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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Apotheke und Drogenhandlung

Wir haben vorhin gesagt, der Drogistenstand habe sich unter sehr schwierigen
Verhältnissen entwickelt, und diese Behauptung hat ihre volle Berechtigung.
Denn die Drogisten werden fast in allen Bundesstaaten durch die Apotheker,
also durch die direkten Gegner des Standes, beaufsichtigt und revidiert. Die
Revisionen sind aus gesundheitspolizeilichen Gründen notwendig und berechtigt;
aber anstatt nun die Güte und Reinheit der Waren zu prüfen, statt auf die
Sauberkeit und Ordnung des Geschäfts ihr Augenmerk zu richten, halten die
Revisoren in vielen Fällen nur Haussuchungen ab und spähen nach den dem
freien Verkehr entzognen Heilmitteln. Außerdem werden dieselben Apotheker,
die irgendwelche Übertretungen bei den Behörden angezeigt haben, gewöhnlich
als Sachverständige bei den Gerichtsverhandlungen zugezogen, und da der
Richter bei den rein technischen Fragen ans das Gutachten der Sachverständigen
angewiesen ist, sind sie, in gewisser Beziehung, Kläger und Richter in einer
Person. Weit schlimmer aber ist der Umstand, daß die Apotheker bei allen
den Drogenhandel betreffenden Gesetzen und Verordnungen einen großen Ein-
fluß ausüben können, da sie fast in allen Medizinnlbehörden der Bundes¬
staaten Sitz und Stimme haben, während der Drogistenstand ohne jede Ver¬
tretung ist.

Wenn sich dieser nun trotz aller Schwierigkeiten zu einer so geachteten
Stellung emporgerungen hat, wie es in Wirklichkeit der Fall ist, so ist das
der beste Beweis für seine Berechtigung und für den gesunden Kern, der in
ihm steckt. Als im Jahre 1873 der Deutsche Drogistenverband gegründet wurde,
ein Verband, der heute nahezu 2500 Mitglieder hat, erkannte er es sofort
als eine seiner wichtigsten Aufgaben, für eine gediegne fachmännische Aus¬
bildung seines Nachwuchses Sorge zu tragen. Fast in allen größern Städten
des Deutschen Reichs sind Fachschulen eingerichtet worden, in Braunschweig
giebt es sogar eine unter dem Protektorat des Verbands stehende Drogisten¬
akademie. Eigne Lehrbücher für den Drogistenstand sind geschaffen, ein Lehr¬
gang ist ausgearbeitet, und endlich eine streng geregelte Gehilsenprüfung ein¬
geführt worden. Heute sind an dreißig verschiednen Orten des Deutschen Reichs
Prüfungskommissionen eingesetzt, die nach gleichmäßigen Bestimmungen die
Prüfungen ausführen. Tausende von jungen Leuten haben sich im Laufe der
Jahre an der Akademie und den Fachschulen einer Prüfung unterzogen und
bilden neben den 2000 Apothekern, die im Drogistenstande thätig sind, einen
Stamm, auf den der Einwand, "die Drogisten hätten kein fachmännisch aus¬
gebildetes Personal," uicht mehr angewandt werden darf. Daß alle diese Ein¬
richtungen eine Unsumme von Arbeit, Mühe, Zeit und auch von Geld gekostet
haben, ist zweifellos, und ein Stand, der derartige Opfer für rein ideale Ziele
gebracht hat und noch immer bringt, verdient denn doch etwas andres, als eine
fortwährende Anfeindung wegen der Sünden einzelner Standesgenossen.




Apotheke und Drogenhandlung

Wir haben vorhin gesagt, der Drogistenstand habe sich unter sehr schwierigen
Verhältnissen entwickelt, und diese Behauptung hat ihre volle Berechtigung.
Denn die Drogisten werden fast in allen Bundesstaaten durch die Apotheker,
also durch die direkten Gegner des Standes, beaufsichtigt und revidiert. Die
Revisionen sind aus gesundheitspolizeilichen Gründen notwendig und berechtigt;
aber anstatt nun die Güte und Reinheit der Waren zu prüfen, statt auf die
Sauberkeit und Ordnung des Geschäfts ihr Augenmerk zu richten, halten die
Revisoren in vielen Fällen nur Haussuchungen ab und spähen nach den dem
freien Verkehr entzognen Heilmitteln. Außerdem werden dieselben Apotheker,
die irgendwelche Übertretungen bei den Behörden angezeigt haben, gewöhnlich
als Sachverständige bei den Gerichtsverhandlungen zugezogen, und da der
Richter bei den rein technischen Fragen ans das Gutachten der Sachverständigen
angewiesen ist, sind sie, in gewisser Beziehung, Kläger und Richter in einer
Person. Weit schlimmer aber ist der Umstand, daß die Apotheker bei allen
den Drogenhandel betreffenden Gesetzen und Verordnungen einen großen Ein-
fluß ausüben können, da sie fast in allen Medizinnlbehörden der Bundes¬
staaten Sitz und Stimme haben, während der Drogistenstand ohne jede Ver¬
tretung ist.

