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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Laden als deutscher Staatsmann

banden jetzt den Süden mit dem Norden. Fortan faßte die badische Politik
zwei Ziele ins Auge: ein positives, die möglichste Annäherung an den Norden,
und ein negatives, die Vcrhindrung des Südlmndes, der den Genossen doch
keinen Schutz gewähren konnte und die Verbindung mit dem Norden nur er¬
schwert hätte. Was zur Verbesserung des Wehrwesens dienen konnte, das
förderte der Großherzog; er war bei den Militärkonferenzen in Stuttgart, die
im Februar 1867 über eine gemeinsame Annäherung an das preußische
Muster beriete", ebenso vertreten wie im Dezember desselben Jahres bei
den Münchner Besprechungen über die Verwaltung der süddeutschen Festungen
im engen Zusammenhang mit dem Verteidigungssysteme ganz Deutschlands.
Aber was darüber hinausging, lehnte er ab, und in der That wurden von
Bayern aus zu einem süddeutschen Bunde, den Österreich und Frankreich be¬
flissen empfahlen, nur schwache Anläufe gemacht. Über den Vundesentwnrf
des Fürsten Hohenlohe vom November 1867 kam es nicht einmal zu Ver¬
handlungen, und den spätern bayrisch-württembergischen Vorschlag, eine ständige
Militürkommission mit ausgedehnten Befugnissen über die Festungen einzusetzen,
wies der Großherzog im Juli 1868 zurück "als den Anfang zur Bildung eines
Südbundes oder zur Befestigung der Mainlinie." Um so eifriger betrieb er
alles, was Baden in engere Berbindung mit dem Norddeutschen Bunde setzen
konnte. Das Zoll- und Wehrbündnis wurde im Herbst 1867 vom Landtage
ohne Schwierigkeiten angenommen, das Heer wurde auf Grund der allgemeinen
Wehrpflicht völlig nach preußischem Muster ungeordnet und konnte schon im
September 1867 dein König Wilhelm vorgeführt werden. Die Leitung über¬
nahm am 23. Februar 1868 der bisherige preußische Militärbevollmächtigte
General von Beyer als Kriegsminister, im April 1869 als Oberbefehlshaber;
die bübischer Kadetten wurden in preußischen Kadettenschulen ausgebildet, die
preußische Militärstrafjustiz und endlich die militärische Freizügigkeit zwischen
Baden und dem Norddeutschen Bunde eingeführt, kurz alles so geordnet, daß
die badischen Truppen 1870 in allem und jedem als eine der norddeutschen
Armee ebenbürtige Division in die Front rücken konnten. Eine förmliche
Militürkonvention lehnte Bismarck freilich ebenso ab, wie im November 1867
die von Mnthy beantragte Aufnahme Badens in den Nordbund, und der im
Februar 1870 von E. Laster im norddeutschen Reichstage gegebnen neuen
Anregung stand die badische Regierung fern. Nirgends mehr als in Baden
empfand man den schweren Druck, den Frankreich noch immer auf Deutschland
ausübte, denn im Widerstreben Frankreichs lag der letzte Grund für die Ver¬
zögerung der deutscheu Einheit. Er war freilich nur deshalb so wirksam,
weil die in Württemberg und Bayern herrschenden Parteien die nationale
Einheit noch immer nicht wollten.

Deshalb wurde der jähe Ausbruch des Krieges vou 1870 trotz der
schweren Gefahr, der das Land zunächst ausgesetzt schien, in Baden als eine
Erlösung empfunden, und mit fester Entschlossenheit, ohne sich um das an¬
fängliche Schwanken in Stuttgart und München zu kümmern, handelte die
Regierung. Schon am Nachmittag des 15. Juli wurde die Mobilisierung an¬
geordnet, in der Nacht des 22. Juli die Kehler Brücke gesprengt, und schon


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Großherzog Friedrich von Laden als deutscher Staatsmann

banden jetzt den Süden mit dem Norden. Fortan faßte die badische Politik
zwei Ziele ins Auge: ein positives, die möglichste Annäherung an den Norden,
und ein negatives, die Vcrhindrung des Südlmndes, der den Genossen doch
keinen Schutz gewähren konnte und die Verbindung mit dem Norden nur er¬
schwert hätte. Was zur Verbesserung des Wehrwesens dienen konnte, das
förderte der Großherzog; er war bei den Militärkonferenzen in Stuttgart, die
im Februar 1867 über eine gemeinsame Annäherung an das preußische
Muster beriete», ebenso vertreten wie im Dezember desselben Jahres bei
den Münchner Besprechungen über die Verwaltung der süddeutschen Festungen
im engen Zusammenhang mit dem Verteidigungssysteme ganz Deutschlands.
Aber was darüber hinausging, lehnte er ab, und in der That wurden von
Bayern aus zu einem süddeutschen Bunde, den Österreich und Frankreich be¬
flissen empfahlen, nur schwache Anläufe gemacht. Über den Vundesentwnrf
des Fürsten Hohenlohe vom November 1867 kam es nicht einmal zu Ver¬
handlungen, und den spätern bayrisch-württembergischen Vorschlag, eine ständige
Militürkommission mit ausgedehnten Befugnissen über die Festungen einzusetzen,
wies der Großherzog im Juli 1868 zurück „als den Anfang zur Bildung eines
Südbundes oder zur Befestigung der Mainlinie." Um so eifriger betrieb er
alles, was Baden in engere Berbindung mit dem Norddeutschen Bunde setzen
konnte. Das Zoll- und Wehrbündnis wurde im Herbst 1867 vom Landtage
ohne Schwierigkeiten angenommen, das Heer wurde auf Grund der allgemeinen
Wehrpflicht völlig nach preußischem Muster ungeordnet und konnte schon im
September 1867 dein König Wilhelm vorgeführt werden. Die Leitung über¬
nahm am 23. Februar 1868 der bisherige preußische Militärbevollmächtigte
General von Beyer als Kriegsminister, im April 1869 als Oberbefehlshaber;
die bübischer Kadetten wurden in preußischen Kadettenschulen ausgebildet, die
preußische Militärstrafjustiz und endlich die militärische Freizügigkeit zwischen
Baden und dem Norddeutschen Bunde eingeführt, kurz alles so geordnet, daß
die badischen Truppen 1870 in allem und jedem als eine der norddeutschen
Armee ebenbürtige Division in die Front rücken konnten. Eine förmliche
Militürkonvention lehnte Bismarck freilich ebenso ab, wie im November 1867
die von Mnthy beantragte Aufnahme Badens in den Nordbund, und der im
Februar 1870 von E. Laster im norddeutschen Reichstage gegebnen neuen
Anregung stand die badische Regierung fern. Nirgends mehr als in Baden
empfand man den schweren Druck, den Frankreich noch immer auf Deutschland
ausübte, denn im Widerstreben Frankreichs lag der letzte Grund für die Ver¬
zögerung der deutscheu Einheit. Er war freilich nur deshalb so wirksam,
weil die in Württemberg und Bayern herrschenden Parteien die nationale
Einheit noch immer nicht wollten.

