Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Doktor Duttmüller und sein Freund

offen sein? Aber eine merkwürdige Sache war es doch. Nicht jeder Tante gegen¬
über würde er so gesprochen haben wie zu Tante Ellen.

Die gnädige Frau, die sich an dem Tage, an dem Jork angekommen war, in
höchster Aufregung befunden hatte, verfiel in ihr allgemeines Leiden. Doktor Dntt-
müller hatte schwere Stunden, und Klapphorn mußte jeden Tag zweimal nach
Rodesheim in die Apotheke. Nach einigen Tagen ließ sie sich wieder sehen, schwarz ge¬
kleidet, schmerzlich bewegt, aber gefaßt und bereit, auch dem grausamsten Schicksal
mit Fassung entgegenzutreten. Ihren Egon, über den sie sonst mit einer eleganten
Bewegung ihrer Lorgnette zu verfügen Pflegte, vermied sie. Sie ging ihm ans
dem Wege wie einem Menschen, von dem man eine unerhörte Enttäuschung erlebt
hat. Sie hatte auch gräßliches erlebt. Nicht allein, daß Egon ihren Gründen,
ihren so überzeugenden Darlegungen einen hartnäckigen Widerstand entgegengesetzt
hatte, er hatte auch gesagt: Konstanze, wir sind jetzt fertig mit dem Frvnhofe.
Wenn wir so weiter wirtschaften, können wir erleben, daß uns die Juden Haus
und Hof verkaufen, und wir mit dem Bettelsack durch die Welt ziehn müssen. Pfui,
welcher Gedanke, welcher gemeine Ausdruck. Wie kann eine Nienhagen, noch dazu
eine geborne Marschall, mit dem Begriffe des Bettelsacks zusammengedacht werden?
Und wie kann man die Empfindungsroheit haben, solche Gedanken auszusprechen?
Wenn nun auch die gnädige Frau das Verhalten ihres Egon durchaus mißbilligte,
so hatte sie doch einige Angst bekommen, und sie ging ihrem Egon und dessen
derber Ausdrucksweise vorsichtig aus dem Wege.

Aber Uork! Gerechter Himmel, was sollte aus Aork werden? Jork war
verloren, alle die glänzenden Hoffnungen, die sich an seine Zukunft knüpften, waren
hin. Und niemand nahm sich seiner an. Niemand!

In den Augenblicken höchster Gefahr zeigt sich der Heldenmut des Weibes,
der Mutter, der Edeldame. Die gnädige Frau war gewillt, da alle thu verließen,
für Aork einzutreten und für ihn zu arbeiten. Sie ergriff ihre Lorgnette und that
es. Sie arbeitete. Nicht mit den Händen, das war ja die Aufgabe der unter¬
geordneten Organe, sondern mit dem Geiste. Dirigieren, durchdenken, eine Frage
durchdringen, das war das Element der gnädigen Frau. Die gnädige Frau begab
sich in ihr Element. Sie that in ihrem Zimmer unzählige Gänge in verzwickter
Reihenfolge. Es kann nicht Mißbilligung hervorrufen, wenn hinter dieser Arbeit
alle andern zurücktreten, wenn Rosa vergeblich auf Anweisung warten mußte, was
gekocht werden sollte, wenn die Aufgabe, Obst einzumachen, an Wichtigkeit verlor,
und wenn die schon um acht Tage verschvbne Wäsche nochmals um acht Tage ver¬
schoben wurde, wobei die Eberten und die Lngeln anderweitig beschäftigt werden
mußten. Als die gnädige Frau nach mehreren Tagen strenger Gedankenarbeit zu
einem Resultate gekommen war, versammelte sie ihr Hans. Egon wurde von
Klapphorn hereingeführt und in einen Lehnstuhl gepflanzt. Die Meerschaumpfeife
wurde ihm verstattet, aber Ellen mußte ihre Stickerei aus der Hand legen, und
die gnädige Frau setzte sich an den runden Tisch in der Haltung eines Minister¬
präsidenten, der sich anschickt, vor seinem Kabinett sein Regierungsprogramm zu
entwickeln.

