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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Homer und Mycene

dieser Länder zu verdanken ist, (Die ungeheuerliche Ansicht Gobineaus, daß
die künstlerische Begabung, wo sie vorkommt, aus beigemischtem Negerblut
stammen soll, erwähnt Ridgewah nicht.) Aber diese Verfeinerung der Sinne
bringt unvermeidlich die Neigung zur Sinnlichkeit und die Gefahr der Aus¬
artung des Charakters ins Weibische mit sich. In das Gebiet dieser fried¬
lichen, fleißigen und fröhlich genießenden Mittelmeerrasse sind nach 1400 vor
Christo die nordischen Eroberer eingedrungen, die Männer von Hesiods eisernem
Zeitalter, die Homer Achäer nennt. Die Völkerwelle, die damals den Süden
überflutet hat, ist ja nur eine von den unzähligen, die vorangegangen und
nachgefolgt sind. Die andern beiden Halbinseln wurden nicht weniger ost
heimgesucht als die Bnlkanhalbinsel, und die Römer selbst sind nichts
andres gewesen als ein Schwarm der "Gallier," von denen sie später be¬
droht wurden.

Kelten werden von den Alten alle weißbärtigen Nordländer mit lichtem
Haar und lichten Augen genannt. Wir unterscheiden heut von den eigent¬
lichen Kelten, die ruudschädlig und von untersetzter Statur waren, breite Ge¬
sichter und dicke Nasen hatten, die Germanen oder Teutonen, die sich durch
Langschädel, hohen Wuchs, lange schmale Gesichter und dünne Adlernasen aus¬
zeichneten, und deren Heimat Skandinavien war. Die Alpen waren meist von
eigentlichen .Kelten bewohnt. Aber alle diese Völker waren in beständiger un¬
ruhiger Bewegung und entsandten unaufhörlich Schwärme nach Süden und
Osten -- bis nach Indien hin. Der Weg, auf dem die Achäer nach Griechen¬
land kamen, war die große Heerstraße, die an der nordöstlichen Bucht des
Adriatischen Meeres vorbei südostwärts führt; durch Epirus sind die Ein¬
wandrer zuerst nach Thessalien gekommen. Sie haben, gleich allen? spätern
südwärts gewanderter Nordländern, Weiber der unterworfnen Ureinwohner
geheiratet und durch Vermischung und unter dem Einflüsse des Klimas ihre
anatomischen und Charaktereigenschaften eingebüßt, sind verschwunden, ohne
andre Spuren zu hinterlassen als die in den homerischen Gedichten und in
einigen andern Schriftwerken aufbewahrten. In kühlern gebirgigen Gegenden,
wie in Makedonien, haben sie sich etwas länger und besser gehalten. Die
Vermischung ging um so leichter von statten, als sie eine der pelasgischen
ähnliche Sprache redeten. Das ist nicht zu verwundern, da sie mit der Mittel¬
meerbevölkerung eines Stammes waren. Die Wiege der europäischen Mensch¬
heit kann natürlich nicht im arktischen Eise gestanden haben, sondern muß in
der Nähe der heißen Zone gesucht werdeu. Von dort ans sind Westasien und
Europa bevölkert worden, an den Mittelmeerküsten hat sich der dunkle Typus
befestigt, im Norden ist unter der Einwirkung des Klimas der helle entstanden,
der jetzt arisch genannt zu werden pflegt, und ist dann den nach dem Süden
zurückgewanderter Ariern wieder verloren gegangen.

