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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Durchgangsverkehr durch Sachsen zu einem großen Teile auf die preußischen Kon-
kurrenzliuien übergegangen. Ein guter Teil des nordsüddeutschen Verkehrs nimmt
jetzt seinen Weg an Leipzig vorbei über Halle -- Erfurt -- Ritschenhausen oder
Halle--Großheringen--Probstzella, und parallel zu der westöstlichen sächsischen Linie
Leipzig--Dresden--Görlitz läuft die preußische Linie Leipzig--Eilenburg--Torgau--
Falkenberg-Kohlfurt. ja' die preußische Verwaltung leitet Gütertransporte auch
dann über ihre Linien, wenn der Weg an sich länger ist.

Was nun da von der Deputation und in der Kammer zur Abhilfe vorge¬
schlagen wurde, das will alles nicht Viel sagen, es macht im Gegenteil den Eindruck
bittrer Verlegenheit. Die Deputation empfahl im Sinne von § 42 der Reichs¬
verfassung auf Abstellung des Befahrens von Umwegen im Güterverkehr mit allen
Mitteln, vor allem durch Verhandlungen mit Preußen, hinzuwirken. Der Vize-
Präsident der zweiten Kammer, der Konservative Opitz aus Treuen, wünschte Ersparnisse
durch bescheidnere Bauten, Einschränkung in der Zahl der Züge, Verringerung der
Beamten, gab aber selbst zu, daß dabei höchstens 2 bis 3 Millionen herausspringen
würden und hielt deshalb sogar eine Erhöhung der Tarife für möglich. Auch der
Finanzminister Dr. Unger nahm solche Ersparnisse in Aussicht, bezeichnete aber ein
einseitiges Vorgehn in der Tarifsache mit Recht als "völlig undenkbar," bestritt
zugleich entschieden, daß zwischen Preußen und Sachsen ein ..Eisenbahnkrieg" bestehe
und nahm die preußische Verwaltung gegen den in der That etwas bedenklichen
Vorwurf des "unlautern Wettbewerbs" energisch in Schutz, wenn er auch die That¬
sache einer Konkurrenz als eine natürliche Folge der Verhältnisse zugab. An ein
Reichscisenbahngesetz sei "augenblicklich nicht zu denken." Von einem Eintritt in
die preußisch-hessische Gemeinschaft wollte weder er noch der Wortführer der die
Kammer bekanntlich völlig beherrschenden Konservativen etwas wissen. Beide stimmten
darin überein, daß der Eintritt keineswegs die von mancher Seite erhofften günstigen
finanziellen Folgen haben werde; der Abgeordnete hob vor allem die politischen
Folgen, die Gefahren einer Erweiterung der Reichskompetenz und einer Einengung
der Landtagstompetenz hervor; das sei eine "Mediatisicrung" Sachsens, die nicht
geringer sei als die von 186V; ja er wagte die Behauptung, wer "um feiles
Geld" Ansehen und Einfluß seines (sächsischen) Vaterlandes aufgebe, könne nicht für
einen guten Patrioten gelten. Mit weniger Pathos beteuerte der Minister, "daß
die sächsische Regierung zu keiner Zeit daran gedacht habe, sich ihres Eisenbahn¬
besitzes in der einen oder der andern Form zu entäußern," und er fügte hinzu-
..Ein Staat von der Bedeutung, die Sachsen für sich beanspruchen darf, wird sich,
so lange er nicht selbst an der Berechtigung seiner Existenz zweifelt, schon im
politische" Interesse niemals zu einer solchen Maßnahme versteh"." Übrigens gab
er zu, daß sich die Regierung in der letzten Zeit theoretisch mit der Frage befaßt
habe. Von dem Referenten, dem Natioualliberalen Kellner, und von einem andern
uationalliberalen Redner, Dr. Vogel, wurde der Gedanke des Eintritts nicht von der
Hand gewiesen, aber Vogel bezeichnete den gegenwärtigen Zeitpunkt wegen der
'"edrigen Eisenbahnrcnte als ungeeignet.