Meine Herren, sagte sie -- nein, so sagte sie nicht, es lag aber etwas ähnliches
wie diese Anrede in dein Blicke, mit dem sie die Versammlung überschaute, und in dem
kurzen trocknen Räuspern, mit dem sie begann: Ich habe mit dir, Egon, und mit
Ellen zwei Punkte von großer Wichtigkeit zu besprechen. Und ich bitte euch, die
Sache mit rechtem Ernst zu betrachten und sie nicht etwa beiseite zu schieben. Es
muß durchaus etwas geschehn. Der Herzog von Argyll, ein schöner Mann, hatte
die Gnade, mich seines Wohlwollens zu würdigen; er pflegte zu sagen (ja was
pflegte er zu sagen?) -- die Notwendigkeit ist der Vater (oder war es die Mutter)
der That. Ja so war es, tds noeessit^ is tus inottuzr c>k elf port, oder --

Oder, wie Klapphoru sagt, fügte Ellen halblaut hinzu: Wat Sinn mut, dat
mut sind.


Doktor Duttmüller und sein Freund

offen sein? Aber eine merkwürdige Sache war es doch. Nicht jeder Tante gegen¬
über würde er so gesprochen haben wie zu Tante Ellen.

Die gnädige Frau, die sich an dem Tage, an dem Jork angekommen war, in
höchster Aufregung befunden hatte, verfiel in ihr allgemeines Leiden. Doktor Dntt-
müller hatte schwere Stunden, und Klapphorn mußte jeden Tag zweimal nach
Rodesheim in die Apotheke. Nach einigen Tagen ließ sie sich wieder sehen, schwarz ge¬
kleidet, schmerzlich bewegt, aber gefaßt und bereit, auch dem grausamsten Schicksal
mit Fassung entgegenzutreten. Ihren Egon, über den sie sonst mit einer eleganten
Bewegung ihrer Lorgnette zu verfügen Pflegte, vermied sie. Sie ging ihm ans
dem Wege wie einem Menschen, von dem man eine unerhörte Enttäuschung erlebt
hat. Sie hatte auch gräßliches erlebt. Nicht allein, daß Egon ihren Gründen,
ihren so überzeugenden Darlegungen einen hartnäckigen Widerstand entgegengesetzt
hatte, er hatte auch gesagt: Konstanze, wir sind jetzt fertig mit dem Frvnhofe.
Wenn wir so weiter wirtschaften, können wir erleben, daß uns die Juden Haus
und Hof verkaufen, und wir mit dem Bettelsack durch die Welt ziehn müssen. Pfui,
welcher Gedanke, welcher gemeine Ausdruck. Wie kann eine Nienhagen, noch dazu
eine geborne Marschall, mit dem Begriffe des Bettelsacks zusammengedacht werden?
Und wie kann man die Empfindungsroheit haben, solche Gedanken auszusprechen?
Wenn nun auch die gnädige Frau das Verhalten ihres Egon durchaus mißbilligte,
so hatte sie doch einige Angst bekommen, und sie ging ihrem Egon und dessen
derber Ausdrucksweise vorsichtig aus dem Wege.

Aber Uork! Gerechter Himmel, was sollte aus Aork werden? Jork war
verloren, alle die glänzenden Hoffnungen, die sich an seine Zukunft knüpften, waren
hin. Und niemand nahm sich seiner an. Niemand!

In den Augenblicken höchster Gefahr zeigt sich der Heldenmut des Weibes,
der Mutter, der Edeldame. Die gnädige Frau war gewillt, da alle thu verließen,
für Aork einzutreten und für ihn zu arbeiten. Sie ergriff ihre Lorgnette und that
es. Sie arbeitete. Nicht mit den Händen, das war ja die Aufgabe der unter¬
geordneten Organe, sondern mit dem Geiste. Dirigieren, durchdenken, eine Frage
durchdringen, das war das Element der gnädigen Frau. Die gnädige Frau begab
sich in ihr Element. Sie that in ihrem Zimmer unzählige Gänge in verzwickter
Reihenfolge. Es kann nicht Mißbilligung hervorrufen, wenn hinter dieser Arbeit
alle andern zurücktreten, wenn Rosa vergeblich auf Anweisung warten mußte, was
gekocht werden sollte, wenn die Aufgabe, Obst einzumachen, an Wichtigkeit verlor,
und wenn die schon um acht Tage verschvbne Wäsche nochmals um acht Tage ver¬
schoben wurde, wobei die Eberten und die Lngeln anderweitig beschäftigt werden
mußten. Als die gnädige Frau nach mehreren Tagen strenger Gedankenarbeit zu
einem Resultate gekommen war, versammelte sie ihr Hans. Egon wurde von
Klapphorn hereingeführt und in einen Lehnstuhl gepflanzt. Die Meerschaumpfeife
wurde ihm verstattet, aber Ellen mußte ihre Stickerei aus der Hand legen, und
die gnädige Frau setzte sich an den runden Tisch in der Haltung eines Minister¬
präsidenten, der sich anschickt, vor seinem Kabinett sein Regierungsprogramm zu
entwickeln.

