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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

gefiele, und -- jedenfalls besser. Der wollte Bronzefignren, jener farbigen Marmor;
dieser wünschte die Gruppen im ganzen Tiergarten verteilt zu sehen -- wie das
sein Onkel in seinem Park gehalten habe --, und der wiederum wollte überhaupt
eine ganz andre Idee ausgeführt wissen, z. B. Standbilder, sagen wir mal der
bedeutendsten Musiker und Dichter. Kurzum, das Geschenk, das noch gar nicht da
stand, wurde bekrittelt und benörgelt. Ein solches Unternehmen könne nicht in so
kurzer Zeit ausgeführt werden, dazu gehörten Menschenalter. Nur die allererste"
Künstler hätten beteiligt sein dürfe", man hätte uns nur dafür Vorschläge machen
lassen sollen. Also man wollte ein Skulptureumuseum etwa geschaffen sehen, woran
die "Größten" mitgeholfen hätten. -- Ja, wer sind nun die Größten? Wer
urteilt darüber als Zeitgenosse? Der Kunstästhetiker etwa? Und wie viele bleiben
denn so um die Jahrhundertwende herum übrig, wenn alles durchgesiebt worden ist?
Und wie viele, wenn ein weiteres Jahrhundert darüber vergangen ist -- wie wenige
davon, will ich sagen --, wird sich die Kunstgeschichte herausgesucht haben, um sie
als die Größten zu bezeichnen?

Wenn der Kaiser auf die Notwendigkeit hinweist, daß das ästhetische Aus¬
geglichensein Vorbedingung sei für höchste Kunst, und die Antike als vorbildlich
hinstellt, so reiht er sich damit ein in die Zahl der künstlerisch und ästhetisch ge¬
bildeten, feinfühligen Kunstfreunde. Nicht das, daß man als Künstler seine Zeit
schildert und an den Kunstbestrebungen innigen Anteil nimmt, macht den Künstler,
sondern daß man künstlerisch sein Zeitbild wiederzugeben imstande ist. Für den
Kaiser existiert darum auch die neue Richtung nicht als solche, sondern nur das,
was sie an guter Kunst zeitigt. Und ich glaube, da haben auch andre feinfühlige
Menschen die eigentümliche Entdeckung gemacht, daß die Handvoll genialer Künstler,
die "Eignen," die die "Jungen" immer an die Spitze ihrer Phalanx stellen, die
besten der "Alten" sind. Konrad Lange führt einen Teil davon selber mit Namen
auf: Böcklin. Leiht, Thoma, Abbe, Menzel, Graf Kalkreuth -- das sind alles
Künstler, die nicht an den Rockschößen andrer hängen, die auch nicht in "moderner
Richtung" etwas schaffen, sondern das sind eben Künstler von Gottes Gnaden, die
mit irgend einer "Richtung" gar nichts zu thun haben. Wenn ich Herrn Professor
Lauge richtig verstehe, so meint er, hier sei eine Art Clique vorhanden, die an
der Ausführung beteiligt gewesen sei, und es sei sehr bedauerlich, daß von der
andern Clique, der Langischen, keiner herangezogen worden sei. Hier erzählt man
sich nun aber, es seien "hervorragend tüchtige" Bildhauer berufen worden, die
Idee des Herrschers auszuführen. Man hat sich wohl nicht getraut, die von der
Kunstästhetik festgestellten "allerersten Nummern" von Künstlern zu wählen, weil
es sich schon öfter gezeigt hatte, daß gerade diese Abgötter schon nach fünf Jahren
etwa wieder von ihrem Ptedestal heruntergeholt worden waren. Und man hat da
den Ausweg gefunden, einfach bewährte, zu den Tüchtigsten gezählte Künstler zur
Ausführung zu nehmen. Sicher ist sicher! Die sind noch nicht als die genialen
Nettsten verschrieen, wenn es auch immerhin sein kann, daß einige davon später
einmal noch zu diesem Ruhm kommen werden.

