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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Hellenentum und Christentum

Awn nicht zerstört worden sei, und daß Homer überhaupt in allem, was er
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Scheinwesen seine Kernnatur nicht verdorben. Sein gesunder Geschmack
äußert sich auch schon in diesen Spielereien unter anderm darin, daß ihm
Äschylns besser gefällt als Euripides, und daß ihn die Lauterkeit und Ein¬
falt des sophokleischen Neoptolemos vor allem anzieht. Und die Kunstreisen
waren nur sozusagen eine Ferienerholung. Seine besten Kräfte widmete er
der Verwaltung seiner Vaterstadt und der Fürsorge für das Wohl der Provinz.
Er rühmt, daß er sein Rednertalent nicht mißbraucht, nie damit Schaden an¬
gerichtet habe. "Giebt es einen, dem ich durch Reden Kummer bereitet hätte?
Hab ich den friedlichen Bürger in Händel verwickelt oder gegen ihn gehetzt?
Hab ich einen in Gefahr gebracht, sein Vermögen durch Konfiskation einzu¬
büßen, oder als Sachwalter an einem Klienten Verrat geübt?" Die hervor¬
ragende Stellung, die er in der Stadtverwaltung einnimmt, zieht ihm wieder¬
holt und von verschiednen Seiten Haß zu. Das erstemal vom Proletariat.
In einer Hungersnot beginnt der Pöbel sein Haus zu stürmen; eine Panik,
die unter dem Haufen ausbricht, rettet ihn. Am folgenden Morgen tritt er
w der Volksversammlung auf, die über die Abhilfe beraten soll. Er sagt
unter anderm, weder sei er sich einer Mitschuld an dem Notstände bewußt,
"och halte er sich vor andern zur Hilfe verpflichtet; es gebe reichere Leute,
und darunter solche, die noch nicht gleich ihm Leiturgien geleistet hätten.
Doch erklärt er sich bereit, die Sorge für den Lebensmittelmarkt zu über¬
nehmen, wenn er für dieses Amt gewählt werde.

Auf einer seiner Kunstreisen kam er nach Rom, wo er wahrscheinlich die
Gunst des Kaisers Titus gewann. Jedenfalls verband ihn Freundschaft mit
des Kaisers Schwiegersohn I. Flavius Sabinus. den Domitmn unwahre 82
hinrichten ließ, und um dessen willen Dio aus seiner Vaterstadt und Heunat-
provinz auf unbestimmte Zeit verbannt wurde'); denn, sagt er später in einem
Bericht über seine Verbannung. wie man bei den Skythen mit den Königen
ihre Mundschenken. Köche und Kebsweiber begräbt, so ist es Sitte unsrer
Tyrannen, denen, die sie hinrichten, andre ohne Grund hinzuzufügen. Er
Hütte sich um. da er weder aus dem ganzen Reich ausgewiesen noch an einem
bestimmten Orte interniert war. in einer andern Stadt niederla sen tonnen.
Das that er nicht, weil er seinen Prusanischen Grundbesitz nicht verkaufen
sondern seinen Kindern erhalten wollte, und weil er hoffte, daß ihm eme
politische Wendung die Rückkehr in die geliebte Vaterstadt ermöglichen werde.
Außerdem gedachte er, damit zugleich dem Gemeinwesen nützend, seinem Rache¬
gefühl gegen Domitian Luft zu machen und die Tyrmmei zu be änipfen Das
konnte er am besten, wenn er. unerkannt von Ort zu Ort schweifend bald hier
bald da in einer Rede gegen die Tyrannen donnerte und gleich darauf ver-



In allem Biographischen folge ich einfach Armin, ohne die für den vorliegenden Zweck
^ elchgittigcn Meinungsverschiedenheiten der Gelehrten zu erwähnen.
Hellenentum und Christentum

Awn nicht zerstört worden sei, und daß Homer überhaupt in allem, was er
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Scheinwesen seine Kernnatur nicht verdorben. Sein gesunder Geschmack
äußert sich auch schon in diesen Spielereien unter anderm darin, daß ihm
Äschylns besser gefällt als Euripides, und daß ihn die Lauterkeit und Ein¬
falt des sophokleischen Neoptolemos vor allem anzieht. Und die Kunstreisen
waren nur sozusagen eine Ferienerholung. Seine besten Kräfte widmete er
der Verwaltung seiner Vaterstadt und der Fürsorge für das Wohl der Provinz.
Er rühmt, daß er sein Rednertalent nicht mißbraucht, nie damit Schaden an¬
gerichtet habe. „Giebt es einen, dem ich durch Reden Kummer bereitet hätte?
Hab ich den friedlichen Bürger in Händel verwickelt oder gegen ihn gehetzt?
Hab ich einen in Gefahr gebracht, sein Vermögen durch Konfiskation einzu¬
büßen, oder als Sachwalter an einem Klienten Verrat geübt?" Die hervor¬
ragende Stellung, die er in der Stadtverwaltung einnimmt, zieht ihm wieder¬
holt und von verschiednen Seiten Haß zu. Das erstemal vom Proletariat.
In einer Hungersnot beginnt der Pöbel sein Haus zu stürmen; eine Panik,
die unter dem Haufen ausbricht, rettet ihn. Am folgenden Morgen tritt er
w der Volksversammlung auf, die über die Abhilfe beraten soll. Er sagt
unter anderm, weder sei er sich einer Mitschuld an dem Notstände bewußt,
«och halte er sich vor andern zur Hilfe verpflichtet; es gebe reichere Leute,
und darunter solche, die noch nicht gleich ihm Leiturgien geleistet hätten.
Doch erklärt er sich bereit, die Sorge für den Lebensmittelmarkt zu über¬
nehmen, wenn er für dieses Amt gewählt werde.