Zunächst verwahren wir uns muss nachdrücklichste dagegen, daß die sächsische
^"terlnndsliebe von der Ansicht darüber abhängig gemacht werde, was dem sächsischen
^scnbahnwesen und den sächsischen Finanzen frommt. Was "gut sächsisch" sei, das
^ zuweilen recht zweifelhaft gewesen, und nicht immer sind die Leute die beste"
Achsen gewesen, die sich selbst dafür hielten und alle andern, die nicht ihrer
Meinung waren, des Mangels an Patriotismus beschuldigten. Das ist eine Art
^" Versuch zur Terrorisieruug der öffentlichen Meinung, den wir entschieden zurück¬
weisen, viel entschiedner, als es leider in der Kammer geschehn ist. Was ist das
""es für eine politische Einsicht, die von einer "Mediatisicrung" Sachsens 1866
als von einer offenbar bedauerlichen Sache redet und gar nicht daran denkt, daß
die Krone Sachse" für diese "Mediatisierung" durch einen Einfluß auf die Reichs-
"ngelegenheiten entschädigt worden ist, wie sie ih" zu keiner frühern Zeit jemals
ausgeübt hat. ganz abgesehen davon, daß die sogenannte Souveränität der deutschen
-'-'"edel- und Kleinstaaten nur sechzig Jahre bestanden hat und niemals etwas


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Durchgangsverkehr durch Sachsen zu einem großen Teile auf die preußischen Kon-
kurrenzliuien übergegangen. Ein guter Teil des nordsüddeutschen Verkehrs nimmt
jetzt seinen Weg an Leipzig vorbei über Halle — Erfurt — Ritschenhausen oder
Halle—Großheringen—Probstzella, und parallel zu der westöstlichen sächsischen Linie
Leipzig—Dresden—Görlitz läuft die preußische Linie Leipzig—Eilenburg—Torgau—
Falkenberg-Kohlfurt. ja' die preußische Verwaltung leitet Gütertransporte auch
dann über ihre Linien, wenn der Weg an sich länger ist.

Was nun da von der Deputation und in der Kammer zur Abhilfe vorge¬
schlagen wurde, das will alles nicht Viel sagen, es macht im Gegenteil den Eindruck
bittrer Verlegenheit. Die Deputation empfahl im Sinne von § 42 der Reichs¬
verfassung auf Abstellung des Befahrens von Umwegen im Güterverkehr mit allen
Mitteln, vor allem durch Verhandlungen mit Preußen, hinzuwirken. Der Vize-
Präsident der zweiten Kammer, der Konservative Opitz aus Treuen, wünschte Ersparnisse
durch bescheidnere Bauten, Einschränkung in der Zahl der Züge, Verringerung der
Beamten, gab aber selbst zu, daß dabei höchstens 2 bis 3 Millionen herausspringen
würden und hielt deshalb sogar eine Erhöhung der Tarife für möglich. Auch der
Finanzminister Dr. Unger nahm solche Ersparnisse in Aussicht, bezeichnete aber ein
einseitiges Vorgehn in der Tarifsache mit Recht als „völlig undenkbar," bestritt
zugleich entschieden, daß zwischen Preußen und Sachsen ein ..Eisenbahnkrieg" bestehe
und nahm die preußische Verwaltung gegen den in der That etwas bedenklichen
Vorwurf des „unlautern Wettbewerbs" energisch in Schutz, wenn er auch die That¬
sache einer Konkurrenz als eine natürliche Folge der Verhältnisse zugab. An ein
Reichscisenbahngesetz sei „augenblicklich nicht zu denken." Von einem Eintritt in
die preußisch-hessische Gemeinschaft wollte weder er noch der Wortführer der die
Kammer bekanntlich völlig beherrschenden Konservativen etwas wissen. Beide stimmten
darin überein, daß der Eintritt keineswegs die von mancher Seite erhofften günstigen
finanziellen Folgen haben werde; der Abgeordnete hob vor allem die politischen
Folgen, die Gefahren einer Erweiterung der Reichskompetenz und einer Einengung
der Landtagstompetenz hervor; das sei eine „Mediatisicrung" Sachsens, die nicht
geringer sei als die von 186V; ja er wagte die Behauptung, wer „um feiles
Geld" Ansehen und Einfluß seines (sächsischen) Vaterlandes aufgebe, könne nicht für
einen guten Patrioten gelten. Mit weniger Pathos beteuerte der Minister, „daß
die sächsische Regierung zu keiner Zeit daran gedacht habe, sich ihres Eisenbahn¬
besitzes in der einen oder der andern Form zu entäußern," und er fügte hinzu-
..Ein Staat von der Bedeutung, die Sachsen für sich beanspruchen darf, wird sich,
so lange er nicht selbst an der Berechtigung seiner Existenz zweifelt, schon im
politische» Interesse niemals zu einer solchen Maßnahme versteh»." Übrigens gab
er zu, daß sich die Regierung in der letzten Zeit theoretisch mit der Frage befaßt
habe. Von dem Referenten, dem Natioualliberalen Kellner, und von einem andern
uationalliberalen Redner, Dr. Vogel, wurde der Gedanke des Eintritts nicht von der
Hand gewiesen, aber Vogel bezeichnete den gegenwärtigen Zeitpunkt wegen der
'"edrigen Eisenbahnrcnte als ungeeignet.

