegen
stand ihnen das weite Feld der vegetabilischen Nahrungsmittel, sowie der
Handel mit Wildbret, Geflügel usw. offen. Aber auch innerhalb des Standes
gab es trennende Gesetze. Das ganze Gebiet war in Branchen eingeteilt, und
bei der Bewerbung um die Konzession für einen Detailhandel, die das Nechnnngs-
und Nentenamt erteilte, hatte man die Branchen, die man führen wollte,
namhaft zu machen. Ein Hinausgehn über die einmal gezogne Grenze und
ein Hinübergreifen in andre Branchen war nicht erlaubt. Das Recht zum
Detailhandel hatte jeder Frankfurter Bürger und jede Bürgerswitwe; in Aus¬
nahmefällen erhielten auch Beisassen die.Konzession. Eine besondre kaufmännische
Vorbildung wurde nicht verlangt. Auch beim Vorhandensein nur ganz geringer
Barmittel wurde die Erlaubnis von der Behörde erteilt. Diesen Verhältnissen
entspricht auch der allgemeine Zustand des Gewerbes. Es nährte, kann man
sagen, in auskömmlicher Weise seinen Mann. Bei dem notorischen Wohlstande
der Stadt und der absichtlich zurückgehaltenen Konkurrenz fanden die vor-
handnen Geschäfte ihren Verdienst, Dagegen war aber auch jede größere
Spekulation und jedes bedeutendere Risiko ausgeschlossen. Der Kapitalismus
stand mit andern Worten dem Detailhandel noch ganz fern. Große Waren¬
häuser mit einer Unzahl von Artikeln, die teilweise dem Verderben oder dem
Wechsel der Mode ausgesetzt find, und die also ein größeres Risiko mit sich
bringen, gab es noch nicht.


b) Die Handelsleute und der Adel

Diese größere und umfangreichere Thätigkeit finden wir nur beim Handels¬
mann. Gerade die Stellung und die Aufgaben des Handelsmannes haben
aber in unsrer Periode die merkwürdigsten Wandlungen erfahren. Zunächst
muß man feststellen, daß sich die Mitglieder dieses Standes und zumal die
führenden Personen aus lauter neuen Familien zusammensetzen. Franzosen,
Vlamen nud Holländer (zumeist Hugenotten) sowie Italiener ließen sich in der
Stadt nieder und begannen ihre Geschäfte meistenteils mit dem Bertrich ihrer
heimischen Industrie- und Landesprodukte. Dagegen hielt sich der eingeborne
Frankfurter Stndtadel dem Warengeschäft fast völlig fern und widmete sich
nur der städtischen Regierung, sowie der Verwaltung des eignen, hauptsächlich
in städtischem und ländlichem Grundbesitz angelegten Vermögens. Die Thätigkeit
der Handelsleute erstreckte sich hauptsächlich auf das sogenannte Grossogeschaft,
das erst zu Ende unsrer Periode durch das Geschäft des Großsortimenters
ersetzt wurde. Aber auch das Grossogeschäft hat die mannigfachsten Wandlungen
erfahren. Anfangs ließen die Geschäftsinhaber dnrch ihre Söhne oder An


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[0474] Der Frankfurter Warenhandel von ^750 bis ^866 der Stärke des Personals; hierher würden die Buchbinder, die Hutmacher und die Posamentierer zu rechnen sein. Gehn wir nunmehr zu einer Betrachtung der Krämer über, so wird uns folgendes Bild entgegentreten. Auch die Thätigkeit der Krümer war durch gesetzliche Bestimmungen beschränkt. So war ihr Arbeitsgebiet gegen die Hand¬ werker abgegrenzt: nur bestimmte Industrieartikel, die schon oben erwähnt worden sind, waren ihnen freigegeben; von den Nahrungsmitteln war ihnen der Verkauf von Fleisch, der natürlich den Metzgern zufiel, untersagt. Dagegen stand ihnen das weite Feld der vegetabilischen Nahrungsmittel, sowie der Handel mit Wildbret, Geflügel usw. offen. Aber auch innerhalb des Standes gab es trennende Gesetze. Das ganze Gebiet war in Branchen eingeteilt, und bei der Bewerbung um die Konzession für einen Detailhandel, die das Nechnnngs- und Nentenamt erteilte, hatte man die Branchen, die man führen wollte, namhaft zu machen. Ein Hinausgehn über die einmal gezogne Grenze und ein Hinübergreifen in andre Branchen war nicht erlaubt. Das Recht zum Detailhandel hatte jeder Frankfurter Bürger und jede Bürgerswitwe; in Aus¬ nahmefällen erhielten auch Beisassen die.Konzession. Eine besondre kaufmännische Vorbildung wurde nicht verlangt. Auch beim Vorhandensein nur ganz geringer Barmittel wurde die Erlaubnis von der Behörde erteilt. Diesen Verhältnissen entspricht auch der allgemeine Zustand des Gewerbes. Es nährte, kann man sagen, in auskömmlicher Weise seinen Mann. Bei dem notorischen Wohlstande der Stadt und der absichtlich zurückgehaltenen Konkurrenz fanden die vor- handnen Geschäfte ihren Verdienst, Dagegen war aber auch jede größere Spekulation und jedes bedeutendere Risiko ausgeschlossen. Der Kapitalismus stand mit andern Worten dem Detailhandel noch ganz fern. Große Waren¬ häuser mit einer Unzahl von Artikeln, die teilweise dem Verderben oder dem Wechsel der Mode ausgesetzt find, und die also ein größeres Risiko mit sich bringen, gab es noch nicht. b) Die Handelsleute und der Adel Diese größere und umfangreichere Thätigkeit finden wir nur beim Handels¬ mann. Gerade die Stellung und die Aufgaben des Handelsmannes haben aber in unsrer Periode die merkwürdigsten Wandlungen erfahren. Zunächst muß man feststellen, daß sich die Mitglieder dieses Standes und zumal die führenden Personen aus lauter neuen Familien zusammensetzen. Franzosen, Vlamen nud Holländer (zumeist Hugenotten) sowie Italiener ließen sich in der Stadt nieder und begannen ihre Geschäfte meistenteils mit dem Bertrich ihrer heimischen Industrie- und Landesprodukte. Dagegen hielt sich der eingeborne Frankfurter Stndtadel dem Warengeschäft fast völlig fern und widmete sich nur der städtischen Regierung, sowie der Verwaltung des eignen, hauptsächlich in städtischem und ländlichem Grundbesitz angelegten Vermögens. Die Thätigkeit der Handelsleute erstreckte sich hauptsächlich auf das sogenannte Grossogeschaft, das erst zu Ende unsrer Periode durch das Geschäft des Großsortimenters ersetzt wurde. Aber auch das Grossogeschäft hat die mannigfachsten Wandlungen erfahren. Anfangs ließen die Geschäftsinhaber dnrch ihre Söhne oder An

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/474>, abgerufen am 01.09.2024.