Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aiir Geschichte des Intelligenzwesens

sind die Politischen Nachrichten, die regelmäßig aus andern rein Politischen Zeitungen
entnommen sind, nichts andres als Lückenbüßer und fallen fort, wenn das Blatt
von seinem sonstigen eigentlichen Inhalt gefüllt wird. Dies war beispielsweise der
Fall in Schleusingen, Merseburg, Hildburghnusen, Bautzen (in spätern Jahren),
Meiningen usw. Von den Jenaer wöchentlichen Anzeigen heißt es, daß ihre "Lücken
oft mit politischen Anhängseln ergänzt werden"; von den Meininger: "Außerdem
wird darin als stehender Artikel ein Auszug politischer Nachrichten aus den Ham¬
burger, Frankfurter, Bamberger und andern bekannten Zeitungen fortgeführt," von
den Weimarischen: "Die Haupttendenz dieses Wochenblatts betrifft bloß Intelli¬
genzen usw, , , ,, die Zeitungsnachrichten aber, welche anhangsweise beigefügt werden,
sind ziemlich dürftig und einseitig." Der Hauptgrund, weshalb die Jntelligenz-
blätter überhaupt solche Nachrichten aufnahmen, lag wohl in der Trockenheit ihres
sonstigen Inhalts. Dem Köthener Intelligenzblatt erging es folgendermaßen: "Bei
Entstehung des Revolntionslriegs erhielt das Wochenblatt eine mehr politische
Tendenz, da wie überall, so auch zu Köthen die Begierde nach den Tags-Neuig-
keiten den Geschmack an aller außerpolitischen Lektüre verdrängte." Nachdem dann
diese politische Tendenz behördlich untersagt worden war, reduzierte sich die Auf¬
lage des nunmehr wieder aufs Trockne gesetzten Blattes auf siebzig Exemplare.

Von deu politischen Zeitungen hatten die meisten Anzeigen die Blätter, die
über einen weiter verzweigten Abonnentenkreis verfügten. Dadurch konnten An¬
zeigen einem größern Publikum zugänglich gemacht werden, als dies bei den doch
immer nur lokalen Jntelligenzblätteru der Fall war. Zu dieser Kategorie von
Zeitungen geHorte die Hessische Zeitung in Kassel, die Hnnauische Zeitung, die be¬
sonders nach Österreich einen größern Absatz hatte, vor allem aber die Hamburgischen
Zeitungen. Vou ihnen sagt Stiebnitz, daß "diese beiden Zeitungen (der Corre-
spondent und die Neue Zeitung) für Uuiversal-Anzeiger für alle Europäischen Staaten
können angesehen werden." Entsprechend dieser weitern Verbreitung sind hier auch
die Jnsertionskosten beträchtlich höher als bei den gewöhnlichen Jntelligenzblätteru.

Der materielle Erfolg, der sich hieraus ergab, ließ die Vorkämpfer des Jn-
telligeuzwesens nicht ruhn. Es galt, den großen Zeitungen diesen Zweig des An¬
zeigewesens zu entreißen. Das konnte aber nur durch ein großes Zentralintelligenz¬
blatt für das ganze Reich geschehn. Schon der erste Schrödersche Vorschlag hatte
ja im Grunde nur dieses vor Augen gehabt. Der erste, der nun wirklich mit
einem Reichsiutelligenzblatt hervortrat, war der Geheimrat Joh. Phil. Schnur aus
Nürnberg, der im Jahre 1775 in Darmstadt eine "Deutsche Intelligenz- und
Correspondenz-Zeitung" plante, die Exzerpte aus andern Zeitungen und Jntelligenz¬
blätteru liefern sollte. Dieser Plan scheiterte jedoch kurz vor seiner Ausführung.
Auch eine Wiederholung des Versuchs im Jahre 1784 hatte keinen bessern Erfolg.

