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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Rurscichsische Ser^ifznge

Kemerik (später Kemberg) bei Wittenberg, der heutigen Residenz s'Gravenhage
(Haag) das sächsische Gräfcnhainichen.

Die erste sichere urkundliche Erwähnung Wittcnbergs füllt ins Jahr 1180;
das ist das Jahr, wo Bernhard von Askauien nach der Achtung Heinrichs
des Löwen mit Sachsen, in Wahrheit nur mit dem Kurkreise belehnt wurde.
Doch ist damals Wittenberg schwerlich schon Residenz gewesen, denn Bernhard
wurde bei seinen Vorfahren in Ballenstädt, sein Nachfolger Albert I. (1212 bis
1260) im brandenburgischen Kloster Lehnin bestattet. Erst dessen Witwe Helena,
die schon bei Lebzeiten ihres Mannes (etwa 1248) das Franziskanerkloster zu
Wittenberg gestiftet hatte, erbaute dort zwischen 1260 und 1273 die Franzis¬
kanerkirche als ausschließliche Begräbnisstätte ihres Hauses. Von ihrem Tode
(1273) an bis zum Aussterben der sächsischen Askanier sind 27 Glieder der
Familie in der Wittenberger Franziskanerkirche beigesetzt worden. Aber diese
ehrwürdige Begräbnisstätte hat ein merkwürdiges Schicksal erfahren: 1521
wurde das Kloster aufgelöst; 1544 wurde die Kirche, als die ersten Wolken
des drohenden Schmalkaldischen Krieges über den Horizont heraufstiegen, auf
Befehl des Kurfürsten Johann Friedrich in ein Proviantmngazin umgewandelt,
wobei mit den Gräbern und Grabsteinen der Askanier in der rücksichtslosesten
Weise verfahren wurde. Glücklicherweise rettete Melnuchthou wenigstens den
Stein der Kurfürstin Kunigunde (1' 1333) in die Schloßkirche und schrieb die In¬
schriften der andern ab, die sein Schüler Balthasar Mentzius 1604 veröffentlichte.
Später wurde die Kirche in die Zeughanskaserne umgewandelt, und in dieser
haben die unter der Leitung des Regi'ernngsrats von Hirschfeld 1883 veranstal¬
teten Nachgrabungen zur Aufdeckung aller 27 Askauiergräber geführt, deren
Särge am 13. November 1883 endlich in der Schloßkirche'wieder'eine geweihte
Ruhestatt gefunden haben. Aus der langen Reihe der (Manischen Fürstlich¬
keiten, die in Wittenberg residiert haben, hebe ich hier nur eine einzige hervor
wegen der merkwürdigen Schicksale, die sie erduldete: Siliola (Cäcilie), die
Gemahlin des Kurfürsten Wenzel (1370 bis 1402), eine Tochter des kriegs-
gewnltcgeu italischen Neichsviknrs Francesco Carrara von Padua. Wie -mag
wohl die reizlose Klemstadt an der Elbe mit den Schindel- und strohgedeckten
Bürgerhäusern, wie mag die düstere Burg der Askanier mit ihren/ rauhen
Sitten diese hochgebildete Italienerin angemutet haben, die das schou vom
Zauber der Renaissance berührte Hofleben in Padua gekostet und die Freund¬
schaft eines Petrarca genossen hatte! Und doch kehrte sie auch uach dem Tode
ihres Gemahls nicht in die sonnige Heimat zurück, sondern harrte bis zu ihrem
um Jahre 1429 erfolgten Tode auf ihrem schlichten Leibgedinge zu Zahncr
bei Wittenberg aus. Sie hätte allerdings daheim Schlimmes mit ansehen
"Nissen, denn ihr ganzes Geschlecht wurde 1406 von dem mit den Venetianern
Verbündeten Maria Visconti von Mailand ausgetilgt: ihr Vater und ihre
beiden Brüder wurden zuerst als Gefangne in einen engen Käfig gesperrt
und dann erdrosselt. Aber auch in Deutschland war ihr'wenig Freude be-
Meden: sie mußte auch hier den Untergang ihrer Nachkommenschaft mit er¬
eben. Ihr Sohn, der glanzliebende, aber in ewige Händel verstrickte Rudolf 111.
1402 bis 1419), verlor im Jahre 1406 seine drei Söhne; der älteste, Rudolf,
starb eines natürlichen Todes; die beiden jüngern, Wenzel und Sigismund,
Wurden vom einstürzenden Turme des Schwcinitzer Schlosses erschlagen. Und
Mes Rudolfs III. jüngerer Bruder. Albrecht III. (1419 bis 1422), starb vor
Schreck über das furchtbare Lochauer Brandunglück (s. 1902. I, S. 372), ohne
einen männlichen Erben zu hinterlassen. So mußte die greise Siliola mit
Ansehen, wie im Jahre 1423 die Kur und das Gebiet von ^achseu-Witten-
berg an den Wettiner Friedrich den streitbaren überging. Das sächsisch-
"flämische Haus hatte von vornherein darunter gelitten, daß seinen hohen Titeln
und Verpflichtungen für das Reich die bescheidne Macht, die es wirklich


Rurscichsische Ser^ifznge

Kemerik (später Kemberg) bei Wittenberg, der heutigen Residenz s'Gravenhage
(Haag) das sächsische Gräfcnhainichen.

