Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.Die Beamtenfrage in der Provinz Posen für die Fortbildung von Beamtenkindern in unsrer Provinz der für Osfiziers- Der Herr Verfasser sagt ferner sehr richtig: "Je zuverlässiger die Herren Die Beamtenfrage in der Provinz Posen für die Fortbildung von Beamtenkindern in unsrer Provinz der für Osfiziers- Der Herr Verfasser sagt ferner sehr richtig: „Je zuverlässiger die Herren <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239138"/> <fw type="header" place="top"> Die Beamtenfrage in der Provinz Posen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1752" prev="#ID_1751"> für die Fortbildung von Beamtenkindern in unsrer Provinz der für Osfiziers-<lb/> söhne in den Kadettenhäusern entsprechen. Was dem einen Stande recht ist,<lb/> ist andern Ständen billig. Von Schulpforta heißt es, daß die dort gebildeten<lb/> und erzognen spätern Beamten zu den tüchtigsten des preußischen Staates ge¬<lb/> hören. Wohlan, man schaffe sich für die Provinz Posen eine ähnliche Möglich¬<lb/> keit, tüchtige Beamten, die ans guten Beamtenfamilien stammen, heranzuziehn.<lb/> Dies würde das „zahlreiche, tüchtige, sozial und sittlich musterhafte und der<lb/> Regierung und der deutschen Sache zuverlässig ergebne Beamtenpersonal"<lb/> liefern, das, wie der Herr Verfasser in Ur. 31 treffend sagt, „gefunden und<lb/> geschaffen werden muß"; „das wird viel Geld kosten, aber es muß sein!"<lb/> Die über die Provinz Posen so zahlreich wie nirgends ausgestreuten Gym¬<lb/> nasien haben bis jetzt nur dem Polentum Nutzen gebracht; für das in den<lb/> kleinen Gymnasialstädtchen vorhandne „Deutschtum," bestehend aus fünf bis<lb/> zehn Beamtenfamilien — dein Landrat, drei bis vier Richtern, Sekretären, Post-,<lb/> Steuerbeamten usw., von denen ein Teil, wie leider die meisten Gymnasial¬<lb/> lehrer der Provinz, unverheiratet ist —, genügt zunächst ein „Untergymnasium"<lb/> vollständig, und für die durch Aufhebung der Klassen von Tertin bis Prima<lb/> gemachten Ersparnisse richte man in geeigneten, hauptsächlich deutschen Stüdteu<lb/> Konvikte ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1753" next="#ID_1754"> Der Herr Verfasser sagt ferner sehr richtig: „Je zuverlässiger die Herren<lb/> — Beamten, Lehrer usw. — siud, um so schwieriger und unangenehmer ist<lb/> ihre Lage. Gute Gehalte, gute Wohnungen, Ausstattung der ganzen äußern<lb/> Lage mit reichlichen Vorzügen aller Art sind natürlich nötig. Je dichter sie<lb/> im Polnischen sitzen werden, um so erträglicher werdeu sie leben, um so zu¬<lb/> verlässiger werden sie bleiben trotz der Versuchungen, die stündlich von polnischer<lb/> Seite an sie herantreten. Man sorge für ihre Geselligkeit untereinander" usw.<lb/> Ein höherer, aus Westfalen nach Posen gekommner Beamter kennzeichnete mir<lb/> gegenüber vor etwa zwanzig Jahren, als ich erst kurze Zeit in der Provinz<lb/> war, sehr treffend die Verhältnisse mit den Worten: „Im Posenschen herrscht<lb/> Gesellschnftlichkeit, aber keine deutsche Geselligkeit." Ich habe in den zwei<lb/> Jahrzehnten oft an diesen Ausspruch denken müssen, wenn ich an den ver¬<lb/> schiednen Orte», wo ich mit meiner Familie von „Amts wegen" lebte, die so¬<lb/> genannten „Abfütterungen" mitmachte, und ich habe gefunden, daß er heute<lb/> noch ebenso richtig ist wie damals. Fand man sich zu einer oder einer audern<lb/> Familie nach mehrfachen, Zusammentreffen sympathisch hingezogen, und begann<lb/> allmählich ein gemütlicher, ungezwungen geselliger Verkehr — ohne Karten¬<lb/> dreschen bis nach Mitternacht! —, so wurde er plötzlich durch die Versetzung<lb/> eines Mitgliedes beendet. Etwa aller fünf Jahre wechselte in den kleinern<lb/> Orten fast das ganze Beamtentum; eiuen passenden Umgang für die Kinder<lb/> zu finden, Jugendfreundschaften zu schließen, war unmöglich, die neuen An¬<lb/> kömmlinge hatten entweder noch keine oder viel zu kleine Kinder. Von den<lb/> polnischen Kindern mußte man die seinen fernhalten, da sie teils meist ans<lb/> den untergeordnetsten Verhältnissen stammten, teils auch viel zu alt aufs Gym¬<lb/> nasium kamen; zwölf- bis vierzehnjährige in Sexta, achtzehn- bis neunzehn¬<lb/> jährige in Tertia waren die Regel, ein günstiger Einfluß von so alten, mit allen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0350]
Die Beamtenfrage in der Provinz Posen
für die Fortbildung von Beamtenkindern in unsrer Provinz der für Osfiziers-
söhne in den Kadettenhäusern entsprechen. Was dem einen Stande recht ist,
ist andern Ständen billig. Von Schulpforta heißt es, daß die dort gebildeten
und erzognen spätern Beamten zu den tüchtigsten des preußischen Staates ge¬
hören. Wohlan, man schaffe sich für die Provinz Posen eine ähnliche Möglich¬
keit, tüchtige Beamten, die ans guten Beamtenfamilien stammen, heranzuziehn.
