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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Latholica

selbes nach der sozialen und der apologetischen Seite erheischt umfassendere
Ausgestaltung des Studienganges und mehr systematischen Vortrag,

In Italien und Frankreich herrschen in weiten Kreisen noch Ansichten
über die priesterliche Bildung, über den Umfang des einem Priester not¬
wendigen und nützlichen Wissens, die sich mit den unsern -- wenn man von
einzelnen besonders rückständigen Elementen absieht -- glücklicherweise nicht
decken. Hand in Hand damit geht eine Auffassung, die für die Erziehung
der Kleriker das Heil mir in der vollständigsten Abschließung von der Welt
sieht. Auch während der Ferien strebt man danach, diese, wie es in Italien
geschieht, völlig unter Verschluß zu halten. Ob man dadurch nicht die schwersten
innern Kämpfe bei manchen heraufbeschwört, wenn man den jungen Priester
nach sieben- bis neunjähriger Abschließung dann auf einmal der Welt gegen¬
überstellt, will ich hier nicht untersuchen. Die Erörterung dieser Frage gehört
vor ein andres Forum und hat bestimmte Dinge zur Voraussetzung, die hier
nicht vorliegen.

Der Prozentsatz von deutschen Klerikern, die an Sau Apollinare ihre
Ausbildung erhalten, ist ganz verschwindend. Eigentlich mehr zufällig geraten
einige deutsche Kleriker dorthin, weil die geschlossenen Massen der jungen
Deutschen durchgängig im Germanitum und im Mutterhnuse der Salvntoriauer
zu suchen sind, und beide Ausdenken ihre Zöglinge in die Gregoriaua ent¬
senden.

Die jetzige Einrichtung der Hochschule, d. h. die Erteilung des Unter¬
richts durch den römischen Weltklerus, stammt aus dem Jahre 1824, während
das römische Seminar selbst im Jahre 1.565 gegründet worden ist. Es muß
anerkannt werden, daß sich die Unterrichtsnnstalt aus kleinen Anfängen zu
einer sehr großen Blüte entwickelt hat, zumal nachdem in der neusten Zeit
auf den sachgemäßen Ausbau der juristischen Fakutät so viel Sorgfalt ver¬
wandt worden ist. Hierbei muß zur Vorbeugung einer falschen Beurteilung
dieser Fakultät hervorgehoben werdem daß die Bedürfnisse der Geistlichen bei
dem Zivilrecht und dem Strafrecht und einzelnen sonstigen Materien der
Rechtswissenschaft ganz anders sind, als bei denen, die sich der praktischen
Rechtspflege oder der staatlichen Verwaltung widmen. Billig denkende Menschen,
die den Zweck der Fakultät im Ange behalten, werden darum bereitwillig an¬
erkennen, daß die Fakultät irgendwelche wesentlichen Mängel nicht aufzuweisen
hat. Für die, die uur im kanonischen Rechte promovieren wollen, ist eine
besondre Studienordnung vorgeschrieben. Auch bestehn für die Nichtitaliener,
die beider Rechte Doktor werden wollen, gewisse Erleichterungen im Besuch
einiger Vorlesungen. Das hat darin seinen Grund, daß diese Nichtitaliener
fast ausnahmelos schon Priester sind, wenn sie sich in die Fakultät einschreiben
lassen, und man von ihnen mit Recht voraussetzt, daß gewisse Materien
von ihnen bei ihrem theologischen Studium in der Heimat schon absolviert
worden sind.




Latholica

selbes nach der sozialen und der apologetischen Seite erheischt umfassendere
Ausgestaltung des Studienganges und mehr systematischen Vortrag,

In Italien und Frankreich herrschen in weiten Kreisen noch Ansichten
über die priesterliche Bildung, über den Umfang des einem Priester not¬
wendigen und nützlichen Wissens, die sich mit den unsern — wenn man von
einzelnen besonders rückständigen Elementen absieht — glücklicherweise nicht
decken. Hand in Hand damit geht eine Auffassung, die für die Erziehung
der Kleriker das Heil mir in der vollständigsten Abschließung von der Welt
sieht. Auch während der Ferien strebt man danach, diese, wie es in Italien
geschieht, völlig unter Verschluß zu halten. Ob man dadurch nicht die schwersten
innern Kämpfe bei manchen heraufbeschwört, wenn man den jungen Priester
nach sieben- bis neunjähriger Abschließung dann auf einmal der Welt gegen¬
überstellt, will ich hier nicht untersuchen. Die Erörterung dieser Frage gehört
vor ein andres Forum und hat bestimmte Dinge zur Voraussetzung, die hier
nicht vorliegen.

Der Prozentsatz von deutschen Klerikern, die an Sau Apollinare ihre
Ausbildung erhalten, ist ganz verschwindend. Eigentlich mehr zufällig geraten
einige deutsche Kleriker dorthin, weil die geschlossenen Massen der jungen
Deutschen durchgängig im Germanitum und im Mutterhnuse der Salvntoriauer
zu suchen sind, und beide Ausdenken ihre Zöglinge in die Gregoriaua ent¬
senden.

Die jetzige Einrichtung der Hochschule, d. h. die Erteilung des Unter¬
richts durch den römischen Weltklerus, stammt aus dem Jahre 1824, während
das römische Seminar selbst im Jahre 1.565 gegründet worden ist. Es muß
anerkannt werden, daß sich die Unterrichtsnnstalt aus kleinen Anfängen zu
einer sehr großen Blüte entwickelt hat, zumal nachdem in der neusten Zeit
auf den sachgemäßen Ausbau der juristischen Fakutät so viel Sorgfalt ver¬
wandt worden ist. Hierbei muß zur Vorbeugung einer falschen Beurteilung
dieser Fakultät hervorgehoben werdem daß die Bedürfnisse der Geistlichen bei
dem Zivilrecht und dem Strafrecht und einzelnen sonstigen Materien der
Rechtswissenschaft ganz anders sind, als bei denen, die sich der praktischen
Rechtspflege oder der staatlichen Verwaltung widmen. Billig denkende Menschen,
die den Zweck der Fakultät im Ange behalten, werden darum bereitwillig an¬
erkennen, daß die Fakultät irgendwelche wesentlichen Mängel nicht aufzuweisen
hat. Für die, die uur im kanonischen Rechte promovieren wollen, ist eine
besondre Studienordnung vorgeschrieben. Auch bestehn für die Nichtitaliener,
die beider Rechte Doktor werden wollen, gewisse Erleichterungen im Besuch
einiger Vorlesungen. Das hat darin seinen Grund, daß diese Nichtitaliener
fast ausnahmelos schon Priester sind, wenn sie sich in die Fakultät einschreiben
lassen, und man von ihnen mit Recht voraussetzt, daß gewisse Materien
von ihnen bei ihrem theologischen Studium in der Heimat schon absolviert
worden sind.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/542>, abgerufen am 28.09.2024.