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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Es gab Zeiten epidemischer Gesundheit, und diese wollten Duttinüllern fast
zur Verzweiflung bringen. Endlich besserte sich die Lage. In der Gegend trat
Scharlach ans, auch einzelne Mille von Diphtherie kamen vor. Duttmüller als
wissenschaftlicher Arzt ließ sich sogleich Diphtherie-Serum kommen und war nun im¬
stande, allen Möglichkeiten siegreich entgegen zu treten. Denn es war mit Be¬
stimmtheit anzunehmen, daß sich die Krankheit ausbreiten werde. Es machte auch
wenig Eindrnck auf ihn, daß Doktor Blume eine sorgenvolle Miene zeigte und
sagte: Diese verdammte Diphtherie, wenn man denkt, man hat sie gefaßt, so wechselt
sie ihre Form, und dann wehe, wenn es die grane Diphtherie wird, dann hilft
kein Impfen. Wird schon helfen, meinte Dnttmüller und bemängelte die unwissen¬
schaftliche Form der Darlegung des alten Herrn.

Nach Hanse kam Dnttmüller vor Abend gar nicht mehr. Dann aß er sein
Abendbrot, las seine Zeitung und ließ seiner Übeln Laune freien Lauf, gleich als
wenn er sich zu Hause dafür entschädigen wollte, daß er unterwegs ans Beruf den
Liebenswürdigen spielen mußte. Dnranf zog er sich in sein Zimmer zurück, um
sein Hauptbuch zu führen. Unten wirtschaftete die Dnttmüllcrn, und oben saß Alice
bei ihrer kleinen Julia und spann trübe Gedanken........

In der Nähe der Wohnung des Doktors standen zwei Frauen, die Gräve¬
nitzen und die Lammsdorfcu, ans der Straße und schwatzten. Die Grävenitzen war
aufgeregt, fuhr mit den Armen durch die Luft, drehte den Kopf mach dem Doktor¬
hause und hielt, eine lange Rede, die sich offenbar ans Doktors bezog.

Und das ist auch nicht recht, rief sie, eine Sünde ist es, sagte ich vor sie,
daß der Doktor, die Leute Schindel und ausbeutelt. Und von so einem Manne,
sagte ich, sollte man so etwas nicht erleben. Und ganz besonders, was ein Doktor
ist, der soll gegen die armen Leute nicht so gefährlich sein und ihnen den letzten
Groschen abnehmen, sagte ich. Und wenn eine Frau in Kindsnöten liegt, wie die
Opitzen in Sicbendorf, und man läßt den Doktor kommen, und der Doktor spricht:
Erst will ich Geld sehen, sonst gehe ich nicht hinein, und sie müssen erst ins Dorf
hinein schicken und das Geld znsammenbetteln, das ist eine Schlechtigkeit, is es, sagte
ich, und ist Vor Gott im Himmel nicht zu verantworten. So was thut ja nicht
einmal ein Viehdoktor, sagte ich. Und wenn er Thorgräbers Willy nicht helfen
konnte, sagte ich, dann brauchte er ihn nicht gleich zu Emden zu schicken, wo er
doch gestorben ist. Und nun müssen Thorgräbers ihr Leben lang krumm liegen
für das Sündengeld, das sie Emden geben müssen. Und das Volk ist verraten
und verkauft, sagte ich, und was der eine nicht nimmt, das nimmt der andre.

Das hast dn ihr gesagt? fragte die Lammsdorfen.

Ja, das habe ich ihr gesagt, erwiderte die Grävcnitzen.

Aber Grävenitzen, meinte die Lammsdorfen, was kann denn seine Frau davor?
Das ist doch unser gnädiges Fräulein Alice gewesen, und die ist doch zu den armen
Leuten immer gut gewesen.

Das ist mir egal, sagte die Grävenitzen.

Und was hat sie denn darauf gesagt?

Nichts hat sie darauf gesagt. Sie saß in ihrem Stuhle und hielt mir ihr
Portemonee hin, ich Habs aber nicht genommen. Nein ich Habs nicht genommen.
Alois Dnttmüller, sagte ich, was der Alte ist, zu dem sie Kümmelmüllcr sagten, sagte
ich, das war ein andrer Mann, der drückte die Armut nicht, der nahm, was sie
ihm gaben. Was aber Louis Dnttmüller ist, Pfui Teufel, sagte ich, der treibt es
arger wie ein Jude. Und den Brief, den er für Schrank Wilhelm geschrieben hat,
den sie mit Schrank Wilhelm seiner Frau zu Doktor Emden mitnehmen sollten, den
habe ich wieder hingebracht und habe ihn ihr vor die Füße geschmissen. Euern
Uriasbrief, sagte ich, den bestellt euch selber.

Aber Grävenitzen, hast du denn kein Gefühl? Die arme Frnn. Das muß
sie doch kränken, und die kann doch nichts davor, daß ihr Mann so ist.