Da gründete im Jahre 1791 der Hofrat Rudolf Zacharins Becker in Gotha
sein allgemeines Intelligenzblatt, das ihm im folgenden Jahre privilegiert wurde,
als "Kaiserlich privilegierter Reichs-Anzeiger oder allgemeines Intelligenzblatt zum
Behufe der Justiz, der Polieeh und der bürgerlichen Gewerbe im Deutschen Reiche,
wie auch zur öffentlichen Unterhaltung der Leser über gemeinnützige Gegenstände
aller Art," und zwar wurde dieser Reichsanzeiger täglich nusgegebeu für deu Jahres¬
preis von 4 Thalern. Seine Inserate waren keine Exzerpte aus andern Zeitungen,
sondern Originalanzeigen und wurden mit 8 Pfennigen für die Zeile berechnet. Er
erfreute sich, wie Schwarzkopf sagt, "allgemeiner Beliebtheit." Natürlich entstanden
schon nach kurzer Zeit ähnliche Unternehmungen nu andern Orten, die mit denselben
Prätentionen auftraten wie der Beckersche Reichsanzeiger, ohne jedoch im entferntesten
dieselbe Rolle zu spielen. Die Versuche entstanden in Stuttgart, Weißenburg i. E.,
Nürnberg, Eßlingen, Hildburghausen und Salzburg. Die meiste" von ihnen gingen
sehr bald wieder ein. Bemerkenswert ist, daß auch Frankreich im Jahre 1794 ein
gleiches Zentralanzeigeblatt in dem Hugotischen .lournAl ä'Inäieation erhielt.

Nachdem wir uns über den Inhalt der Jntelligenzblcitter unterrichtet haben,


Aiir Geschichte des Intelligenzwesens

sind die Politischen Nachrichten, die regelmäßig aus andern rein Politischen Zeitungen
entnommen sind, nichts andres als Lückenbüßer und fallen fort, wenn das Blatt
von seinem sonstigen eigentlichen Inhalt gefüllt wird. Dies war beispielsweise der
Fall in Schleusingen, Merseburg, Hildburghnusen, Bautzen (in spätern Jahren),
Meiningen usw. Von den Jenaer wöchentlichen Anzeigen heißt es, daß ihre „Lücken
oft mit politischen Anhängseln ergänzt werden"; von den Meininger: „Außerdem
wird darin als stehender Artikel ein Auszug politischer Nachrichten aus den Ham¬
burger, Frankfurter, Bamberger und andern bekannten Zeitungen fortgeführt," von
den Weimarischen: „Die Haupttendenz dieses Wochenblatts betrifft bloß Intelli¬
genzen usw, , , ,, die Zeitungsnachrichten aber, welche anhangsweise beigefügt werden,
sind ziemlich dürftig und einseitig." Der Hauptgrund, weshalb die Jntelligenz-
blätter überhaupt solche Nachrichten aufnahmen, lag wohl in der Trockenheit ihres
sonstigen Inhalts. Dem Köthener Intelligenzblatt erging es folgendermaßen: „Bei
Entstehung des Revolntionslriegs erhielt das Wochenblatt eine mehr politische
Tendenz, da wie überall, so auch zu Köthen die Begierde nach den Tags-Neuig-
keiten den Geschmack an aller außerpolitischen Lektüre verdrängte." Nachdem dann
diese politische Tendenz behördlich untersagt worden war, reduzierte sich die Auf¬
lage des nunmehr wieder aufs Trockne gesetzten Blattes auf siebzig Exemplare.

Von deu politischen Zeitungen hatten die meisten Anzeigen die Blätter, die
über einen weiter verzweigten Abonnentenkreis verfügten. Dadurch konnten An¬
zeigen einem größern Publikum zugänglich gemacht werden, als dies bei den doch
immer nur lokalen Jntelligenzblätteru der Fall war. Zu dieser Kategorie von
Zeitungen geHorte die Hessische Zeitung in Kassel, die Hnnauische Zeitung, die be¬
sonders nach Österreich einen größern Absatz hatte, vor allem aber die Hamburgischen
Zeitungen. Vou ihnen sagt Stiebnitz, daß „diese beiden Zeitungen (der Corre-
spondent und die Neue Zeitung) für Uuiversal-Anzeiger für alle Europäischen Staaten
können angesehen werden." Entsprechend dieser weitern Verbreitung sind hier auch
die Jnsertionskosten beträchtlich höher als bei den gewöhnlichen Jntelligenzblätteru.

Der materielle Erfolg, der sich hieraus ergab, ließ die Vorkämpfer des Jn-
telligeuzwesens nicht ruhn. Es galt, den großen Zeitungen diesen Zweig des An¬
zeigewesens zu entreißen. Das konnte aber nur durch ein großes Zentralintelligenz¬
blatt für das ganze Reich geschehn. Schon der erste Schrödersche Vorschlag hatte
ja im Grunde nur dieses vor Augen gehabt. Der erste, der nun wirklich mit
einem Reichsiutelligenzblatt hervortrat, war der Geheimrat Joh. Phil. Schnur aus
Nürnberg, der im Jahre 1775 in Darmstadt eine „Deutsche Intelligenz- und
Correspondenz-Zeitung" plante, die Exzerpte aus andern Zeitungen und Jntelligenz¬
blätteru liefern sollte. Dieser Plan scheiterte jedoch kurz vor seiner Ausführung.
Auch eine Wiederholung des Versuchs im Jahre 1784 hatte keinen bessern Erfolg.