Meine Herren, sagte sie — nein, so sagte sie nicht, es lag aber etwas ähnliches
wie diese Anrede in dein Blicke, mit dem sie die Versammlung überschaute, und in dem
kurzen trocknen Räuspern, mit dem sie begann: Ich habe mit dir, Egon, und mit
Ellen zwei Punkte von großer Wichtigkeit zu besprechen. Und ich bitte euch, die
Sache mit rechtem Ernst zu betrachten und sie nicht etwa beiseite zu schieben. Es
muß durchaus etwas geschehn. Der Herzog von Argyll, ein schöner Mann, hatte
die Gnade, mich seines Wohlwollens zu würdigen; er pflegte zu sagen (ja was
pflegte er zu sagen?) — die Notwendigkeit ist der Vater (oder war es die Mutter)
der That. Ja so war es, tds noeessit^ is tus inottuzr c>k elf port, oder —

Oder, wie Klapphoru sagt, fügte Ellen halblaut hinzu: Wat Sinn mut, dat
mut sind.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0230" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237516"/>
          <fw type="header" place="top"> Doktor Duttmüller und sein Freund</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1202" prev="#ID_1201"> offen sein? Aber eine merkwürdige Sache war es doch. Nicht jeder Tante gegen¬<lb/>
über würde er so gesprochen haben wie zu Tante Ellen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1203"> Die gnädige Frau, die sich an dem Tage, an dem Jork angekommen war, in<lb/>
höchster Aufregung befunden hatte, verfiel in ihr allgemeines Leiden. Doktor Dntt-<lb/>
müller hatte schwere Stunden, und Klapphorn mußte jeden Tag zweimal nach<lb/>
Rodesheim in die Apotheke. Nach einigen Tagen ließ sie sich wieder sehen, schwarz ge¬<lb/>
kleidet, schmerzlich bewegt, aber gefaßt und bereit, auch dem grausamsten Schicksal<lb/>
mit Fassung entgegenzutreten. Ihren Egon, über den sie sonst mit einer eleganten<lb/>
Bewegung ihrer Lorgnette zu verfügen Pflegte, vermied sie. Sie ging ihm ans<lb/>
dem Wege wie einem Menschen, von dem man eine unerhörte Enttäuschung erlebt<lb/>
hat. Sie hatte auch gräßliches erlebt. Nicht allein, daß Egon ihren Gründen,<lb/>
ihren so überzeugenden Darlegungen einen hartnäckigen Widerstand entgegengesetzt<lb/>
hatte, er hatte auch gesagt: Konstanze, wir sind jetzt fertig mit dem Frvnhofe.<lb/>
Wenn wir so weiter wirtschaften, können wir erleben, daß uns die Juden Haus<lb/>
und Hof verkaufen, und wir mit dem Bettelsack durch die Welt ziehn müssen. Pfui,<lb/>
welcher Gedanke, welcher gemeine Ausdruck. Wie kann eine Nienhagen, noch dazu<lb/>
eine geborne Marschall, mit dem Begriffe des Bettelsacks zusammengedacht werden?<lb/>
Und wie kann man die Empfindungsroheit haben, solche Gedanken auszusprechen?<lb/>
Wenn nun auch die gnädige Frau das Verhalten ihres Egon durchaus mißbilligte,<lb/>
so hatte sie doch einige Angst bekommen, und sie ging ihrem Egon und dessen<lb/>
derber Ausdrucksweise vorsichtig aus dem Wege.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1204"> Aber Uork! Gerechter Himmel, was sollte aus Aork werden? Jork war<lb/>
verloren, alle die glänzenden Hoffnungen, die sich an seine Zukunft knüpften, waren<lb/>
hin.  Und niemand nahm sich seiner an. Niemand!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1205"> In den Augenblicken höchster Gefahr zeigt sich der Heldenmut des Weibes,<lb/>
der Mutter, der Edeldame. Die gnädige Frau war gewillt, da alle thu verließen,<lb/>