Die andre hatte sich die Wild von der Leber herunter geschimpft und kam


Grenzboten II 1902 92

Es gab Zeiten epidemischer Gesundheit, und diese wollten Duttinüllern fast
zur Verzweiflung bringen. Endlich besserte sich die Lage. In der Gegend trat
Scharlach ans, auch einzelne Mille von Diphtherie kamen vor. Duttmüller als
wissenschaftlicher Arzt ließ sich sogleich Diphtherie-Serum kommen und war nun im¬
stande, allen Möglichkeiten siegreich entgegen zu treten. Denn es war mit Be¬
stimmtheit anzunehmen, daß sich die Krankheit ausbreiten werde. Es machte auch
wenig Eindrnck auf ihn, daß Doktor Blume eine sorgenvolle Miene zeigte und
sagte: Diese verdammte Diphtherie, wenn man denkt, man hat sie gefaßt, so wechselt
sie ihre Form, und dann wehe, wenn es die grane Diphtherie wird, dann hilft
kein Impfen. Wird schon helfen, meinte Dnttmüller und bemängelte die unwissen¬
schaftliche Form der Darlegung des alten Herrn.

Nach Hanse kam Dnttmüller vor Abend gar nicht mehr. Dann aß er sein
Abendbrot, las seine Zeitung und ließ seiner Übeln Laune freien Lauf, gleich als
wenn er sich zu Hause dafür entschädigen wollte, daß er unterwegs ans Beruf den
Liebenswürdigen spielen mußte. Dnranf zog er sich in sein Zimmer zurück, um
sein Hauptbuch zu führen. Unten wirtschaftete die Dnttmüllcrn, und oben saß Alice
bei ihrer kleinen Julia und spann trübe Gedanken........

In der Nähe der Wohnung des Doktors standen zwei Frauen, die Gräve¬
nitzen und die Lammsdorfcu, ans der Straße und schwatzten. Die Grävenitzen war
aufgeregt, fuhr mit den Armen durch die Luft, drehte den Kopf mach dem Doktor¬
hause und hielt, eine lange Rede, die sich offenbar ans Doktors bezog.

Und das ist auch nicht recht, rief sie, eine Sünde ist es, sagte ich vor sie,
daß der Doktor, die Leute Schindel und ausbeutelt. Und von so einem Manne,
sagte ich, sollte man so etwas nicht erleben. Und ganz besonders, was ein Doktor
ist, der soll gegen die armen Leute nicht so gefährlich sein und ihnen den letzten
Groschen abnehmen, sagte ich. Und wenn eine Frau in Kindsnöten liegt, wie die
Opitzen in Sicbendorf, und man läßt den Doktor kommen, und der Doktor spricht:
Erst will ich Geld sehen, sonst gehe ich nicht hinein, und sie müssen erst ins Dorf
hinein schicken und das Geld znsammenbetteln, das ist eine Schlechtigkeit, is es, sagte
ich, und ist Vor Gott im Himmel nicht zu verantworten. So was thut ja nicht
einmal ein Viehdoktor, sagte ich. Und wenn er Thorgräbers Willy nicht helfen
konnte, sagte ich, dann brauchte er ihn nicht gleich zu Emden zu schicken, wo er
doch gestorben ist. Und nun müssen Thorgräbers ihr Leben lang krumm liegen
für das Sündengeld, das sie Emden geben müssen. Und das Volk ist verraten
und verkauft, sagte ich, und was der eine nicht nimmt, das nimmt der andre.

Das hast dn ihr gesagt? fragte die Lammsdorfen.

Ja, das habe ich ihr gesagt, erwiderte die Grävcnitzen.

Aber Grävenitzen, meinte die Lammsdorfen, was kann denn seine Frau davor?
Das ist doch unser gnädiges Fräulein Alice gewesen, und die ist doch zu den armen
Leuten immer gut gewesen.

Das ist mir egal, sagte die Grävenitzen.

Und was hat sie denn darauf gesagt?

Nichts hat sie darauf gesagt. Sie saß in ihrem Stuhle und hielt mir ihr
Portemonee hin, ich Habs aber nicht genommen. Nein ich Habs nicht genommen.
Alois Dnttmüller, sagte ich, was der Alte ist, zu dem sie Kümmelmüllcr sagten, sagte
ich, das war ein andrer Mann, der drückte die Armut nicht, der nahm, was sie
ihm gaben. Was aber Louis Dnttmüller ist, Pfui Teufel, sagte ich, der treibt es
arger wie ein Jude. Und den Brief, den er für Schrank Wilhelm geschrieben hat,
den sie mit Schrank Wilhelm seiner Frau zu Doktor Emden mitnehmen sollten, den
habe ich wieder hingebracht und habe ihn ihr vor die Füße geschmissen. Euern
Uriasbrief, sagte ich, den bestellt euch selber.

Aber Grävenitzen, hast du denn kein Gefühl? Die arme Frnn. Das muß
sie doch kränken, und die kann doch nichts davor, daß ihr Mann so ist.