Deshalb wurde der jähe Ausbruch des Krieges vou 1870 trotz der
schweren Gefahr, der das Land zunächst ausgesetzt schien, in Baden als eine
Erlösung empfunden, und mit fester Entschlossenheit, ohne sich um das an¬
fängliche Schwanken in Stuttgart und München zu kümmern, handelte die
Regierung. Schon am Nachmittag des 15. Juli wurde die Mobilisierung an¬
geordnet, in der Nacht des 22. Juli die Kehler Brücke gesprengt, und schon


Grenzboten et 1S02 52
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[0417] Großherzog Friedrich von Laden als deutscher Staatsmann banden jetzt den Süden mit dem Norden. Fortan faßte die badische Politik zwei Ziele ins Auge: ein positives, die möglichste Annäherung an den Norden, und ein negatives, die Vcrhindrung des Südlmndes, der den Genossen doch keinen Schutz gewähren konnte und die Verbindung mit dem Norden nur er¬ schwert hätte. Was zur Verbesserung des Wehrwesens dienen konnte, das förderte der Großherzog; er war bei den Militärkonferenzen in Stuttgart, die im Februar 1867 über eine gemeinsame Annäherung an das preußische Muster beriete», ebenso vertreten wie im Dezember desselben Jahres bei den Münchner Besprechungen über die Verwaltung der süddeutschen Festungen im engen Zusammenhang mit dem Verteidigungssysteme ganz Deutschlands. Aber was darüber hinausging, lehnte er ab, und in der That wurden von Bayern aus zu einem süddeutschen Bunde, den Österreich und Frankreich be¬ flissen empfahlen, nur schwache Anläufe gemacht. Über den Vundesentwnrf des Fürsten Hohenlohe vom November 1867 kam es nicht einmal zu Ver¬ handlungen, und den spätern bayrisch-württembergischen Vorschlag, eine ständige Militürkommission mit ausgedehnten Befugnissen über die Festungen einzusetzen, wies der Großherzog im Juli 1868 zurück „als den Anfang zur Bildung eines Südbundes oder zur Befestigung der Mainlinie." Um so eifriger betrieb er alles, was Baden in engere Berbindung mit dem Norddeutschen Bunde setzen konnte. Das Zoll- und Wehrbündnis wurde im Herbst 1867 vom Landtage ohne Schwierigkeiten angenommen, das Heer wurde auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht völlig nach preußischem Muster ungeordnet und konnte schon im September 1867 dein König Wilhelm vorgeführt werden. Die Leitung über¬ nahm am 23. Februar 1868 der bisherige preußische Militärbevollmächtigte General von Beyer als Kriegsminister, im April 1869 als Oberbefehlshaber; die bübischer Kadetten wurden in preußischen Kadettenschulen ausgebildet, die preußische Militärstrafjustiz und endlich die militärische Freizügigkeit zwischen Baden und dem Norddeutschen Bunde eingeführt, kurz alles so geordnet, daß die badischen Truppen 1870 in allem und jedem als eine der norddeutschen Armee ebenbürtige Division in die Front rücken konnten. Eine förmliche Militürkonvention lehnte Bismarck freilich ebenso ab, wie im November 1867 die von Mnthy beantragte Aufnahme Badens in den Nordbund, und der im Februar 1870 von E. Laster im norddeutschen Reichstage gegebnen neuen Anregung stand die badische Regierung fern. Nirgends mehr als in Baden empfand man den schweren Druck, den Frankreich noch immer auf Deutschland ausübte, denn im Widerstreben Frankreichs lag der letzte Grund für die Ver¬ zögerung der deutscheu Einheit. Er war freilich nur deshalb so wirksam, weil die in Württemberg und Bayern herrschenden Parteien die nationale Einheit noch immer nicht wollten. Deshalb wurde der jähe Ausbruch des Krieges vou 1870 trotz der schweren Gefahr, der das Land zunächst ausgesetzt schien, in Baden als eine Erlösung empfunden, und mit fester Entschlossenheit, ohne sich um das an¬ fängliche Schwanken in Stuttgart und München zu kümmern, handelte die Regierung. Schon am Nachmittag des 15. Juli wurde die Mobilisierung an¬ geordnet, in der Nacht des 22. Juli die Kehler Brücke gesprengt, und schon Grenzboten et 1S02 52

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/417>, abgerufen am 28.09.2024.