Da gründete im Jahre 1791 der Hofrat Rudolf Zacharins Becker in Gotha
sein allgemeines Intelligenzblatt, das ihm im folgenden Jahre privilegiert wurde,
als „Kaiserlich privilegierter Reichs-Anzeiger oder allgemeines Intelligenzblatt zum
Behufe der Justiz, der Polieeh und der bürgerlichen Gewerbe im Deutschen Reiche,
wie auch zur öffentlichen Unterhaltung der Leser über gemeinnützige Gegenstände
aller Art," und zwar wurde dieser Reichsanzeiger täglich nusgegebeu für deu Jahres¬
preis von 4 Thalern. Seine Inserate waren keine Exzerpte aus andern Zeitungen,
sondern Originalanzeigen und wurden mit 8 Pfennigen für die Zeile berechnet. Er
erfreute sich, wie Schwarzkopf sagt, „allgemeiner Beliebtheit." Natürlich entstanden
schon nach kurzer Zeit ähnliche Unternehmungen nu andern Orten, die mit denselben
Prätentionen auftraten wie der Beckersche Reichsanzeiger, ohne jedoch im entferntesten
dieselbe Rolle zu spielen. Die Versuche entstanden in Stuttgart, Weißenburg i. E.,
Nürnberg, Eßlingen, Hildburghausen und Salzburg. Die meiste» von ihnen gingen
sehr bald wieder ein. Bemerkenswert ist, daß auch Frankreich im Jahre 1794 ein
gleiches Zentralanzeigeblatt in dem Hugotischen .lournAl ä'Inäieation erhielt.