Zunächst verwahren wir uns muss nachdrücklichste dagegen, daß die sächsische
^"terlnndsliebe von der Ansicht darüber abhängig gemacht werde, was dem sächsischen
^scnbahnwesen und den sächsischen Finanzen frommt. Was „gut sächsisch" sei, das
^ zuweilen recht zweifelhaft gewesen, und nicht immer sind die Leute die beste»
Achsen gewesen, die sich selbst dafür hielten und alle andern, die nicht ihrer
Meinung waren, des Mangels an Patriotismus beschuldigten. Das ist eine Art
^" Versuch zur Terrorisieruug der öffentlichen Meinung, den wir entschieden zurück¬
weisen, viel entschiedner, als es leider in der Kammer geschehn ist. Was ist das
""es für eine politische Einsicht, die von einer „Mediatisicrung" Sachsens 1866
als von einer offenbar bedauerlichen Sache redet und gar nicht daran denkt, daß
die Krone Sachse» für diese „Mediatisierung" durch einen Einfluß auf die Reichs-
"ngelegenheiten entschädigt worden ist, wie sie ih» zu keiner frühern Zeit jemals
ausgeübt hat. ganz abgesehen davon, daß die sogenannte Souveränität der deutschen
-'-'"edel- und Kleinstaaten nur sechzig Jahre bestanden hat und niemals etwas