Es galt die Idee, eine Ahnengalerie zu schaffen, Herrscherdenkmäler in einer
ganz bestimmten Form, architektonisch aneinandergereiht, die als Ganzes betrachtet
auch durch die Anzahl selber dekorativ wirken sollte. Noch läßt sich diese Wirkung
nicht ganz übersehen, denn es fehlen die Verbindungsglieder zwischen den einzelnen
Gruppen -- entweder lebendige Hecken, oder noch besser auch von Marmor aus¬
geführte niedrige Balustraden, die dünn dem Beschauer den einheitlichen archi¬
tektonischen Eindruck der ganzen Siegesstraße geben.

Wäre diese Wirkung zu erzielen möglich geiveseu, wenn nur die Standbilder
des Großen Kurfürsten, Friedrichs des Großen und Wilhelms I. errichtet worden
wären, die Konrad Lange in seinen, Artikel "Freiheit der Kunst" als "die Hohen-
zollern bezeichnet, die sich durch ihre Thaten in der Geschichte ein Denkmal gesetzt
hätten, das dauernder sei als Marmor oder Erz"? Das hätte ja so sein können,
und sicher gab es auch Ausführende, die diese Aufgaben glänzend hätten lösen
könne"; aber - - das ist Langes Idee, und die andre Idee war doch nun einmal


Maßgebliches und Unmaßgebliches

gefiele, und — jedenfalls besser. Der wollte Bronzefignren, jener farbigen Marmor;
dieser wünschte die Gruppen im ganzen Tiergarten verteilt zu sehen — wie das
sein Onkel in seinem Park gehalten habe —, und der wiederum wollte überhaupt
eine ganz andre Idee ausgeführt wissen, z. B. Standbilder, sagen wir mal der
bedeutendsten Musiker und Dichter. Kurzum, das Geschenk, das noch gar nicht da
stand, wurde bekrittelt und benörgelt. Ein solches Unternehmen könne nicht in so
kurzer Zeit ausgeführt werden, dazu gehörten Menschenalter. Nur die allererste»
Künstler hätten beteiligt sein dürfe«, man hätte uns nur dafür Vorschläge machen
lassen sollen. Also man wollte ein Skulptureumuseum etwa geschaffen sehen, woran
die „Größten" mitgeholfen hätten. — Ja, wer sind nun die Größten? Wer
urteilt darüber als Zeitgenosse? Der Kunstästhetiker etwa? Und wie viele bleiben
denn so um die Jahrhundertwende herum übrig, wenn alles durchgesiebt worden ist?
Und wie viele, wenn ein weiteres Jahrhundert darüber vergangen ist — wie wenige
davon, will ich sagen —, wird sich die Kunstgeschichte herausgesucht haben, um sie
als die Größten zu bezeichnen?

