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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Behauptung, die der Augenschein so sehr widerlegt, daß es weiterer Nachweise
dafür nicht bedarf.

Die Behauptung unter 4 kann auch nur für gewisse Spekulntionsbauten
als berechtigt anerkannt werden. Es ist richtig, daß wucherische Spekulanten un¬
solide Leute als ihre Bauunternehmer wählen, die dann mit wenig geschickten oder
unzuverlässige" Gehilfen den Bau billig und schlecht ausführen. Dieses Verfahren
wird wesentlich dadurch unterstützt, daß die Revision der Baupläne und die Kontrolle
der Bauausführung dnrch die Baupolizeibeamten immer strenger geworden ist. So
unwahrscheinlich das klingt, ist es doch zutreffend. Der Bauherr ist durch die bau¬
polizeiliche Kontrolle der Pläne und der Ausführung gegenüber der Behörde voll¬
kommen gedeckt, er kann sein Ziel, aus dem Unternehmer das Möglichste zu er¬
presse" -- wir wollen nicht sagen mit Seelenruhe -- aber doch mit vollkommner
Sicherheit verfolgen. Seine Wahl des unfähigen oder unzuverlässigen Unternehmers
bringt es mit sich, daß die von der Polizei als sicher bescheinigten Konstruktionen
von ungeschickten oder lässigen Arbeitern mangelhaft ausgeführt, und daß schlechte
Baumaterialien verwandt werden, nicht selten gegen besseres Wissen des Unter¬
nehmers, aber unter dem Druck der ihm bewilligten Preise. Kommt dann ein
Unfall auf der Baustelle vor, dann sühlt sich der Bauherr ohne jede Verschuldung
-- er ist ja nicht Sachverständiger --, aber wegen des Geldverlustes, der ihn
dabei trifft, ist er entrüstet über die mangelhafte Kontrolle der Polizei; er ruft
nach ihrer Verschärfung, und das große Publikum, gewöhnt die Behörden für alle
Unfälle verantwortlich zu machen, ruft mit. Wollte die Behörde aber erreichen,
daß alle Arbeiten regelrecht ausgeführt und schlechte Materialien nicht verwandt
würden, so müßte sie jeden Bau uuter ständige polizeiliche Bauleitung stellen, weil
sie sonst den betreffenden Beamten nicht für vorgekommne Fehler verantwortlich
machen könnte. Das hieße den Teufel mit Beelzebub austreiben, denn unsre Be¬
hörden folgen schon jetzt dem Rufe nach baupolizeilicher Kontrolle viel weiter, als
im Interesse der Allgemeinheit erwünscht ist.

Wer die verschiednen Bauordnungen mit sachverständigen Blick durchsieht, wird
nicht selten finden, daß darin die bau- und die feuerpolizeilichen Rücksichten den
Bau kleiner Wohnhäuser mit kostspieligen Ausführungen belasten, die in ihrem ganzen
Umfange nur für so große Mietkasernen begründet sind, wie die Verordnung sie
noch eben zuläßt. Es ist schon ein großer, Wohl unvermeidlicher Mißstand, daß
die Behörde in ihrer Verordnung Konstruktionen, die nur bei besonders sach¬
verständiger und zuverlässiger Ausführung sicher sind, nicht zulassen darf, weil sie
nicht unter allen Umständen ans eine solche und die Verwendung bester Materialien
rechnen kann. Die Baupolizei tritt deshalb der Einführung von Verbesserungen
in der Konstruktion und im Material entgegen und erstickt die Entwicklung des
Baugewerbes in dieser Richtung. Darum soll mau sich hüten, noch nach weiterer
Verschärfung der polizeilichen Kontrolle der Bauten zu rufen, sie würde schädlich
sein, während man von der Einführung der Meisterprüfung nur sagen kann, daß
sie nichts nützen würde. Es ist eben nicht der Mangel an Kenntnissen und Hand¬
fertigkeit, der das Überwuchern der Pfuscharbeit im Baugewerbe hervorruft, sondern
Gewinnsucht, Unzuverlässigkeit und Leichtsinn. Daß Personen, die von diesen Eigen¬
schaften beherrscht werden oder ihnen zugänglich sind, ebenso gut eine Meisterprüfuug
besteh" können, wie zuverlässige, vertrauenswürdige Personen, wird niemand in Ab¬
rede stellen.

Ma" sollte deshalb von der Einführung des Befähigungsnachweises im Bau¬
gewerbe ebensowohl absehen, wie von der Verschärfung der baupolizeilichen Kontrolle,
und bei Unfällen den Strafrichter seines Amtes walten lassen. Freilich schreckt Z 330
des Strafgesetzbuchs den Pfuscher nicht genügend zurück, denn es ist schwer und
umständlich, ihn vor dem nicht sachverständigen Richter so zu überführen, daß er
verurteilt werden kann. Dafür wäre ein kurzes Verfahren vor einem Gericht mit
Fr. Lange sachverständigen Schöffe" notwendig.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Behauptung, die der Augenschein so sehr widerlegt, daß es weiterer Nachweise
dafür nicht bedarf.