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[0459] Maßgebliches und Unmaßgebliches Durchgangsverkehr durch Sachsen zu einem großen Teile auf die preußischen Kon- kurrenzliuien übergegangen. Ein guter Teil des nordsüddeutschen Verkehrs nimmt jetzt seinen Weg an Leipzig vorbei über Halle — Erfurt — Ritschenhausen oder Halle—Großheringen—Probstzella, und parallel zu der westöstlichen sächsischen Linie Leipzig—Dresden—Görlitz läuft die preußische Linie Leipzig—Eilenburg—Torgau— Falkenberg-Kohlfurt. ja' die preußische Verwaltung leitet Gütertransporte auch dann über ihre Linien, wenn der Weg an sich länger ist. Was nun da von der Deputation und in der Kammer zur Abhilfe vorge¬ schlagen wurde, das will alles nicht Viel sagen, es macht im Gegenteil den Eindruck bittrer Verlegenheit. Die Deputation empfahl im Sinne von § 42 der Reichs¬ verfassung auf Abstellung des Befahrens von Umwegen im Güterverkehr mit allen Mitteln, vor allem durch Verhandlungen mit Preußen, hinzuwirken. Der Vize- Präsident der zweiten Kammer, der Konservative Opitz aus Treuen, wünschte Ersparnisse durch bescheidnere Bauten, Einschränkung in der Zahl der Züge, Verringerung der Beamten, gab aber selbst zu, daß dabei höchstens 2 bis 3 Millionen herausspringen würden und hielt deshalb sogar eine Erhöhung der Tarife für möglich. Auch der Finanzminister Dr. Unger nahm solche Ersparnisse in Aussicht, bezeichnete aber ein einseitiges Vorgehn in der Tarifsache mit Recht als „völlig undenkbar," bestritt zugleich entschieden, daß zwischen Preußen und Sachsen ein ..Eisenbahnkrieg" bestehe und nahm die preußische Verwaltung gegen den in der That etwas bedenklichen Vorwurf des „unlautern Wettbewerbs" energisch in Schutz, wenn er auch die That¬ sache einer Konkurrenz als eine natürliche Folge der Verhältnisse zugab. An ein Reichscisenbahngesetz sei „augenblicklich nicht zu denken." Von einem Eintritt in die preußisch-hessische Gemeinschaft wollte weder er noch der Wortführer der die Kammer bekanntlich völlig beherrschenden Konservativen etwas wissen. Beide stimmten darin überein, daß der Eintritt keineswegs die von mancher Seite erhofften günstigen finanziellen Folgen haben werde; der Abgeordnete hob vor allem die politischen Folgen, die Gefahren einer Erweiterung der Reichskompetenz und einer Einengung der Landtagstompetenz hervor; das sei eine „Mediatisicrung" Sachsens, die nicht geringer sei als die von 186V; ja er wagte die Behauptung, wer „um feiles Geld" Ansehen und Einfluß seines (sächsischen) Vaterlandes aufgebe, könne nicht für einen guten Patrioten gelten. Mit weniger Pathos beteuerte der Minister, „daß die sächsische Regierung zu keiner Zeit daran gedacht habe, sich ihres Eisenbahn¬ besitzes in der einen oder der andern Form zu entäußern," und er fügte hinzu- ..Ein Staat von der Bedeutung, die Sachsen für sich beanspruchen darf, wird sich, so lange er nicht selbst an der Berechtigung seiner Existenz zweifelt, schon im politische» Interesse niemals zu einer solchen Maßnahme versteh»." Übrigens gab er zu, daß sich die Regierung in der letzten Zeit theoretisch mit der Frage befaßt habe. Von dem Referenten, dem Natioualliberalen Kellner, und von einem andern uationalliberalen Redner, Dr. Vogel, wurde der Gedanke des Eintritts nicht von der Hand gewiesen, aber Vogel bezeichnete den gegenwärtigen Zeitpunkt wegen der '"edrigen Eisenbahnrcnte als ungeeignet. Zunächst verwahren wir uns muss nachdrücklichste dagegen, daß die sächsische ^"terlnndsliebe von der Ansicht darüber abhängig gemacht werde, was dem sächsischen ^scnbahnwesen und den sächsischen Finanzen frommt. Was „gut sächsisch" sei, das ^ zuweilen recht zweifelhaft gewesen, und nicht immer sind die Leute die beste» Achsen gewesen, die sich selbst dafür hielten und alle andern, die nicht ihrer Meinung waren, des Mangels an Patriotismus beschuldigten. Das ist eine Art ^" Versuch zur Terrorisieruug der öffentlichen Meinung, den wir entschieden zurück¬ weisen, viel entschiedner, als es leider in der Kammer geschehn ist. Was ist das ""es für eine politische Einsicht, die von einer „Mediatisicrung" Sachsens 1866 als von einer offenbar bedauerlichen Sache redet und gar nicht daran denkt, daß die Krone Sachse» für diese „Mediatisierung" durch einen Einfluß auf die Reichs- "ngelegenheiten entschädigt worden ist, wie sie ih» zu keiner frühern Zeit jemals ausgeübt hat. ganz abgesehen davon, daß die sogenannte Souveränität der deutschen -'-'"edel- und Kleinstaaten nur sechzig Jahre bestanden hat und niemals etwas

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/459>, abgerufen am 29.06.2024.