Wenn der Kaiser auf die Notwendigkeit hinweist, daß das ästhetische Aus¬
geglichensein Vorbedingung sei für höchste Kunst, und die Antike als vorbildlich
hinstellt, so reiht er sich damit ein in die Zahl der künstlerisch und ästhetisch ge¬
bildeten, feinfühligen Kunstfreunde. Nicht das, daß man als Künstler seine Zeit
schildert und an den Kunstbestrebungen innigen Anteil nimmt, macht den Künstler,
sondern daß man künstlerisch sein Zeitbild wiederzugeben imstande ist. Für den
Kaiser existiert darum auch die neue Richtung nicht als solche, sondern nur das,
was sie an guter Kunst zeitigt. Und ich glaube, da haben auch andre feinfühlige
Menschen die eigentümliche Entdeckung gemacht, daß die Handvoll genialer Künstler,
die „Eignen," die die „Jungen" immer an die Spitze ihrer Phalanx stellen, die
besten der „Alten" sind. Konrad Lange führt einen Teil davon selber mit Namen
auf: Böcklin. Leiht, Thoma, Abbe, Menzel, Graf Kalkreuth — das sind alles
Künstler, die nicht an den Rockschößen andrer hängen, die auch nicht in „moderner
Richtung" etwas schaffen, sondern das sind eben Künstler von Gottes Gnaden, die
mit irgend einer „Richtung" gar nichts zu thun haben. Wenn ich Herrn Professor
Lauge richtig verstehe, so meint er, hier sei eine Art Clique vorhanden, die an
der Ausführung beteiligt gewesen sei, und es sei sehr bedauerlich, daß von der
andern Clique, der Langischen, keiner herangezogen worden sei. Hier erzählt man
sich nun aber, es seien „hervorragend tüchtige" Bildhauer berufen worden, die
Idee des Herrschers auszuführen. Man hat sich wohl nicht getraut, die von der
Kunstästhetik festgestellten „allerersten Nummern" von Künstlern zu wählen, weil
es sich schon öfter gezeigt hatte, daß gerade diese Abgötter schon nach fünf Jahren
etwa wieder von ihrem Ptedestal heruntergeholt worden waren. Und man hat da
den Ausweg gefunden, einfach bewährte, zu den Tüchtigsten gezählte Künstler zur
Ausführung zu nehmen. Sicher ist sicher! Die sind noch nicht als die genialen
Nettsten verschrieen, wenn es auch immerhin sein kann, daß einige davon später
einmal noch zu diesem Ruhm kommen werden.

Es galt die Idee, eine Ahnengalerie zu schaffen, Herrscherdenkmäler in einer
ganz bestimmten Form, architektonisch aneinandergereiht, die als Ganzes betrachtet
auch durch die Anzahl selber dekorativ wirken sollte. Noch läßt sich diese Wirkung
nicht ganz übersehen, denn es fehlen die Verbindungsglieder zwischen den einzelnen
Gruppen — entweder lebendige Hecken, oder noch besser auch von Marmor aus¬
geführte niedrige Balustraden, die dünn dem Beschauer den einheitlichen archi¬
tektonischen Eindruck der ganzen Siegesstraße geben.

Wäre diese Wirkung zu erzielen möglich geiveseu, wenn nur die Standbilder
des Großen Kurfürsten, Friedrichs des Großen und Wilhelms I. errichtet worden
wären, die Konrad Lange in seinen, Artikel „Freiheit der Kunst" als „die Hohen-
zollern bezeichnet, die sich durch ihre Thaten in der Geschichte ein Denkmal gesetzt
hätten, das dauernder sei als Marmor oder Erz"? Das hätte ja so sein können,
und sicher gab es auch Ausführende, die diese Aufgaben glänzend hätten lösen
könne»; aber - - das ist Langes Idee, und die andre Idee war doch nun einmal