Nachdem wir uns über den Inhalt der Jntelligenzblcitter unterrichtet haben,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0614" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237900"/>
          <fw type="header" place="top"> Aiir Geschichte des Intelligenzwesens</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_3059" prev="#ID_3058"> sind die Politischen Nachrichten, die regelmäßig aus andern rein Politischen Zeitungen<lb/>
entnommen sind, nichts andres als Lückenbüßer und fallen fort, wenn das Blatt<lb/>
von seinem sonstigen eigentlichen Inhalt gefüllt wird. Dies war beispielsweise der<lb/>
Fall in Schleusingen, Merseburg, Hildburghnusen, Bautzen (in spätern Jahren),<lb/>
Meiningen usw. Von den Jenaer wöchentlichen Anzeigen heißt es, daß ihre &#x201E;Lücken<lb/>
oft mit politischen Anhängseln ergänzt werden"; von den Meininger: &#x201E;Außerdem<lb/>
wird darin als stehender Artikel ein Auszug politischer Nachrichten aus den Ham¬<lb/>
burger, Frankfurter, Bamberger und andern bekannten Zeitungen fortgeführt," von<lb/>
den Weimarischen: &#x201E;Die Haupttendenz dieses Wochenblatts betrifft bloß Intelli¬<lb/>
genzen usw, , , ,, die Zeitungsnachrichten aber, welche anhangsweise beigefügt werden,<lb/>
sind ziemlich dürftig und einseitig." Der Hauptgrund, weshalb die Jntelligenz-<lb/>
blätter überhaupt solche Nachrichten aufnahmen, lag wohl in der Trockenheit ihres<lb/>
sonstigen Inhalts. Dem Köthener Intelligenzblatt erging es folgendermaßen: &#x201E;Bei<lb/>
Entstehung des Revolntionslriegs erhielt das Wochenblatt eine mehr politische<lb/>
Tendenz, da wie überall, so auch zu Köthen die Begierde nach den Tags-Neuig-<lb/>
keiten den Geschmack an aller außerpolitischen Lektüre verdrängte." Nachdem dann<lb/>
diese politische Tendenz behördlich untersagt worden war, reduzierte sich die Auf¬<lb/>
lage des nunmehr wieder aufs Trockne gesetzten Blattes auf siebzig Exemplare.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3060"> Von deu politischen Zeitungen hatten die meisten Anzeigen die Blätter, die<lb/>
über einen weiter verzweigten Abonnentenkreis verfügten. Dadurch konnten An¬<lb/>
zeigen einem größern Publikum zugänglich gemacht werden, als dies bei den doch<lb/>
immer nur lokalen Jntelligenzblätteru der Fall war. Zu dieser Kategorie von<lb/>
Zeitungen geHorte die Hessische Zeitung in Kassel, die Hnnauische Zeitung, die be¬<lb/>
sonders nach Österreich einen größern Absatz hatte, vor allem aber die Hamburgischen<lb/>
Zeitungen. Vou ihnen sagt Stiebnitz, daß &#x201E;diese beiden Zeitungen (der Corre-<lb/>
spondent und die Neue Zeitung) für Uuiversal-Anzeiger für alle Europäischen Staaten<lb/>
können angesehen werden." Entsprechend dieser weitern Verbreitung sind hier auch<lb/>
die Jnsertionskosten beträchtlich höher als bei den gewöhnlichen Jntelligenzblätteru.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3061"> Der materielle Erfolg, der sich hieraus ergab, ließ die Vorkämpfer des Jn-<lb/>
telligeuzwesens nicht ruhn. Es galt, den großen Zeitungen diesen Zweig des An¬<lb/>
zeigewesens zu entreißen. Das konnte aber nur durch ein großes Zentralintelligenz¬<lb/>
blatt für das ganze Reich geschehn. Schon der erste Schrödersche Vorschlag hatte<lb/>
ja im Grunde nur dieses vor Augen gehabt. Der erste, der nun wirklich mit<lb/>
einem Reichsiutelligenzblatt hervortrat, war der Geheimrat Joh. Phil. Schnur aus<lb/>
Nürnberg, der im Jahre 1775 in Darmstadt eine &#x201E;Deutsche Intelligenz- und<lb/>
Correspondenz-Zeitung" plante, die Exzerpte aus andern Zeitungen und Jntelligenz¬<lb/>
blätteru liefern sollte. Dieser Plan scheiterte jedoch kurz vor seiner Ausführung.<lb/>
Auch eine Wiederholung des Versuchs im Jahre 1784 hatte keinen bessern Erfolg.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3062"> Da gründete im Jahre 1791 der Hofrat Rudolf Zacharins Becker in Gotha<lb/>
sein allgemeines Intelligenzblatt, das ihm im folgenden Jahre privilegiert wurde,<lb/>
als &#x201E;Kaiserlich privilegierter Reichs-Anzeiger oder allgemeines Intelligenzblatt zum<lb/>
Behufe der Justiz, der Polieeh und der bürgerlichen Gewerbe im Deutschen Reiche,<lb/>
wie auch zur öffentlichen Unterhaltung der Leser über gemeinnützige Gegenstände<lb/>
aller Art," und zwar wurde dieser Reichsanzeiger täglich nusgegebeu für deu Jahres¬<lb/>
preis von 4 Thalern. Seine Inserate waren keine Exzerpte aus andern Zeitungen,<lb/>
sondern Originalanzeigen und wurden mit 8 Pfennigen für die Zeile berechnet. Er<lb/>
erfreute sich, wie Schwarzkopf sagt, &#x201E;allgemeiner Beliebtheit." Natürlich entstanden<lb/>
schon nach kurzer Zeit ähnliche Unternehmungen nu andern Orten, die mit denselben<lb/>
Prätentionen auftraten wie der Beckersche Reichsanzeiger, ohne jedoch im entferntesten<lb/>
dieselbe Rolle zu spielen. Die Versuche entstanden in Stuttgart, Weißenburg i. E.,<lb/>
Nürnberg, Eßlingen, Hildburghausen und Salzburg. Die meiste» von ihnen gingen<lb/>