Die Behauptung unter 4 kann auch nur für gewisse Spekulntionsbauten
als berechtigt anerkannt werden. Es ist richtig, daß wucherische Spekulanten un¬
solide Leute als ihre Bauunternehmer wählen, die dann mit wenig geschickten oder
unzuverlässige» Gehilfen den Bau billig und schlecht ausführen. Dieses Verfahren
wird wesentlich dadurch unterstützt, daß die Revision der Baupläne und die Kontrolle
der Bauausführung dnrch die Baupolizeibeamten immer strenger geworden ist. So
unwahrscheinlich das klingt, ist es doch zutreffend. Der Bauherr ist durch die bau¬
polizeiliche Kontrolle der Pläne und der Ausführung gegenüber der Behörde voll¬
kommen gedeckt, er kann sein Ziel, aus dem Unternehmer das Möglichste zu er¬
presse« — wir wollen nicht sagen mit Seelenruhe — aber doch mit vollkommner
Sicherheit verfolgen. Seine Wahl des unfähigen oder unzuverlässigen Unternehmers
bringt es mit sich, daß die von der Polizei als sicher bescheinigten Konstruktionen
von ungeschickten oder lässigen Arbeitern mangelhaft ausgeführt, und daß schlechte
Baumaterialien verwandt werden, nicht selten gegen besseres Wissen des Unter¬
nehmers, aber unter dem Druck der ihm bewilligten Preise. Kommt dann ein
Unfall auf der Baustelle vor, dann sühlt sich der Bauherr ohne jede Verschuldung
— er ist ja nicht Sachverständiger —, aber wegen des Geldverlustes, der ihn
dabei trifft, ist er entrüstet über die mangelhafte Kontrolle der Polizei; er ruft
nach ihrer Verschärfung, und das große Publikum, gewöhnt die Behörden für alle
Unfälle verantwortlich zu machen, ruft mit. Wollte die Behörde aber erreichen,
daß alle Arbeiten regelrecht ausgeführt und schlechte Materialien nicht verwandt
würden, so müßte sie jeden Bau uuter ständige polizeiliche Bauleitung stellen, weil
sie sonst den betreffenden Beamten nicht für vorgekommne Fehler verantwortlich
machen könnte. Das hieße den Teufel mit Beelzebub austreiben, denn unsre Be¬
hörden folgen schon jetzt dem Rufe nach baupolizeilicher Kontrolle viel weiter, als
im Interesse der Allgemeinheit erwünscht ist.

Wer die verschiednen Bauordnungen mit sachverständigen Blick durchsieht, wird
nicht selten finden, daß darin die bau- und die feuerpolizeilichen Rücksichten den
Bau kleiner Wohnhäuser mit kostspieligen Ausführungen belasten, die in ihrem ganzen
Umfange nur für so große Mietkasernen begründet sind, wie die Verordnung sie
noch eben zuläßt. Es ist schon ein großer, Wohl unvermeidlicher Mißstand, daß
die Behörde in ihrer Verordnung Konstruktionen, die nur bei besonders sach¬
verständiger und zuverlässiger Ausführung sicher sind, nicht zulassen darf, weil sie
nicht unter allen Umständen ans eine solche und die Verwendung bester Materialien
rechnen kann. Die Baupolizei tritt deshalb der Einführung von Verbesserungen
in der Konstruktion und im Material entgegen und erstickt die Entwicklung des
Baugewerbes in dieser Richtung. Darum soll mau sich hüten, noch nach weiterer
Verschärfung der polizeilichen Kontrolle der Bauten zu rufen, sie würde schädlich
sein, während man von der Einführung der Meisterprüfung nur sagen kann, daß
sie nichts nützen würde. Es ist eben nicht der Mangel an Kenntnissen und Hand¬
fertigkeit, der das Überwuchern der Pfuscharbeit im Baugewerbe hervorruft, sondern
Gewinnsucht, Unzuverlässigkeit und Leichtsinn. Daß Personen, die von diesen Eigen¬
schaften beherrscht werden oder ihnen zugänglich sind, ebenso gut eine Meisterprüfuug
besteh» können, wie zuverlässige, vertrauenswürdige Personen, wird niemand in Ab¬
rede stellen.