für Aork einzutreten und für ihn zu arbeiten. Sie ergriff ihre Lorgnette und that<lb/>
es. Sie arbeitete. Nicht mit den Händen, das war ja die Aufgabe der unter¬<lb/>
geordneten Organe, sondern mit dem Geiste. Dirigieren, durchdenken, eine Frage<lb/>
durchdringen, das war das Element der gnädigen Frau. Die gnädige Frau begab<lb/>
sich in ihr Element. Sie that in ihrem Zimmer unzählige Gänge in verzwickter<lb/>
Reihenfolge. Es kann nicht Mißbilligung hervorrufen, wenn hinter dieser Arbeit<lb/>
alle andern zurücktreten, wenn Rosa vergeblich auf Anweisung warten mußte, was<lb/>
gekocht werden sollte, wenn die Aufgabe, Obst einzumachen, an Wichtigkeit verlor,<lb/>
und wenn die schon um acht Tage verschvbne Wäsche nochmals um acht Tage ver¬<lb/>
schoben wurde, wobei die Eberten und die Lngeln anderweitig beschäftigt werden<lb/>
mußten. Als die gnädige Frau nach mehreren Tagen strenger Gedankenarbeit zu<lb/>
einem Resultate gekommen war, versammelte sie ihr Hans. Egon wurde von<lb/>
Klapphorn hereingeführt und in einen Lehnstuhl gepflanzt. Die Meerschaumpfeife<lb/>
wurde ihm verstattet, aber Ellen mußte ihre Stickerei aus der Hand legen, und<lb/>
die gnädige Frau setzte sich an den runden Tisch in der Haltung eines Minister¬<lb/>
präsidenten, der sich anschickt, vor seinem Kabinett sein Regierungsprogramm zu<lb/>
entwickeln.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1206"> Meine Herren, sagte sie &#x2014; nein, so sagte sie nicht, es lag aber etwas ähnliches<lb/>
wie diese Anrede in dein Blicke, mit dem sie die Versammlung überschaute, und in dem<lb/>
kurzen trocknen Räuspern, mit dem sie begann: Ich habe mit dir, Egon, und mit<lb/>
Ellen zwei Punkte von großer Wichtigkeit zu besprechen. Und ich bitte euch, die<lb/>
Sache mit rechtem Ernst zu betrachten und sie nicht etwa beiseite zu schieben. Es<lb/>
muß durchaus etwas geschehn. Der Herzog von Argyll, ein schöner Mann, hatte<lb/>
die Gnade, mich seines Wohlwollens zu würdigen; er pflegte zu sagen (ja was<lb/>
pflegte er zu sagen?) &#x2014; die Notwendigkeit ist der Vater (oder war es die Mutter)<lb/>
der That.  Ja so war es, tds noeessit^ is tus inottuzr c&gt;k elf port, oder &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1207"> Oder, wie Klapphoru sagt, fügte Ellen halblaut hinzu: Wat Sinn mut, dat<lb/>
mut sind.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0230] Doktor Duttmüller und sein Freund offen sein? Aber eine merkwürdige Sache war es doch. Nicht jeder Tante gegen¬ über würde er so gesprochen haben wie zu Tante Ellen. Die gnädige Frau, die sich an dem Tage, an dem Jork angekommen war, in höchster Aufregung befunden hatte, verfiel in ihr allgemeines Leiden. Doktor Dntt- müller hatte schwere Stunden, und Klapphorn mußte jeden Tag zweimal nach Rodesheim in die Apotheke. Nach einigen Tagen ließ sie sich wieder sehen, schwarz ge¬ kleidet, schmerzlich bewegt, aber gefaßt und bereit, auch dem grausamsten Schicksal mit Fassung entgegenzutreten. Ihren Egon, über den sie sonst mit einer eleganten Bewegung ihrer Lorgnette zu verfügen Pflegte, vermied sie. Sie ging ihm ans dem Wege wie einem Menschen, von dem man eine unerhörte Enttäuschung erlebt hat. Sie hatte auch gräßliches erlebt. Nicht allein, daß Egon ihren Gründen, ihren so überzeugenden