sehr bald wieder ein. Bemerkenswert ist, daß auch Frankreich im Jahre 1794 ein<lb/>
gleiches Zentralanzeigeblatt in dem Hugotischen .lournAl ä'Inäieation erhielt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3063" next="#ID_3064"> Nachdem wir uns über den Inhalt der Jntelligenzblcitter unterrichtet haben,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0614] Aiir Geschichte des Intelligenzwesens sind die Politischen Nachrichten, die regelmäßig aus andern rein Politischen Zeitungen entnommen sind, nichts andres als Lückenbüßer und fallen fort, wenn das Blatt von seinem sonstigen eigentlichen Inhalt gefüllt wird. Dies war beispielsweise der Fall in Schleusingen, Merseburg, Hildburghnusen, Bautzen (in spätern Jahren), Meiningen usw. Von den Jenaer wöchentlichen Anzeigen heißt es, daß ihre „Lücken oft mit politischen Anhängseln ergänzt werden"; von den Meininger: „Außerdem wird darin als stehender Artikel ein Auszug politischer Nachrichten aus den Ham¬ burger, Frankfurter, Bamberger und andern bekannten Zeitungen fortgeführt," von den Weimarischen: „Die Haupttendenz dieses Wochenblatts betrifft bloß Intelli¬ genzen usw, , , ,, die Zeitungsnachrichten aber, welche anhangsweise beigefügt werden, sind ziemlich dürftig und einseitig." Der Hauptgrund, weshalb die Jntelligenz- blätter überhaupt solche Nachrichten aufnahmen, lag wohl in der Trockenheit ihres sonstigen Inhalts. Dem Köthener Intelligenzblatt erging es folgendermaßen: „Bei Entstehung des Revolntionslriegs erhielt das Wochenblatt eine mehr politische Tendenz, da wie überall, so auch zu Köthen die Begierde nach den Tags-Neuig- keiten den Geschmack an aller außerpolitischen Lektüre verdrängte." Nachdem dann diese politische Tendenz behördlich untersagt worden war, reduzierte sich die Auf¬ lage des nunmehr wieder aufs Trockne gesetzten Blattes auf siebzig Exemplare. Von deu politischen Zeitungen hatten die meisten Anzeigen die Blätter, die über einen weiter verzweigten Abonnentenkreis verfügten. Dadurch konnten An¬ zeigen einem größern Publikum zugänglich gemacht werden, als dies bei den doch immer nur lokalen Jntelligenzblätteru der Fall war. Zu dieser Kategorie von Zeitungen geHorte die Hessische Zeitung in Kassel, die Hnnauische Zeitung, die be¬ sonders nach Österreich einen größern Absatz hatte, vor allem aber die Hamburgischen Zeitungen. Vou ihnen sagt Stiebnitz, daß „diese beiden Zeitungen (der Corre- spondent und die Neue Zeitung) für Uuiversal-Anzeiger für alle Europäischen Staaten können angesehen werden." Entsprechend dieser weitern Verbreitung sind hier auch die Jnsertionskosten beträchtlich höher als bei den gewöhnlichen Jntelligenzblätteru. Der materielle Erfolg, der sich hieraus ergab, ließ die Vorkämpfer des Jn- telligeuzwesens nicht ruhn. Es galt, den großen Zeitungen diesen Zweig des An¬ zeigewesens zu entreißen. Das konnte aber nur durch ein großes Zentralintelligenz¬ blatt für das ganze Reich geschehn. Schon der erste Schrödersche Vorschlag hatte ja im Grunde nur dieses vor Augen gehabt. Der erste, der nun wirklich mit einem Reichsiutelligenzblatt hervortrat, war der Geheimrat Joh. Phil. Schnur aus Nürnberg, der im Jahre 1775 in Darmstadt eine „Deutsche Intelligenz- und Correspondenz-Zeitung" plante, die Exzerpte aus andern Zeitungen und Jntelligenz¬ blätteru liefern sollte. Dieser Plan scheiterte jedoch kurz vor seiner Ausführung. Auch eine Wiederholung des Versuchs im Jahre 1784 hatte keinen bessern Erfolg. Da gründete im Jahre 1791 der Hofrat Rudolf Zacharins Becker in Gotha sein allgemeines Intelligenzblatt, das ihm im folgenden Jahre privilegiert wurde, als „Kaiserlich privilegierter Reichs-Anzeiger oder allgemeines Intelligenzblatt zum Behufe der Justiz, der Polieeh und der bürgerlichen Gewerbe im Deutschen Reiche, wie auch zur öffentlichen Unterhaltung der Leser über gemeinnützige Gegenstände aller Art," und zwar wurde dieser Reichsanzeiger täglich nusgegebeu für deu Jahres¬ preis von 4 Thalern. Seine Inserate waren keine Exzerpte aus andern Zeitungen, sondern Originalanzeigen und wurden mit 8 Pfennigen für die Zeile berechnet. Er erfreute sich, wie Schwarzkopf sagt, „allgemeiner Beliebtheit." Natürlich entstanden schon nach kurzer Zeit ähnliche Unternehmungen nu andern Orten, die mit denselben Prätentionen auftraten wie der Beckersche Reichsanzeiger, ohne jedoch im entferntesten dieselbe Rolle zu spielen. Die Versuche entstanden in Stuttgart, Weißenburg i. E., Nürnberg, Eßlingen, Hildburghausen und Salzburg. Die meiste» von ihnen gingen sehr bald wieder ein. Bemerkenswert ist, daß auch Frankreich im Jahre 1794 ein gleiches Zentralanzeigeblatt in dem Hugotischen .lournAl ä'Inäieation erhielt. Nachdem wir uns über den Inhalt der Jntelligenzblcitter unterrichtet haben,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/614
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/614>, abgerufen am 26.06.2024.