Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.Musikalische Zeitfragen und eine so wichtige Position wie Tanger dürfe nicht in Frankreichs Hände Unser Einfluß ans die Gestaltung der Dinge in Marokko ist jetzt sehr Noch heute gilt das Wort William Pitts: "Ohne Englands Erlaubnis Musikalische Zeitfragen Hermann Uretzschmar von 9. Die Musik als freie Aunst le zahlreichen Angriffe, denen die Künste von Sokrates bis auf Musikalische Zeitfragen und eine so wichtige Position wie Tanger dürfe nicht in Frankreichs Hände Unser Einfluß ans die Gestaltung der Dinge in Marokko ist jetzt sehr Noch heute gilt das Wort William Pitts: „Ohne Englands Erlaubnis Musikalische Zeitfragen Hermann Uretzschmar von 9. Die Musik als freie Aunst le zahlreichen Angriffe, denen die Künste von Sokrates bis auf <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0313" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239101"/> <fw type="header" place="top"> Musikalische Zeitfragen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1492" prev="#ID_1491"> und eine so wichtige Position wie Tanger dürfe nicht in Frankreichs Hände<lb/> übergehn, wenn nicht große Nachteile für Deutschland hervorgerufen werden<lb/> sollten. Die Tägliche Rundschau sagt etwas dunkel, das Reich würde sich auch<lb/> durch die neue (französisch-spanische) Allianz an der Durchführung seiner marok¬<lb/> kanischen Politik nicht irre machen lassen; damit kann doch nur die friedliche<lb/> Handelspolitik gemeint sein, in der uus, beiläufig bemerkt, neuerdings besonders<lb/> Österreich erfolgreich zu verdrängen beginnt. Die deutschen Handelsinteressen<lb/> liegen aber da, wo die leidlichsten marokkanischen Häfen sind, nämlich an der<lb/> Westküste, außerhalb des Mittelmeers. Diese Häfen sind durch das französisch-<lb/> spanische Bündnis nicht bedroht, vorläufig wenigstens nicht; denn vorläufig<lb/> fragt es sich noch sehr, ob überhaupt England dulden würde, daß sich die<lb/> Franzosen in Tanger festsetzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1493"> Unser Einfluß ans die Gestaltung der Dinge in Marokko ist jetzt sehr<lb/> gering, während er offenbar sofort gewichtiger würde, wenn die beiden mächtigsten<lb/> Nebenbuhler vor den marokkanischen Küsten, Frankreich und England, ungefähr<lb/> im Gleichgewichte zu einander stünden. So lange aber England die un¬<lb/> eingeschränkte Vormacht im Mittelmeer behält, so lange bleibt ganz sicher auch<lb/> Deutschlands Einfluß in Marokko sehr gering. Rafft sich jetzt Frankreich<lb/> im Bunde mit Spanien wirklich nach langem Schlafe zu thatkräftiger See-<lb/> Politik im Mittelmeer auf, dann wird es auch Deutschlands Interessen an der<lb/> atlantischen Küste Marokkos zu nahten verstehn und sich unsre wertvolle Freund¬<lb/> schaft zu erhalten suchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1494"> Noch heute gilt das Wort William Pitts: „Ohne Englands Erlaubnis<lb/> darf auf dem Meere keine Kanone abgefeuert werden"; jede seepolitische Macht¬<lb/> verschiebung, die die Wahrheit dieses Sprüchleins in Zweifel setzt, ist ein<lb/> Gewinn für die nichtenglische Welt. Deshalb braucht ein Bündnis zwischen<lb/> Frankreich und Spanien Deutschland keine Sorge zu bereiten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Musikalische Zeitfragen<lb/><note type="byline"> Hermann Uretzschmar</note> von </head><lb/> <div n="2"> <head> 9. Die Musik als freie Aunst</head><lb/> <p xml:id="ID_1495"> le