Ma» sollte deshalb von der Einführung des Befähigungsnachweises im Bau¬
gewerbe ebensowohl absehen, wie von der Verschärfung der baupolizeilichen Kontrolle,
und bei Unfällen den Strafrichter seines Amtes walten lassen. Freilich schreckt Z 330
des Strafgesetzbuchs den Pfuscher nicht genügend zurück, denn es ist schwer und
umständlich, ihn vor dem nicht sachverständigen Richter so zu überführen, daß er
verurteilt werden kann. Dafür wäre ein kurzes Verfahren vor einem Gericht mit
Fr. Lange sachverständigen Schöffe» notwendig.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0178] Maßgebliches und Unmaßgebliches Behauptung, die der Augenschein so sehr widerlegt, daß es weiterer Nachweise dafür nicht bedarf. Die Behauptung unter 4 kann auch nur für gewisse Spekulntionsbauten als berechtigt anerkannt werden. Es ist richtig, daß wucherische Spekulanten un¬ solide Leute als ihre Bauunternehmer wählen, die dann mit wenig geschickten oder unzuverlässige» Gehilfen den Bau billig und schlecht ausführen. Dieses Verfahren wird wesentlich dadurch unterstützt, daß die Revision der Baupläne und die Kontrolle der Bauausführung dnrch die Baupolizeibeamten immer strenger geworden ist. So unwahrscheinlich das klingt, ist es doch zutreffend. Der Bauherr ist durch die bau¬ polizeiliche Kontrolle der Pläne und der Ausführung gegenüber der Behörde voll¬ kommen gedeckt, er kann sein Ziel, aus dem Unternehmer das Möglichste zu er¬ presse« — wir wollen nicht sagen mit Seelenruhe — aber doch mit vollkommner Sicherheit verfolgen. Seine Wahl des unfähigen oder unzuverlässigen Unternehmers bringt es mit sich, daß die von der Polizei als sicher bescheinigten Konstruktionen von ungeschickten oder lässigen Arbeitern mangelhaft ausgeführt, und daß schlechte Baumaterialien verwandt werden, nicht selten gegen besseres Wissen des Unter¬ nehmers, aber unter dem Druck der ihm bewilligten Preise. Kommt dann ein Unfall auf der Baustelle vor, dann sühlt sich der Bauherr ohne jede Verschuldung — er ist ja nicht Sachverständiger —, aber wegen des Geldverlustes, der ihn dabei trifft, ist er entrüstet über die mangelhafte Kontrolle der Polizei; er ruft nach ihrer Verschärfung, und das große Publikum, gewöhnt die Behörden für alle Unfälle verantwortlich zu machen, ruft mit. Wollte die Behörde aber erreichen, daß alle Arbeiten regelrecht ausgeführt und schlechte Materialien nicht verwandt würden, so müßte sie jeden Bau uuter ständige polizeiliche Bauleitung stellen, weil sie sonst den betreffenden Beamten nicht für vorgekommne Fehler verantwortlich machen könnte. Das hieße den Teufel mit Beelzebub austreiben, denn unsre Be¬ hörden folgen schon jetzt dem Rufe nach baupolizeilicher Kontrolle viel weiter, als im Interesse der Allgemeinheit erwünscht ist. Wer die verschiednen Bauordnungen mit sachverständigen Blick durchsieht, wird nicht selten finden, daß darin die bau- und die feuerpolizeilichen Rücksichten den Bau kleiner Wohnhäuser mit kostspieligen Ausführungen belasten, die in ihrem ganzen Umfange nur für so große Mietkasernen begründet sind, wie die Verordnung sie noch eben zuläßt. Es ist schon ein großer, Wohl unvermeidlicher Mißstand, daß die Behörde in ihrer Verordnung Konstruktionen, die nur bei besonders sach¬ verständiger und zuverlässiger Ausführung sicher sind, nicht zulassen darf, weil sie nicht unter allen Umständen ans eine solche und die Verwendung bester Materialien rechnen kann. Die Baupolizei tritt deshalb der Einführung von Verbesserungen in der Konstruktion und im Material entgegen und erstickt die Entwicklung des Baugewerbes in dieser Richtung. Darum soll mau sich hüten, noch nach weiterer Verschärfung der polizeilichen Kontrolle der Bauten zu rufen, sie würde schädlich sein, während man von der Einführung der Meisterprüfung nur sagen kann, daß sie nichts nützen würde. Es ist eben nicht der Mangel an Kenntnissen und Hand¬ fertigkeit, der das Überwuchern der Pfuscharbeit im Baugewerbe hervorruft, sondern Gewinnsucht, Unzuverlässigkeit und Leichtsinn. Daß Personen, die von diesen Eigen¬ schaften beherrscht werden oder ihnen zugänglich sind, ebenso gut eine Meisterprüfuug besteh» können, wie zuverlässige, vertrauenswürdige Personen, wird niemand in Ab¬ rede stellen. Ma» sollte deshalb von der Einführung des Befähigungsnachweises im Bau¬ gewerbe ebensowohl absehen, wie von der Verschärfung der baupolizeilichen Kontrolle, und bei Unfällen den Strafrichter seines Amtes walten lassen. Freilich schreckt Z 330 des Strafgesetzbuchs den Pfuscher nicht genügend zurück, denn es ist schwer und umständlich, ihn vor dem nicht sachverständigen Richter so zu überführen, daß er verurteilt werden kann. Dafür wäre ein kurzes Verfahren vor einem Gericht mit Fr. Lange sachverständigen Schöffe» notwendig. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/178>, abgerufen am 01.09.2024.