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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Der Frankfurter !varenhandel von ^750 bis 1(366

die Landtage, die Regierungen der Einzelstaaten." Aber mit Recht verlangt
Wagner doch auch, daß die "eignen" Neichseinnahmen für die -- auch beständig
wachsenden -- Finanzbedürfuisse, die uicht durch Schuldaufnahmen gedeckt werden
dürfen, ausreichten, und dazu seien auch direkte Reichssteucru (Einkommen-,
Vermögens-, Erbschaftssteuer) sehr wohl in Betracht zu ziehn. Wenn man
jedoch "in außerordentlichen Fällen" auf die Erhebung der Matrikularbeiträge
zurückgreifen müßte, so würde die Regelung der direkten Landessteuern durch
das Reich auch dafür erst den richtigen Nepartitionsmaßstab statt des rohen gegen¬
wärtigen nach der Kopfzahl geben: "Man würde uach der in der Einkommen-
nnd Vermögenssteuer sich kundgebenden Leistungsfähigkeit die Summen der
Matrikularbeiträge jedes Einzclstaats bestimmen und sie dann innerhalb des¬
selben nach der Veranlagung zu diesen Steuern auf die einzelnen Zensiten
umlegen."

Max von Seydel erkennt die Befugnis des Reichs, für seine Zwecke sowohl
indirekte wie "direkte" Steuern aufzuerlegen an. Er hält aber die Frage, ob
direkte Neichssteuern einzuführen seien, "rechtlich und wirtschaftlich" für nicht
unbedenklich. Die Erhebung direkter Neichssteuern enthalte einen "bedeutenden
Eingriff in die innere Verwaltung und insbesondre in den Haushalt der Bundes-
staaten." Auf diesem Wege könne in "mittelbarer" Weise das ganze Steuer¬
system des Staats vom Reiche "beeinflußt" werden, und eS setze eigentlich
eine direkte Reichssteuer -- wenn sie eine bedeutende sei und nicht wirtschaftlich
nachteilige Folgen erzengen solle -- eine gleichmäßige Ordnung des Steuer¬
systems in alleu Bundesstaaten voraus. Eine solche "mittelbare Beeinflussung"
der Steuerverfassung der Einzelstaaten kann doch nach dein von Seydel selbst
zngegebnen Sinne der Verfassung "rechtlich" nicht bedenklich sein. Es wird
sich immer nur fragen, ob sie wirtschaftlich zweckmäßig ist. Und daß sie das
wenigstens sein "kann," wird Seydel kann" leugnen. Von einem Recht des
Reichs, gesetzgeberisch in das Landesstenerrecht einzugreifen, ist nirgends die
Rede. Mit dieser ganzen Ausführung ist Seidel entschieden im Unrecht. Sie
kann eigentlich nur politisch erklärt werden, und dann wäre ihr Sinn aus¬
gesprochen partikularistisch.




Der Frankfurter Warenhandel von bis ^866
G. Gerland von
l> Die Verkehrsmittel

-le moderne Handelsgeschichte lehrt uns vor allem eins: wie un¬
gemein rasch sich einschneidende Änderungen vollziehen, und ore
!oft sich in wenig Jahren die Grundbedingungen eines ganzen
Handelszweiges radikal verändern können. Es mag sein, daß
!uns die ältern Zeiten, weil wir sie aus größerer Ferne betrachten,
nicht mehr ein so genaues Bild gewähren und deshalb den Eindruck größerer
Stabilität in allen Lebensverhältnissen hervorbringen; aber Thatsache bleibt


Der Frankfurter !varenhandel von ^750 bis 1(366

die Landtage, die Regierungen der Einzelstaaten." Aber mit Recht verlangt
Wagner doch auch, daß die „eignen" Neichseinnahmen für die — auch beständig
wachsenden — Finanzbedürfuisse, die uicht durch Schuldaufnahmen gedeckt werden
dürfen, ausreichten, und dazu seien auch direkte Reichssteucru (Einkommen-,
Vermögens-, Erbschaftssteuer) sehr wohl in Betracht zu ziehn. Wenn man
jedoch „in außerordentlichen Fällen" auf die Erhebung der Matrikularbeiträge
zurückgreifen müßte, so würde die Regelung der direkten Landessteuern durch
das Reich auch dafür erst den richtigen Nepartitionsmaßstab statt des rohen gegen¬
wärtigen nach der Kopfzahl geben: „Man würde uach der in der Einkommen-
nnd Vermögenssteuer sich kundgebenden Leistungsfähigkeit die Summen der
Matrikularbeiträge jedes Einzclstaats bestimmen und sie dann innerhalb des¬
selben nach der Veranlagung zu diesen Steuern auf die einzelnen Zensiten
umlegen."