Die erste sichere urkundliche Erwähnung Wittcnbergs füllt ins Jahr 1180;
das ist das Jahr, wo Bernhard von Askauien nach der Achtung Heinrichs
des Löwen mit Sachsen, in Wahrheit nur mit dem Kurkreise belehnt wurde.
Doch ist damals Wittenberg schwerlich schon Residenz gewesen, denn Bernhard
wurde bei seinen Vorfahren in Ballenstädt, sein Nachfolger Albert I. (1212 bis
1260) im brandenburgischen Kloster Lehnin bestattet. Erst dessen Witwe Helena,
die schon bei Lebzeiten ihres Mannes (etwa 1248) das Franziskanerkloster zu
Wittenberg gestiftet hatte, erbaute dort zwischen 1260 und 1273 die Franzis¬
kanerkirche als ausschließliche Begräbnisstätte ihres Hauses. Von ihrem Tode
(1273) an bis zum Aussterben der sächsischen Askanier sind 27 Glieder der
Familie in der Wittenberger Franziskanerkirche beigesetzt worden. Aber diese
ehrwürdige Begräbnisstätte hat ein merkwürdiges Schicksal erfahren: 1521
wurde das Kloster aufgelöst; 1544 wurde die Kirche, als die ersten Wolken
des drohenden Schmalkaldischen Krieges über den Horizont heraufstiegen, auf
Befehl des Kurfürsten Johann Friedrich in ein Proviantmngazin umgewandelt,
wobei mit den Gräbern und Grabsteinen der Askanier in der rücksichtslosesten
Weise verfahren wurde. Glücklicherweise rettete Melnuchthou wenigstens den
Stein der Kurfürstin Kunigunde (1' 1333) in die Schloßkirche und schrieb die In¬
schriften der andern ab, die sein Schüler Balthasar Mentzius 1604 veröffentlichte.
Später wurde die Kirche in die Zeughanskaserne umgewandelt, und in dieser
haben die unter der Leitung des Regi'ernngsrats von Hirschfeld 1883 veranstal¬
teten Nachgrabungen zur Aufdeckung aller 27 Askauiergräber geführt, deren
Särge am 13. November 1883 endlich in der Schloßkirche'wieder'eine geweihte
Ruhestatt gefunden haben. Aus der langen Reihe der (Manischen Fürstlich¬
keiten, die in Wittenberg residiert haben, hebe ich hier nur eine einzige hervor
wegen der merkwürdigen Schicksale, die sie erduldete: Siliola (Cäcilie), die
Gemahlin des Kurfürsten Wenzel (1370 bis 1402), eine Tochter des kriegs-
gewnltcgeu italischen Neichsviknrs Francesco Carrara von Padua. Wie -mag
wohl die reizlose Klemstadt an der Elbe mit den Schindel- und strohgedeckten
Bürgerhäusern, wie mag die düstere Burg der Askanier mit ihren/ rauhen
Sitten diese hochgebildete Italienerin angemutet haben, die das schou vom
Zauber der Renaissance berührte Hofleben in Padua gekostet und die Freund¬
schaft eines Petrarca genossen hatte! Und doch kehrte sie auch uach dem Tode
ihres Gemahls nicht in die sonnige Heimat zurück, sondern harrte bis zu ihrem
um Jahre 1429 erfolgten Tode auf ihrem schlichten Leibgedinge zu Zahncr
bei Wittenberg aus. Sie hätte allerdings daheim Schlimmes mit ansehen
"Nissen, denn ihr ganzes Geschlecht wurde 1406 von dem mit den Venetianern
Verbündeten Maria Visconti von Mailand ausgetilgt: ihr Vater und ihre
beiden Brüder wurden zuerst als Gefangne in einen engen Käfig gesperrt
und dann erdrosselt. Aber auch in Deutschland war ihr'wenig Freude be-
Meden: sie mußte auch hier den Untergang ihrer Nachkommenschaft mit er¬
eben. Ihr Sohn, der glanzliebende, aber in ewige Händel verstrickte Rudolf 111.
1402 bis 1419), verlor im Jahre 1406 seine drei Söhne; der älteste, Rudolf,
starb eines natürlichen Todes; die beiden jüngern, Wenzel und Sigismund,
Wurden vom einstürzenden Turme des Schwcinitzer Schlosses erschlagen. Und
Mes Rudolfs III. jüngerer Bruder. Albrecht III. (1419 bis 1422), starb vor
Schreck über das furchtbare Lochauer Brandunglück (s. 1902. I, S. 372), ohne
einen männlichen Erben zu hinterlassen. So mußte die greise Siliola mit
Ansehen, wie im Jahre 1423 die Kur und das Gebiet von ^achseu-Witten-
berg an den Wettiner Friedrich den streitbaren überging. Das sächsisch-
"flämische Haus hatte von vornherein darunter gelitten, daß seinen hohen Titeln
und Verpflichtungen für das Reich die bescheidne Macht, die es wirklich