Dies würde das „zahlreiche, tüchtige, sozial und sittlich musterhafte und der
Regierung und der deutschen Sache zuverlässig ergebne Beamtenpersonal"
liefern, das, wie der Herr Verfasser in Ur. 31 treffend sagt, „gefunden und
geschaffen werden muß"; „das wird viel Geld kosten, aber es muß sein!"
Die über die Provinz Posen so zahlreich wie nirgends ausgestreuten Gym¬
nasien haben bis jetzt nur dem Polentum Nutzen gebracht; für das in den
kleinen Gymnasialstädtchen vorhandne „Deutschtum," bestehend aus fünf bis
zehn Beamtenfamilien — dein Landrat, drei bis vier Richtern, Sekretären, Post-,
Steuerbeamten usw., von denen ein Teil, wie leider die meisten Gymnasial¬
lehrer der Provinz, unverheiratet ist —, genügt zunächst ein „Untergymnasium"
vollständig, und für die durch Aufhebung der Klassen von Tertin bis Prima
gemachten Ersparnisse richte man in geeigneten, hauptsächlich deutschen Stüdteu
Konvikte ein.
Der Herr Verfasser sagt ferner sehr richtig: „Je zuverlässiger die Herren
— Beamten, Lehrer usw. — siud, um so schwieriger und unangenehmer ist
ihre Lage. Gute Gehalte, gute Wohnungen, Ausstattung der ganzen äußern
Lage mit reichlichen Vorzügen aller Art sind natürlich nötig. Je dichter sie
im Polnischen sitzen werden, um so erträglicher werdeu sie leben, um so zu¬
verlässiger werden sie bleiben trotz der Versuchungen, die stündlich von polnischer
Seite an sie herantreten. Man sorge für ihre Geselligkeit untereinander" usw.
Ein höherer, aus Westfalen nach Posen gekommner Beamter kennzeichnete mir
gegenüber vor etwa zwanzig Jahren, als ich erst kurze Zeit in der Provinz
war, sehr treffend die Verhältnisse mit den Worten: „Im Posenschen herrscht
Gesellschnftlichkeit, aber keine deutsche Geselligkeit." Ich habe in den zwei
Jahrzehnten oft an diesen Ausspruch denken müssen, wenn ich an den ver¬
schiednen Orte», wo ich mit meiner Familie von „Amts wegen" lebte, die so¬
genannten „Abfütterungen" mitmachte, und ich habe gefunden, daß er heute
noch ebenso richtig ist wie damals. Fand man sich zu einer oder einer audern
Familie nach mehrfachen, Zusammentreffen sympathisch hingezogen, und begann
allmählich ein gemütlicher, ungezwungen geselliger Verkehr — ohne Karten¬
dreschen bis nach Mitternacht! —, so wurde er plötzlich durch die Versetzung
eines Mitgliedes beendet. Etwa aller fünf Jahre wechselte in den kleinern
Orten fast das ganze Beamtentum; eiuen passenden Umgang für die Kinder
zu finden, Jugendfreundschaften zu schließen, war unmöglich, die neuen An¬
kömmlinge hatten entweder noch keine oder viel zu kleine Kinder. Von den
polnischen Kindern mußte man die seinen fernhalten, da sie teils meist ans
den untergeordnetsten Verhältnissen stammten, teils auch viel zu alt aufs Gym¬
nasium kamen; zwölf- bis vierzehnjährige in Sexta, achtzehn- bis neunzehn¬
jährige in Tertia waren die Regel, ein günstiger Einfluß von so alten, mit allen
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