Max von Seydel erkennt die Befugnis des Reichs, für seine Zwecke sowohl
indirekte wie „direkte" Steuern aufzuerlegen an. Er hält aber die Frage, ob
direkte Neichssteuern einzuführen seien, „rechtlich und wirtschaftlich" für nicht
unbedenklich. Die Erhebung direkter Neichssteuern enthalte einen „bedeutenden
Eingriff in die innere Verwaltung und insbesondre in den Haushalt der Bundes-
staaten." Auf diesem Wege könne in „mittelbarer" Weise das ganze Steuer¬
system des Staats vom Reiche „beeinflußt" werden, und eS setze eigentlich
eine direkte Reichssteuer — wenn sie eine bedeutende sei und nicht wirtschaftlich
nachteilige Folgen erzengen solle — eine gleichmäßige Ordnung des Steuer¬
systems in alleu Bundesstaaten voraus. Eine solche „mittelbare Beeinflussung"
der Steuerverfassung der Einzelstaaten kann doch nach dein von Seydel selbst
zngegebnen Sinne der Verfassung „rechtlich" nicht bedenklich sein. Es wird
sich immer nur fragen, ob sie wirtschaftlich zweckmäßig ist. Und daß sie das
wenigstens sein „kann," wird Seydel kann» leugnen. Von einem Recht des
Reichs, gesetzgeberisch in das Landesstenerrecht einzugreifen, ist nirgends die
Rede. Mit dieser ganzen Ausführung ist Seidel entschieden im Unrecht. Sie
kann eigentlich nur politisch erklärt werden, und dann wäre ihr Sinn aus¬
gesprochen partikularistisch.




Der Frankfurter Warenhandel von bis ^866
G. Gerland von
l> Die Verkehrsmittel

-le moderne Handelsgeschichte lehrt uns vor allem eins: wie un¬
gemein rasch sich einschneidende Änderungen vollziehen, und ore
!oft sich in wenig Jahren die Grundbedingungen eines ganzen
Handelszweiges radikal verändern können. Es mag sein, daß
!uns die ältern Zeiten, weil wir sie aus größerer Ferne betrachten,
nicht mehr ein so genaues Bild gewähren und deshalb den Eindruck größerer
Stabilität in allen Lebensverhältnissen hervorbringen; aber Thatsache bleibt


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[0470] Der Frankfurter !varenhandel von ^750 bis 1(366 die Landtage, die Regierungen der Einzelstaaten." Aber mit Recht verlangt Wagner doch auch, daß die „eignen" Neichseinnahmen für die — auch beständig wachsenden — Finanzbedürfuisse, die uicht durch Schuldaufnahmen gedeckt werden dürfen, ausreichten, und dazu seien auch direkte Reichssteucru (Einkommen-, Vermögens-, Erbschaftssteuer) sehr wohl in Betracht zu ziehn. Wenn man jedoch „in außerordentlichen Fällen" auf die Erhebung der Matrikularbeiträge zurückgreifen müßte, so würde die Regelung der direkten Landessteuern durch das Reich auch dafür erst den richtigen Nepartitionsmaßstab statt des rohen gegen¬ wärtigen nach der Kopfzahl geben: „Man würde uach der in der Einkommen- nnd Vermögenssteuer sich kundgebenden Leistungsfähigkeit die Summen der Matrikularbeiträge jedes Einzclstaats bestimmen und sie dann innerhalb des¬ selben nach der Veranlagung zu diesen Steuern auf die einzelnen Zensiten umlegen." Max von Seydel erkennt die Befugnis des Reichs, für seine Zwecke sowohl indirekte wie „direkte" Steuern aufzuerlegen an. Er hält aber die Frage, ob direkte Neichssteuern einzuführen seien, „rechtlich und wirtschaftlich" für nicht unbedenklich. Die Erhebung direkter Neichssteuern enthalte einen „bedeutenden Eingriff in die innere Verwaltung und insbesondre in den Haushalt der Bundes- staaten." Auf diesem Wege könne in „mittelbarer" Weise das ganze Steuer¬ system des Staats vom Reiche „beeinflußt" werden, und eS setze eigentlich eine direkte Reichssteuer — wenn sie eine bedeutende sei und nicht wirtschaftlich nachteilige Folgen erzengen solle — eine gleichmäßige Ordnung des Steuer¬ systems in alleu Bundesstaaten voraus. Eine solche „mittelbare Beeinflussung" der Steuerverfassung der Einzelstaaten kann doch nach dein von Seydel selbst zngegebnen Sinne der Verfassung „rechtlich" nicht bedenklich sein. Es wird sich immer nur fragen, ob sie wirtschaftlich zweckmäßig ist. Und daß sie das wenigstens sein „kann," wird Seydel kann» leugnen. Von einem Recht des Reichs, gesetzgeberisch in das Landesstenerrecht einzugreifen, ist nirgends die Rede. Mit dieser ganzen Ausführung ist Seidel entschieden im Unrecht. Sie kann eigentlich nur politisch erklärt werden, und dann wäre ihr Sinn aus¬ gesprochen partikularistisch. Der Frankfurter Warenhandel von bis ^866 G. Gerland von l> Die Verkehrsmittel -le moderne Handelsgeschichte lehrt uns vor allem eins: wie un¬ gemein rasch sich einschneidende Änderungen vollziehen, und ore !oft sich in wenig Jahren die Grundbedingungen eines ganzen Handelszweiges radikal verändern können. Es mag sein, daß !uns die ältern Zeiten, weil wir sie aus größerer Ferne betrachten, nicht mehr ein so genaues Bild gewähren und deshalb den Eindruck größerer Stabilität in allen Lebensverhältnissen hervorbringen; aber Thatsache bleibt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/470>, abgerufen am 01.09.2024.