Die Achäer haben die mediterrane Bevölkerung einiger Landschaften in
Thessalien, Hellas und dem Peloponnes unterjocht und die einheimischen
Fmsteugeschlechtcr verdrängt. Die in reichem Metallschmuck (Gold, Silber,
Bronze, dazu Bernstein und Elfenbein wird erwähnt; auch Stahl, was nicht
auffallen kann, da ja die Künstler der pelasgischen Bevölkerung das von den


Homer und Mycene

dieser Länder zu verdanken ist, (Die ungeheuerliche Ansicht Gobineaus, daß
die künstlerische Begabung, wo sie vorkommt, aus beigemischtem Negerblut
stammen soll, erwähnt Ridgewah nicht.) Aber diese Verfeinerung der Sinne
bringt unvermeidlich die Neigung zur Sinnlichkeit und die Gefahr der Aus¬
artung des Charakters ins Weibische mit sich. In das Gebiet dieser fried¬
lichen, fleißigen und fröhlich genießenden Mittelmeerrasse sind nach 1400 vor
Christo die nordischen Eroberer eingedrungen, die Männer von Hesiods eisernem
Zeitalter, die Homer Achäer nennt. Die Völkerwelle, die damals den Süden
überflutet hat, ist ja nur eine von den unzähligen, die vorangegangen und
nachgefolgt sind. Die andern beiden Halbinseln wurden nicht weniger ost
heimgesucht als die Bnlkanhalbinsel, und die Römer selbst sind nichts
andres gewesen als ein Schwarm der „Gallier," von denen sie später be¬
droht wurden.

Kelten werden von den Alten alle weißbärtigen Nordländer mit lichtem
Haar und lichten Augen genannt. Wir unterscheiden heut von den eigent¬
lichen Kelten, die ruudschädlig und von untersetzter Statur waren, breite Ge¬
sichter und dicke Nasen hatten, die Germanen oder Teutonen, die sich durch
Langschädel, hohen Wuchs, lange schmale Gesichter und dünne Adlernasen aus¬
zeichneten, und deren Heimat Skandinavien war. Die Alpen waren meist von
eigentlichen .Kelten bewohnt. Aber alle diese Völker waren in beständiger un¬
ruhiger Bewegung und entsandten unaufhörlich Schwärme nach Süden und
Osten — bis nach Indien hin. Der Weg, auf dem die Achäer nach Griechen¬
land kamen, war die große Heerstraße, die an der nordöstlichen Bucht des
Adriatischen Meeres vorbei südostwärts führt; durch Epirus sind die Ein¬
wandrer zuerst nach Thessalien gekommen. Sie haben, gleich allen? spätern
südwärts gewanderter Nordländern, Weiber der unterworfnen Ureinwohner
geheiratet und durch Vermischung und unter dem Einflüsse des Klimas ihre
anatomischen und Charaktereigenschaften eingebüßt, sind verschwunden, ohne
andre Spuren zu hinterlassen als die in den homerischen Gedichten und in
einigen andern Schriftwerken aufbewahrten. In kühlern gebirgigen Gegenden,
wie in Makedonien, haben sie sich etwas länger und besser gehalten. Die
Vermischung ging um so leichter von statten, als sie eine der pelasgischen
ähnliche Sprache redeten. Das ist nicht zu verwundern, da sie mit der Mittel¬
meerbevölkerung eines Stammes waren. Die Wiege der europäischen Mensch¬
heit kann natürlich nicht im arktischen Eise gestanden haben, sondern muß in
der Nähe der heißen Zone gesucht werdeu. Von dort ans sind Westasien und
Europa bevölkert worden, an den Mittelmeerküsten hat sich der dunkle Typus
befestigt, im Norden ist unter der Einwirkung des Klimas der helle entstanden,
der jetzt arisch genannt zu werden pflegt, und ist dann den nach dem Süden
zurückgewanderter Ariern wieder verloren gegangen.