Die andre hatte sich die Wild von der Leber herunter geschimpft und kam


Grenzboten II 1902 92
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[0739] Es gab Zeiten epidemischer Gesundheit, und diese wollten Duttinüllern fast zur Verzweiflung bringen. Endlich besserte sich die Lage. In der Gegend trat Scharlach ans, auch einzelne Mille von Diphtherie kamen vor. Duttmüller als wissenschaftlicher Arzt ließ sich sogleich Diphtherie-Serum kommen und war nun im¬ stande, allen Möglichkeiten siegreich entgegen zu treten. Denn es war mit Be¬ stimmtheit anzunehmen, daß sich die Krankheit ausbreiten werde. Es machte auch wenig Eindrnck auf ihn, daß Doktor Blume eine sorgenvolle Miene zeigte und sagte: Diese verdammte Diphtherie, wenn man denkt, man hat sie gefaßt, so wechselt sie ihre Form, und dann wehe, wenn es die grane Diphtherie wird, dann hilft kein Impfen. Wird schon helfen, meinte Dnttmüller und bemängelte die unwissen¬ schaftliche Form der Darlegung des alten Herrn. Nach Hanse kam Dnttmüller vor Abend gar nicht mehr. Dann aß er sein Abendbrot, las seine Zeitung und ließ seiner Übeln Laune freien Lauf, gleich als wenn er sich zu Hause dafür entschädigen wollte, daß er unterwegs ans Beruf den Liebenswürdigen spielen mußte. Dnranf zog er sich in sein Zimmer zurück, um sein Hauptbuch zu führen. Unten wirtschaftete die Dnttmüllcrn, und oben saß Alice bei ihrer kleinen Julia und spann trübe Gedanken........ In der Nähe der Wohnung des Doktors standen zwei Frauen, die Gräve¬ nitzen und die Lammsdorfcu, ans der Straße und schwatzten. Die Grävenitzen war aufgeregt, fuhr mit den Armen durch die Luft, drehte den Kopf mach dem Doktor¬ hause und hielt, eine lange Rede, die sich offenbar ans Doktors bezog. Und das ist auch nicht recht, rief sie, eine Sünde ist es, sagte ich vor sie, daß der Doktor, die Leute Schindel und ausbeutelt. Und von so einem Manne, sagte ich, sollte man so etwas nicht erleben. Und ganz besonders, was ein Doktor ist, der soll gegen die armen Leute nicht so gefährlich sein und ihnen den letzten Groschen abnehmen, sagte ich. Und wenn eine Frau in Kindsnöten liegt, wie die Opitzen in Sicbendorf, und man läßt den Doktor kommen, und der Doktor spricht: Erst will ich Geld sehen, sonst gehe ich nicht hinein, und sie müssen erst ins Dorf hinein schicken und das Geld znsammenbetteln, das ist eine Schlechtigkeit, is es, sagte ich, und ist Vor Gott im Himmel nicht zu verantworten. So was thut ja nicht einmal ein Viehdoktor, sagte ich. Und wenn er Thorgräbers Willy nicht helfen konnte, sagte ich, dann brauchte er ihn nicht gleich zu Emden zu schicken, wo er doch gestorben ist. Und nun müssen Thorgräbers ihr Leben lang krumm liegen für das Sündengeld, das sie Emden geben müssen. Und das Volk ist verraten und verkauft, sagte ich, und was der eine nicht nimmt, das nimmt der andre. Das hast dn ihr gesagt? fragte die Lammsdorfen. Ja, das habe ich ihr gesagt, erwiderte die Grävcnitzen. Aber Grävenitzen, meinte die Lammsdorfen, was kann denn seine Frau davor? Das ist doch unser gnädiges Fräulein Alice gewesen, und die ist doch zu den armen Leuten immer gut gewesen. Das ist mir egal, sagte die Grävenitzen. Und was hat sie denn darauf gesagt? Nichts hat sie darauf gesagt. Sie saß in ihrem Stuhle und hielt mir ihr Portemonee hin, ich Habs aber nicht genommen. Nein ich Habs nicht genommen. Alois Dnttmüller, sagte ich, was der Alte ist, zu dem sie Kümmelmüllcr sagten, sagte ich, das war ein andrer Mann, der drückte die Armut nicht, der nahm, was sie ihm gaben. Was aber Louis Dnttmüller ist, Pfui Teufel, sagte ich, der treibt es arger wie ein Jude. Und den Brief, den er für Schrank Wilhelm geschrieben hat, den sie mit Schrank Wilhelm seiner Frau zu Doktor Emden mitnehmen sollten, den habe ich wieder hingebracht und habe ihn ihr vor die Füße geschmissen. Euern Uriasbrief, sagte ich, den bestellt euch selber. Aber Grävenitzen, hast du denn kein Gefühl? Die arme Frnn. Das muß sie doch kränken, und die kann doch nichts davor, daß ihr Mann so ist. Die andre hatte sich die Wild von der Leber herunter geschimpft und kam Grenzboten II 1902 92

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/739>, abgerufen am 26.06.2024.