zahlreichen Angriffe, denen die Künste von Sokrates bis auf<lb/> Rousseau immer wieder ausgesetzt waren, haben im Grunde nur<lb/> der freien, von Kultur und Leben losgelösten, selbstherrlichen<lb/> Kunst gegolten. Das Beispiel von D. F. Strauß ist nicht der<lb/> einzige Beweis dafür, daß auch unsre Zeit wieder stark geneigt<lb/> ^se, von der freien Kunst zu viel zu erwarten. Weder dem Gebildeten, noch dem<lb/> ^»gebildeten, niemand kann sie den Glauben ersetzen, und sogar das unbestreit¬<lb/> bare Maß veredelnder, befreiender, erhebender Macht, das sie hat, hängt davon ab,<lb/> daß sich die Seele zur rechten Zeit und an der rechten Stelle an sie wendet.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0313]
Musikalische Zeitfragen
und eine so wichtige Position wie Tanger dürfe nicht in Frankreichs Hände
übergehn, wenn nicht große Nachteile für Deutschland hervorgerufen werden
sollten. Die Tägliche Rundschau sagt etwas dunkel, das Reich würde sich auch
durch die neue (französisch-spanische) Allianz an der Durchführung seiner marok¬
kanischen Politik nicht irre machen lassen; damit kann doch nur die friedliche
Handelspolitik gemeint sein, in der uus, beiläufig bemerkt, neuerdings besonders
Österreich erfolgreich zu verdrängen beginnt. Die deutschen Handelsinteressen
liegen aber da, wo die leidlichsten marokkanischen Häfen sind, nämlich an der
Westküste, außerhalb des Mittelmeers. Diese Häfen sind durch das französisch-
spanische Bündnis nicht bedroht, vorläufig wenigstens nicht; denn vorläufig
fragt es sich noch sehr, ob überhaupt England dulden würde, daß sich die
Franzosen in Tanger festsetzen.
Unser Einfluß ans die Gestaltung der Dinge in Marokko ist jetzt sehr
gering, während er offenbar sofort gewichtiger würde, wenn die beiden mächtigsten
Nebenbuhler vor den marokkanischen Küsten, Frankreich und England, ungefähr
im Gleichgewichte zu einander stünden. So lange aber England die un¬
eingeschränkte Vormacht im Mittelmeer behält, so lange bleibt ganz sicher auch
Deutschlands Einfluß in Marokko sehr gering. Rafft sich jetzt Frankreich
im Bunde mit Spanien wirklich nach langem Schlafe zu thatkräftiger See-
Politik im Mittelmeer auf, dann wird es auch Deutschlands Interessen an der
atlantischen Küste Marokkos zu nahten verstehn und sich unsre wertvolle Freund¬
schaft zu erhalten suchen.
Noch heute gilt das Wort William Pitts: „Ohne Englands Erlaubnis
darf auf dem Meere keine Kanone abgefeuert werden"; jede seepolitische Macht¬
verschiebung, die die Wahrheit dieses Sprüchleins in Zweifel setzt, ist ein
Gewinn für die nichtenglische Welt. Deshalb braucht ein Bündnis zwischen
Frankreich und Spanien Deutschland keine Sorge zu bereiten.
Musikalische Zeitfragen
Hermann Uretzschmar von
9. Die Musik als freie Aunst
le zahlreichen Angriffe, denen die Künste von Sokrates bis auf
Rousseau immer wieder ausgesetzt waren, haben im Grunde nur
der freien, von Kultur und Leben losgelösten, selbstherrlichen
Kunst gegolten. Das Beispiel von D. F. Strauß ist nicht der
einzige Beweis dafür, daß auch unsre Zeit wieder stark geneigt
^se, von der freien Kunst zu viel zu erwarten. Weder dem Gebildeten, noch dem
^»gebildeten, niemand kann sie den Glauben ersetzen, und sogar das unbestreit¬
bare Maß veredelnder, befreiender, erhebender Macht, das sie hat, hängt davon ab,
daß sich die Seele zur rechten Zeit und an der rechten Stelle an sie wendet.
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