Darlegungen einen hartnäckigen Widerstand entgegengesetzt hatte, er hatte auch gesagt: Konstanze, wir sind jetzt fertig mit dem Frvnhofe. Wenn wir so weiter wirtschaften, können wir erleben, daß uns die Juden Haus und Hof verkaufen, und wir mit dem Bettelsack durch die Welt ziehn müssen. Pfui, welcher Gedanke, welcher gemeine Ausdruck. Wie kann eine Nienhagen, noch dazu eine geborne Marschall, mit dem Begriffe des Bettelsacks zusammengedacht werden? Und wie kann man die Empfindungsroheit haben, solche Gedanken auszusprechen? Wenn nun auch die gnädige Frau das Verhalten ihres Egon durchaus mißbilligte, so hatte sie doch einige Angst bekommen, und sie ging ihrem Egon und dessen derber Ausdrucksweise vorsichtig aus dem Wege. Aber Uork! Gerechter Himmel, was sollte aus Aork werden? Jork war verloren, alle die glänzenden Hoffnungen, die sich an seine Zukunft knüpften, waren hin. Und niemand nahm sich seiner an. Niemand! In den Augenblicken höchster Gefahr zeigt sich der Heldenmut des Weibes, der Mutter, der Edeldame. Die gnädige Frau war gewillt, da alle thu verließen, für Aork einzutreten und für ihn zu arbeiten. Sie ergriff ihre Lorgnette und that es. Sie arbeitete. Nicht mit den Händen, das war ja die Aufgabe der unter¬ geordneten Organe, sondern mit dem Geiste. Dirigieren, durchdenken, eine Frage durchdringen, das war das Element der gnädigen Frau. Die gnädige Frau begab sich in ihr Element. Sie that in ihrem Zimmer unzählige Gänge in verzwickter Reihenfolge. Es kann nicht Mißbilligung hervorrufen, wenn hinter dieser Arbeit alle andern zurücktreten, wenn Rosa vergeblich auf Anweisung warten mußte, was gekocht werden sollte, wenn die Aufgabe, Obst einzumachen, an Wichtigkeit verlor, und wenn die schon um acht Tage verschvbne Wäsche nochmals um acht Tage ver¬ schoben wurde, wobei die Eberten und die Lngeln anderweitig beschäftigt werden mußten. Als die gnädige Frau nach mehreren Tagen strenger Gedankenarbeit zu einem Resultate gekommen war, versammelte sie ihr Hans. Egon wurde von Klapphorn hereingeführt und in einen Lehnstuhl gepflanzt. Die Meerschaumpfeife wurde ihm verstattet, aber Ellen mußte ihre Stickerei aus der Hand legen, und die gnädige Frau setzte sich an den runden Tisch in der Haltung eines Minister¬ präsidenten, der sich anschickt, vor seinem Kabinett sein Regierungsprogramm zu entwickeln. Meine Herren, sagte sie — nein, so sagte sie nicht, es lag aber etwas ähnliches wie diese Anrede in dein Blicke, mit dem sie die Versammlung überschaute, und in dem kurzen trocknen Räuspern, mit dem sie begann: Ich habe mit dir, Egon, und mit Ellen zwei Punkte von großer Wichtigkeit zu besprechen. Und ich bitte euch, die Sache mit rechtem Ernst zu betrachten und sie nicht etwa beiseite zu schieben. Es muß durchaus etwas geschehn. Der Herzog von Argyll, ein schöner Mann, hatte die Gnade, mich seines Wohlwollens zu würdigen; er pflegte zu sagen (ja was pflegte er zu sagen?) — die Notwendigkeit ist der Vater (oder war es die Mutter) der That. Ja so war es, tds noeessit^ is tus inottuzr c>k elf port, oder — Oder, wie Klapphoru sagt, fügte Ellen halblaut hinzu: Wat Sinn mut, dat mut sind.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/230
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/230>, abgerufen am 23.07.2024.