Die Achäer haben die mediterrane Bevölkerung einiger Landschaften in
Thessalien, Hellas und dem Peloponnes unterjocht und die einheimischen
Fmsteugeschlechtcr verdrängt. Die in reichem Metallschmuck (Gold, Silber,
Bronze, dazu Bernstein und Elfenbein wird erwähnt; auch Stahl, was nicht
auffallen kann, da ja die Künstler der pelasgischen Bevölkerung das von den


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[0031] Homer und Mycene dieser Länder zu verdanken ist, (Die ungeheuerliche Ansicht Gobineaus, daß die künstlerische Begabung, wo sie vorkommt, aus beigemischtem Negerblut stammen soll, erwähnt Ridgewah nicht.) Aber diese Verfeinerung der Sinne bringt unvermeidlich die Neigung zur Sinnlichkeit und die Gefahr der Aus¬ artung des Charakters ins Weibische mit sich. In das Gebiet dieser fried¬ lichen, fleißigen und fröhlich genießenden Mittelmeerrasse sind nach 1400 vor Christo die nordischen Eroberer eingedrungen, die Männer von Hesiods eisernem Zeitalter, die Homer Achäer nennt. Die Völkerwelle, die damals den Süden überflutet hat, ist ja nur eine von den unzähligen, die vorangegangen und nachgefolgt sind. Die andern beiden Halbinseln wurden nicht weniger ost heimgesucht als die Bnlkanhalbinsel, und die Römer selbst sind nichts andres gewesen als ein Schwarm der „Gallier," von denen sie später be¬ droht wurden. Kelten werden von den Alten alle weißbärtigen Nordländer mit lichtem Haar und lichten Augen genannt. Wir unterscheiden heut von den eigent¬ lichen Kelten, die ruudschädlig und von untersetzter Statur waren, breite Ge¬ sichter und dicke Nasen hatten, die Germanen oder Teutonen, die sich durch Langschädel, hohen Wuchs, lange schmale Gesichter und dünne Adlernasen aus¬ zeichneten, und deren Heimat Skandinavien war. Die Alpen waren meist von eigentlichen .Kelten bewohnt. Aber alle diese Völker waren in beständiger un¬ ruhiger Bewegung und entsandten unaufhörlich Schwärme nach Süden und Osten — bis nach Indien hin. Der Weg, auf dem die Achäer nach Griechen¬ land kamen, war die große Heerstraße, die an der nordöstlichen Bucht des Adriatischen Meeres vorbei südostwärts führt; durch Epirus sind die Ein¬ wandrer zuerst nach Thessalien gekommen. Sie haben, gleich allen? spätern südwärts gewanderter Nordländern, Weiber der unterworfnen Ureinwohner geheiratet und durch Vermischung und unter dem Einflüsse des Klimas ihre anatomischen und Charaktereigenschaften eingebüßt, sind verschwunden, ohne andre Spuren zu hinterlassen als die in den homerischen Gedichten und in einigen andern Schriftwerken aufbewahrten. In kühlern gebirgigen Gegenden, wie in Makedonien, haben sie sich etwas länger und besser gehalten. Die Vermischung ging um so leichter von statten, als sie eine der pelasgischen ähnliche Sprache redeten. Das ist nicht zu verwundern, da sie mit der Mittel¬ meerbevölkerung eines Stammes waren. Die Wiege der europäischen Mensch¬ heit kann natürlich nicht im arktischen Eise gestanden haben, sondern muß in der Nähe der heißen Zone gesucht werdeu. Von dort ans sind Westasien und Europa bevölkert worden, an den Mittelmeerküsten hat sich der dunkle Typus befestigt, im Norden ist unter der Einwirkung des Klimas der helle entstanden, der jetzt arisch genannt zu werden pflegt, und ist dann den nach dem Süden zurückgewanderter Ariern wieder verloren gegangen. Die Achäer haben die mediterrane Bevölkerung einiger Landschaften in Thessalien, Hellas und dem Peloponnes unterjocht und die einheimischen Fmsteugeschlechtcr verdrängt. Die in reichem Metallschmuck (Gold, Silber, Bronze, dazu Bernstein und Elfenbein wird erwähnt; auch Stahl, was nicht auffallen kann, da ja die Künstler der pelasgischen Bevölkerung das von den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/31>, abgerufen am 01.09.2024.