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[0462] Maßgebliches und Unmaßgebliches gefiele, und — jedenfalls besser. Der wollte Bronzefignren, jener farbigen Marmor; dieser wünschte die Gruppen im ganzen Tiergarten verteilt zu sehen — wie das sein Onkel in seinem Park gehalten habe —, und der wiederum wollte überhaupt eine ganz andre Idee ausgeführt wissen, z. B. Standbilder, sagen wir mal der bedeutendsten Musiker und Dichter. Kurzum, das Geschenk, das noch gar nicht da stand, wurde bekrittelt und benörgelt. Ein solches Unternehmen könne nicht in so kurzer Zeit ausgeführt werden, dazu gehörten Menschenalter. Nur die allererste» Künstler hätten beteiligt sein dürfe«, man hätte uns nur dafür Vorschläge machen lassen sollen. Also man wollte ein Skulptureumuseum etwa geschaffen sehen, woran die „Größten" mitgeholfen hätten. — Ja, wer sind nun die Größten? Wer urteilt darüber als Zeitgenosse? Der Kunstästhetiker etwa? Und wie viele bleiben denn so um die Jahrhundertwende herum übrig, wenn alles durchgesiebt worden ist? Und wie viele, wenn ein weiteres Jahrhundert darüber vergangen ist — wie wenige davon, will ich sagen —, wird sich die Kunstgeschichte herausgesucht haben, um sie als die Größten zu bezeichnen? Wenn der Kaiser auf die Notwendigkeit hinweist, daß das ästhetische Aus¬ geglichensein Vorbedingung sei für höchste Kunst, und die Antike als vorbildlich hinstellt, so reiht er sich damit ein in die Zahl der künstlerisch und ästhetisch ge¬ bildeten, feinfühligen Kunstfreunde. Nicht das, daß man als Künstler seine Zeit schildert und an den Kunstbestrebungen innigen Anteil nimmt, macht den Künstler, sondern daß man künstlerisch sein Zeitbild wiederzugeben imstande ist. Für den Kaiser existiert darum auch die neue Richtung nicht als solche, sondern nur das, was sie an guter Kunst zeitigt. Und ich glaube, da haben auch andre feinfühlige Menschen die eigentümliche Entdeckung gemacht, daß die Handvoll genialer Künstler, die „Eignen," die die „Jungen" immer an die Spitze ihrer Phalanx stellen, die besten der „Alten" sind. Konrad Lange führt einen Teil davon selber mit Namen auf: Böcklin. Leiht, Thoma, Abbe, Menzel, Graf Kalkreuth — das sind alles Künstler, die nicht an den Rockschößen andrer hängen, die auch nicht in „moderner Richtung" etwas schaffen, sondern das sind eben Künstler von Gottes Gnaden, die mit irgend einer „Richtung" gar nichts zu thun haben. Wenn ich Herrn Professor Lauge richtig verstehe, so meint er, hier sei eine Art Clique vorhanden, die an der Ausführung beteiligt gewesen sei, und es sei sehr bedauerlich, daß von der andern Clique, der Langischen, keiner herangezogen worden sei. Hier erzählt man sich nun aber, es seien „hervorragend tüchtige" Bildhauer berufen worden, die Idee des Herrschers auszuführen. Man hat sich wohl nicht getraut, die von der Kunstästhetik festgestellten „allerersten Nummern" von Künstlern zu wählen, weil es sich schon öfter gezeigt hatte, daß gerade diese Abgötter schon nach fünf Jahren etwa wieder von ihrem Ptedestal heruntergeholt worden waren. Und man hat da den Ausweg gefunden, einfach bewährte, zu den Tüchtigsten gezählte Künstler zur Ausführung zu nehmen. Sicher ist sicher! Die sind noch nicht als die genialen Nettsten verschrieen, wenn es auch immerhin sein kann, daß einige davon später einmal noch zu diesem Ruhm kommen werden. Es galt die Idee, eine Ahnengalerie zu schaffen, Herrscherdenkmäler in einer ganz bestimmten Form, architektonisch aneinandergereiht, die als Ganzes betrachtet auch durch die Anzahl selber dekorativ wirken sollte. Noch läßt sich diese Wirkung nicht ganz übersehen, denn es fehlen die Verbindungsglieder zwischen den einzelnen Gruppen — entweder lebendige Hecken, oder noch besser auch von Marmor aus¬ geführte niedrige Balustraden, die dünn dem Beschauer den einheitlichen archi¬ tektonischen Eindruck der ganzen Siegesstraße geben. Wäre diese Wirkung zu erzielen möglich geiveseu, wenn nur die Standbilder des Großen Kurfürsten, Friedrichs des Großen und Wilhelms I. errichtet worden wären, die Konrad Lange in seinen, Artikel „Freiheit der Kunst" als „die Hohen- zollern bezeichnet, die sich durch ihre Thaten in der Geschichte ein Denkmal gesetzt hätten, das dauernder sei als Marmor oder Erz"? Das hätte ja so sein können, und sicher gab es auch Ausführende, die diese Aufgaben glänzend hätten lösen könne»; aber - - das ist Langes Idee, und die andre Idee war doch nun einmal

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/462>, abgerufen am 28.09.2024.