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[0493] Rurscichsische Ser^ifznge Kemerik (später Kemberg) bei Wittenberg, der heutigen Residenz s'Gravenhage (Haag) das sächsische Gräfcnhainichen. Die erste sichere urkundliche Erwähnung Wittcnbergs füllt ins Jahr 1180; das ist das Jahr, wo Bernhard von Askauien nach der Achtung Heinrichs des Löwen mit Sachsen, in Wahrheit nur mit dem Kurkreise belehnt wurde. Doch ist damals Wittenberg schwerlich schon Residenz gewesen, denn Bernhard wurde bei seinen Vorfahren in Ballenstädt, sein Nachfolger Albert I. (1212 bis 1260) im brandenburgischen Kloster Lehnin bestattet. Erst dessen Witwe Helena, die schon bei Lebzeiten ihres Mannes (etwa 1248) das Franziskanerkloster zu Wittenberg gestiftet hatte, erbaute dort zwischen 1260 und 1273 die Franzis¬ kanerkirche als ausschließliche Begräbnisstätte ihres Hauses. Von ihrem Tode (1273) an bis zum Aussterben der sächsischen Askanier sind 27 Glieder der Familie in der Wittenberger Franziskanerkirche beigesetzt worden. Aber diese ehrwürdige Begräbnisstätte hat ein merkwürdiges Schicksal erfahren: 1521 wurde das Kloster aufgelöst; 1544 wurde die Kirche, als die ersten Wolken des drohenden Schmalkaldischen Krieges über den Horizont heraufstiegen, auf Befehl des Kurfürsten Johann Friedrich in ein Proviantmngazin umgewandelt, wobei mit den Gräbern und Grabsteinen der Askanier in der rücksichtslosesten Weise verfahren wurde. Glücklicherweise rettete Melnuchthou wenigstens den Stein der Kurfürstin Kunigunde (1' 1333) in die Schloßkirche und schrieb die In¬ schriften der andern ab, die sein Schüler Balthasar Mentzius 1604 veröffentlichte. Später wurde die Kirche in die Zeughanskaserne umgewandelt, und in dieser haben die unter der Leitung des Regi'ernngsrats von Hirschfeld 1883 veranstal¬ teten Nachgrabungen zur Aufdeckung aller 27 Askauiergräber geführt, deren Särge am 13. November 1883 endlich in der Schloßkirche'wieder'eine geweihte Ruhestatt gefunden haben. Aus der langen Reihe der (Manischen Fürstlich¬ keiten, die in Wittenberg residiert haben, hebe ich hier nur eine einzige hervor wegen der merkwürdigen Schicksale, die sie erduldete: Siliola (Cäcilie), die Gemahlin des Kurfürsten Wenzel (1370 bis 1402), eine Tochter des kriegs- gewnltcgeu italischen Neichsviknrs Francesco Carrara von Padua. Wie -mag wohl die reizlose Klemstadt an der Elbe mit den Schindel- und strohgedeckten Bürgerhäusern, wie mag die düstere Burg der Askanier mit ihren/ rauhen Sitten diese hochgebildete Italienerin angemutet haben, die das schou vom Zauber der Renaissance berührte Hofleben in Padua gekostet und die Freund¬ schaft eines Petrarca genossen hatte! Und doch kehrte sie auch uach dem Tode ihres Gemahls nicht in die sonnige Heimat zurück, sondern harrte bis zu ihrem um Jahre 1429 erfolgten Tode auf ihrem schlichten Leibgedinge zu Zahncr bei Wittenberg aus. Sie hätte allerdings daheim Schlimmes mit ansehen "Nissen, denn ihr ganzes Geschlecht wurde 1406 von dem mit den Venetianern Verbündeten Maria Visconti von Mailand ausgetilgt: ihr Vater und ihre beiden Brüder wurden zuerst als Gefangne in einen engen Käfig gesperrt und dann erdrosselt. Aber auch in Deutschland war ihr'wenig Freude be- Meden: sie mußte auch hier den Untergang ihrer Nachkommenschaft mit er¬ eben. Ihr Sohn, der glanzliebende, aber in ewige Händel verstrickte Rudolf 111. 1402 bis 1419), verlor im Jahre 1406 seine drei Söhne; der älteste, Rudolf, starb eines natürlichen Todes; die beiden jüngern, Wenzel und Sigismund, Wurden vom einstürzenden Turme des Schwcinitzer Schlosses erschlagen. Und Mes Rudolfs III. jüngerer Bruder. Albrecht III. (1419 bis 1422), starb vor Schreck über das furchtbare Lochauer Brandunglück (s. 1902. I, S. 372), ohne einen männlichen Erben zu hinterlassen. So mußte die greise Siliola mit Ansehen, wie im Jahre 1423 die Kur und das Gebiet von ^achseu-Witten- berg an den Wettiner Friedrich den streitbaren überging. Das sächsisch- "flämische Haus hatte von vornherein darunter gelitten, daß seinen hohen Titeln und Verpflichtungen für das Reich die bescheidne Macht, die es wirklich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/493>, abgerufen am 29.06.2024.