Auf einer seiner Kunstreisen kam er nach Rom, wo er wahrscheinlich die
Gunst des Kaisers Titus gewann. Jedenfalls verband ihn Freundschaft mit
des Kaisers Schwiegersohn I. Flavius Sabinus. den Domitmn unwahre 82
hinrichten ließ, und um dessen willen Dio aus seiner Vaterstadt und Heunat-
provinz auf unbestimmte Zeit verbannt wurde'); denn, sagt er später in einem
Bericht über seine Verbannung. wie man bei den Skythen mit den Königen
ihre Mundschenken. Köche und Kebsweiber begräbt, so ist es Sitte unsrer
Tyrannen, denen, die sie hinrichten, andre ohne Grund hinzuzufügen. Er
Hütte sich um. da er weder aus dem ganzen Reich ausgewiesen noch an einem
bestimmten Orte interniert war. in einer andern Stadt niederla sen tonnen.
Das that er nicht, weil er seinen Prusanischen Grundbesitz nicht verkaufen
sondern seinen Kindern erhalten wollte, und weil er hoffte, daß ihm eme
politische Wendung die Rückkehr in die geliebte Vaterstadt ermöglichen werde.
Außerdem gedachte er, damit zugleich dem Gemeinwesen nützend, seinem Rache¬
gefühl gegen Domitian Luft zu machen und die Tyrmmei zu be änipfen Das
konnte er am besten, wenn er. unerkannt von Ort zu Ort schweifend bald hier
bald da in einer Rede gegen die Tyrannen donnerte und gleich darauf ver-



In allem Biographischen folge ich einfach Armin, ohne die für den vorliegenden Zweck
^ elchgittigcn Meinungsverschiedenheiten der Gelehrten zu erwähnen.
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[0595] Hellenentum und Christentum Awn nicht zerstört worden sei, und daß Homer überhaupt in allem, was er , , -x— -—? ^.>.,^v Scheinwesen seine Kernnatur nicht verdorben. Sein gesunder Geschmack äußert sich auch schon in diesen Spielereien unter anderm darin, daß ihm Äschylns besser gefällt als Euripides, und daß ihn die Lauterkeit und Ein¬ falt des sophokleischen Neoptolemos vor allem anzieht. Und die Kunstreisen waren nur sozusagen eine Ferienerholung. Seine besten Kräfte widmete er der Verwaltung seiner Vaterstadt und der Fürsorge für das Wohl der Provinz. Er rühmt, daß er sein Rednertalent nicht mißbraucht, nie damit Schaden an¬ gerichtet habe. „Giebt es einen, dem ich durch Reden Kummer bereitet hätte? Hab ich den friedlichen Bürger in Händel verwickelt oder gegen ihn gehetzt? Hab ich einen in Gefahr gebracht, sein Vermögen durch Konfiskation einzu¬ büßen, oder als Sachwalter an einem Klienten Verrat geübt?" Die hervor¬ ragende Stellung, die er in der Stadtverwaltung einnimmt, zieht ihm wieder¬ holt und von verschiednen Seiten Haß zu. Das erstemal vom Proletariat. In einer Hungersnot beginnt der Pöbel sein Haus zu stürmen; eine Panik, die unter dem Haufen ausbricht, rettet ihn. Am folgenden Morgen tritt er w der Volksversammlung auf, die über die Abhilfe beraten soll. Er sagt unter anderm, weder sei er sich einer Mitschuld an dem Notstände bewußt, «och halte er sich vor andern zur Hilfe verpflichtet; es gebe reichere Leute, und darunter solche, die noch nicht gleich ihm Leiturgien geleistet hätten. Doch erklärt er sich bereit, die Sorge für den Lebensmittelmarkt zu über¬ nehmen, wenn er für dieses Amt gewählt werde. Auf einer seiner Kunstreisen kam er nach Rom, wo er wahrscheinlich die Gunst des Kaisers Titus gewann. Jedenfalls verband ihn Freundschaft mit des Kaisers Schwiegersohn I. Flavius Sabinus. den Domitmn unwahre 82 hinrichten ließ, und um dessen willen Dio aus seiner Vaterstadt und Heunat- provinz auf unbestimmte Zeit verbannt wurde'); denn, sagt er später in einem Bericht über seine Verbannung. wie man bei den Skythen mit den Königen ihre Mundschenken. Köche und Kebsweiber begräbt, so ist es Sitte unsrer Tyrannen, denen, die sie hinrichten, andre ohne Grund hinzuzufügen. Er Hütte sich um. da er weder aus dem ganzen Reich ausgewiesen noch an einem bestimmten Orte interniert war. in einer andern Stadt niederla sen tonnen. Das that er nicht, weil er seinen Prusanischen Grundbesitz nicht verkaufen sondern seinen Kindern erhalten wollte, und weil er hoffte, daß ihm eme politische Wendung die Rückkehr in die geliebte Vaterstadt ermöglichen werde. Außerdem gedachte er, damit zugleich dem Gemeinwesen nützend, seinem Rache¬ gefühl gegen Domitian Luft zu machen und die Tyrmmei zu be änipfen Das konnte er am besten, wenn er. unerkannt von Ort zu Ort schweifend bald hier bald da in einer Rede gegen die Tyrannen donnerte und gleich darauf ver- In allem Biographischen folge ich einfach Armin, ohne die für den vorliegenden Zweck ^ elchgittigcn Meinungsverschiedenheiten der Gelehrten zu erwähnen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/595>, abgerufen am 26.06.2024.