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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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syrisch, Tougiorgi als Logiker und Metaphysiker, Scachi für Astronomie,
Marchi für Griechisch usw.; während bei San Apollinare uns nennen begegnen,
von denen auch nicht einer es zu einer relativen Unsterblichkeit gebracht hat.
Oder wer wüßte heute in der Theologie und Philosophie noch viel von den
Capalti, Urbcmi, Vcilletti, Arcangeli, Copa, Santori, Cardoni, Delicati und
andern?

Gegenwärtig scheint die Sache ziemlich umgekehrt zu sein. Wenn man
von einzelnen hervorragend oder gut besetzten Fächern an der Gregoriana ab¬
sieht, sind die übrigen leidlich, einige schlecht besetzt. In San Apollinare ist
zwar keine theologische Kraft, die an Billot heranreichte, und vielleicht much
kein Moralist von der südländischen Beweglichkeit an Körper und Geist wie
Vueeerom; jedoch ist das Gesamtergebnis und die Vielseitigkeit der Ausbildung
an dieser Hochschule besser als an jener Universität. Ganz besonders ist der
Umfang der juristischen Ausbildung und die große Möglichkeit der Erlernung der
verschiedensten orientalischen und slawischen Sprachen in San Apollinare ans
das lobendste anzuerkennen, und es muß im Auge behalten werden, daß eine
stattliche Zahl der Studenten von dem Gebotnen reichlich Gebrauch macht. Da
der Unterricht in der dogmatischen Theologie an San Apollinare nicht in der
Wohl zu eingehenden Weise gehandhabt wird, wie wir es im vorigen Aufsatz
für die Gregoriana haben feststellen müssen, so kann er auf audern Gebieten
">ehr in die Breite gehn, mehr Fächer umfassen und den heutigen Bedürfnissen
Wohl zweifellos besser entsprechen.

Es ist bekannt, daß nicht wenig Bischöfe in den verschiedensten Ländern,
die junge Leute in die zahlreichen nationalen Kollegien Roms zu ihrer philo¬
sophischen und theologischen Ausbildung senden, es sehr gern sehen möchten,
wenn der Lehrplan an deu römischen Hochschulen (Gregoriana^, San Apollinare,
Propaganda, Minerva usw.) etwas mehr ans die praktischen Bedürfnisse des
täglichen Lebens zugeschnitten würde, wenn die römischen Doktoren etwas mehr
Kenntnis von der 'historischen und der praktische.! Theologie mit nach Hause
brächten, wenn man ihnen die Beichtfnkultäten auch ohne ein besondres, in
der Heimat abzulegendes Examen anvertrauen könnte, wenn sie den gewaltigen
sozialen Problemen unsrer Tage während ihrer Studienzeit auch nur cunger-
"oben nahe getreten wären, wenn sie sich vielleicht etwas weniger dialektische
Schulung, dafür aber mehr Sinn und Verständnis für die Pastoralen Auf¬
gaben im großen wie im kleinen aneignen würden, und was dergleichen Dinge
Wehr sind.'

Es läßt sich nicht leugnen, daß der voowr RoinanuL in katholischen wie
nichtkatholischen Kreisen, soweit sie vorurteilslos und mit Sachkenntnis urteilen,
längst nicht so bewertet wird, wie ein an den deutschen und den österreichischen
Universitäten erworbnes Doktorat. Einmal spricht dabei mit die relative Un-
bedeutendheit der schriftlichen Prüfung und dann das beschränkte Prüfungs-
"ebiet im mündlichen Examen. Hier wäre dringend eine Ändrung geboten.
Und wenn man da eingriffe, so würde zum Vorteil des ganzen Studiums
der Lehrplan und die Lehrmethode in Mitleidenschaft gezogen werden. Neue
Zeiten verlangen neue Methoden; die Erweiterung des priesterlichen Arbeits-


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syrisch, Tougiorgi als Logiker und Metaphysiker, Scachi für Astronomie,
Marchi für Griechisch usw.; während bei San Apollinare uns nennen begegnen,
von denen auch nicht einer es zu einer relativen Unsterblichkeit gebracht hat.
Oder wer wüßte heute in der Theologie und Philosophie noch viel von den
Capalti, Urbcmi, Vcilletti, Arcangeli, Copa, Santori, Cardoni, Delicati und
andern?

Gegenwärtig scheint die Sache ziemlich umgekehrt zu sein. Wenn man
von einzelnen hervorragend oder gut besetzten Fächern an der Gregoriana ab¬
sieht, sind die übrigen leidlich, einige schlecht besetzt. In San Apollinare ist
zwar keine theologische Kraft, die an Billot heranreichte, und vielleicht much
kein Moralist von der südländischen Beweglichkeit an Körper und Geist wie
Vueeerom; jedoch ist das Gesamtergebnis und die Vielseitigkeit der Ausbildung
an dieser Hochschule besser als an jener Universität. Ganz besonders ist der
Umfang der juristischen Ausbildung und die große Möglichkeit der Erlernung der
verschiedensten orientalischen und slawischen Sprachen in San Apollinare ans
das lobendste anzuerkennen, und es muß im Auge behalten werden, daß eine
stattliche Zahl der Studenten von dem Gebotnen reichlich Gebrauch macht. Da
der Unterricht in der dogmatischen Theologie an San Apollinare nicht in der
Wohl zu eingehenden Weise gehandhabt wird, wie wir es im vorigen Aufsatz
für die Gregoriana haben feststellen müssen, so kann er auf audern Gebieten
">ehr in die Breite gehn, mehr Fächer umfassen und den heutigen Bedürfnissen
Wohl zweifellos besser entsprechen.

Es ist bekannt, daß nicht wenig Bischöfe in den verschiedensten Ländern,
die junge Leute in die zahlreichen nationalen Kollegien Roms zu ihrer philo¬
sophischen und theologischen Ausbildung senden, es sehr gern sehen möchten,
wenn der Lehrplan an deu römischen Hochschulen (Gregoriana^, San Apollinare,
Propaganda, Minerva usw.) etwas mehr ans die praktischen Bedürfnisse des
täglichen Lebens zugeschnitten würde, wenn die römischen Doktoren etwas mehr
Kenntnis von der 'historischen und der praktische.! Theologie mit nach Hause
brächten, wenn man ihnen die Beichtfnkultäten auch ohne ein besondres, in
der Heimat abzulegendes Examen anvertrauen könnte, wenn sie den gewaltigen
sozialen Problemen unsrer Tage während ihrer Studienzeit auch nur cunger-
"oben nahe getreten wären, wenn sie sich vielleicht etwas weniger dialektische
Schulung, dafür aber mehr Sinn und Verständnis für die Pastoralen Auf¬
gaben im großen wie im kleinen aneignen würden, und was dergleichen Dinge
Wehr sind.'

Es läßt sich nicht leugnen, daß der voowr RoinanuL in katholischen wie
nichtkatholischen Kreisen, soweit sie vorurteilslos und mit Sachkenntnis urteilen,
längst nicht so bewertet wird, wie ein an den deutschen und den österreichischen
Universitäten erworbnes Doktorat. Einmal spricht dabei mit die relative Un-
bedeutendheit der schriftlichen Prüfung und dann das beschränkte Prüfungs-
»ebiet im mündlichen Examen. Hier wäre dringend eine Ändrung geboten.
Und wenn man da eingriffe, so würde zum Vorteil des ganzen Studiums
der Lehrplan und die Lehrmethode in Mitleidenschaft gezogen werden. Neue
Zeiten verlangen neue Methoden; die Erweiterung des priesterlichen Arbeits-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/541>, abgerufen am 29.06.2024.