Wenn sich dieser nun trotz aller Schwierigkeiten zu einer so geachteten
Stellung emporgerungen hat, wie es in Wirklichkeit der Fall ist, so ist das
der beste Beweis für seine Berechtigung und für den gesunden Kern, der in
ihm steckt. Als im Jahre 1873 der Deutsche Drogistenverband gegründet wurde,
ein Verband, der heute nahezu 2500 Mitglieder hat, erkannte er es sofort
als eine seiner wichtigsten Aufgaben, für eine gediegne fachmännische Aus¬
bildung seines Nachwuchses Sorge zu tragen. Fast in allen größern Städten
des Deutschen Reichs sind Fachschulen eingerichtet worden, in Braunschweig
giebt es sogar eine unter dem Protektorat des Verbands stehende Drogisten¬
akademie. Eigne Lehrbücher für den Drogistenstand sind geschaffen, ein Lehr¬
gang ist ausgearbeitet, und endlich eine streng geregelte Gehilsenprüfung ein¬
geführt worden. Heute sind an dreißig verschiednen Orten des Deutschen Reichs
Prüfungskommissionen eingesetzt, die nach gleichmäßigen Bestimmungen die
Prüfungen ausführen. Tausende von jungen Leuten haben sich im Laufe der
Jahre an der Akademie und den Fachschulen einer Prüfung unterzogen und
bilden neben den 2000 Apothekern, die im Drogistenstande thätig sind, einen
Stamm, auf den der Einwand, „die Drogisten hätten kein fachmännisch aus¬
gebildetes Personal," uicht mehr angewandt werden darf. Daß alle diese Ein¬
richtungen eine Unsumme von Arbeit, Mühe, Zeit und auch von Geld gekostet
haben, ist zweifellos, und ein Stand, der derartige Opfer für rein ideale Ziele
gebracht hat und noch immer bringt, verdient denn doch etwas andres, als eine
fortwährende Anfeindung wegen der Sünden einzelner Standesgenossen.




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[0662] Apotheke und Drogenhandlung Wir haben vorhin gesagt, der Drogistenstand habe sich unter sehr schwierigen Verhältnissen entwickelt, und diese Behauptung hat ihre volle Berechtigung. Denn die Drogisten werden fast in allen Bundesstaaten durch die Apotheker, also durch die direkten Gegner des Standes, beaufsichtigt und revidiert. Die Revisionen sind aus gesundheitspolizeilichen Gründen notwendig und berechtigt; aber anstatt nun die Güte und Reinheit der Waren zu prüfen, statt auf die Sauberkeit und Ordnung des Geschäfts ihr Augenmerk zu richten, halten die Revisoren in vielen Fällen nur Haussuchungen ab und spähen nach den dem freien Verkehr entzognen Heilmitteln. Außerdem werden dieselben Apotheker, die irgendwelche Übertretungen bei den Behörden angezeigt haben, gewöhnlich als Sachverständige bei den Gerichtsverhandlungen zugezogen, und da der Richter bei den rein technischen Fragen ans das Gutachten der Sachverständigen angewiesen ist, sind sie, in gewisser Beziehung, Kläger und Richter in einer Person. Weit schlimmer aber ist der Umstand, daß die Apotheker bei allen den Drogenhandel betreffenden Gesetzen und Verordnungen einen großen Ein- fluß ausüben können, da sie fast in allen Medizinnlbehörden der Bundes¬ staaten Sitz und Stimme haben, während der Drogistenstand ohne jede Ver¬ tretung ist. Wenn sich dieser nun trotz aller Schwierigkeiten zu einer so geachteten Stellung emporgerungen hat, wie es in Wirklichkeit der Fall ist, so ist das der beste Beweis für seine Berechtigung und für den gesunden Kern, der in ihm steckt. Als im Jahre 1873 der Deutsche Drogistenverband gegründet wurde, ein Verband, der heute nahezu 2500 Mitglieder hat, erkannte er es sofort als eine seiner wichtigsten Aufgaben, für eine gediegne fachmännische Aus¬ bildung seines Nachwuchses Sorge zu tragen. Fast in allen größern Städten des Deutschen Reichs sind Fachschulen eingerichtet worden, in Braunschweig giebt es sogar eine unter dem Protektorat des Verbands stehende Drogisten¬ akademie. Eigne Lehrbücher für den Drogistenstand sind geschaffen, ein Lehr¬ gang ist ausgearbeitet, und endlich eine streng geregelte Gehilsenprüfung ein¬ geführt worden. Heute sind an dreißig verschiednen Orten des Deutschen Reichs Prüfungskommissionen eingesetzt, die nach gleichmäßigen Bestimmungen die Prüfungen ausführen. Tausende von jungen Leuten haben sich im Laufe der Jahre an der Akademie und den Fachschulen einer Prüfung unterzogen und bilden neben den 2000 Apothekern, die im Drogistenstande thätig sind, einen Stamm, auf den der Einwand, „die Drogisten hätten kein fachmännisch aus¬ gebildetes Personal," uicht mehr angewandt werden darf. Daß alle diese Ein¬ richtungen eine Unsumme von Arbeit, Mühe, Zeit und auch von Geld gekostet haben, ist zweifellos, und ein Stand, der derartige Opfer für rein ideale Ziele gebracht hat und noch immer bringt, verdient denn doch etwas andres, als eine fortwährende Anfeindung wegen der Sünden einzelner Standesgenossen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/662>, abgerufen am 22.07.2024.