Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.(Österreichisches keiner besonnenen Partei entsprechen könne, das Reich wieder in einen Zu¬ Damit war auf die Möglichkeit einer Auflösung des Abgeordnetenhauses Es zeugt von der Bescheidenheit der Forderungen, daß Ministerpräsident Thatsächlich verfloß noch eine volle Woche nach der gemeinsamen Ob- (Österreichisches keiner besonnenen Partei entsprechen könne, das Reich wieder in einen Zu¬ Damit war auf die Möglichkeit einer Auflösung des Abgeordnetenhauses Es zeugt von der Bescheidenheit der Forderungen, daß Ministerpräsident Thatsächlich verfloß noch eine volle Woche nach der gemeinsamen Ob- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0186" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237472"/> <fw type="header" place="top"> (Österreichisches</fw><lb/> <p xml:id="ID_996" prev="#ID_995"> keiner besonnenen Partei entsprechen könne, das Reich wieder in einen Zu¬<lb/> stand zurückzuwerfen, der allen Völkern gleich müßig Schweigen auferlege, und<lb/> daß auch keine Partei, die ruhig denke, die Anwendung andrer gewaltsamer<lb/> Maßregeln werde herbeiführen oder auch nur einen wiederholten Appell an<lb/> die Wählerschaften werde befürworten wollen. Er ermahnte die Mitglieder<lb/> des Parlaments, dieses Bollwerk der Völker nicht in Schutt zu legen. Die<lb/> Regierung, die es behüten wolle, müsse aber, ihrer Verantwortlichkeit gemäß,<lb/> zuerst an den Staat denken.</p><lb/> <p xml:id="ID_997"> Damit war auf die Möglichkeit einer Auflösung des Abgeordnetenhauses<lb/> und eines absolutistischen Regiments verständlich hingewiesen. Während sich<lb/> nun die Vertreter der deutschen Parteien, der Polen, Rumänen, Ruthenen,<lb/> Slowenen, Chriftlichsozialcn und Sozialdemokraten zur Beschleunigung der<lb/> Budgetberatung bereit zeigten, bezeichnete der Vertreter der Feudalen, der je¬<lb/> weilig offnen oder geheimen Verbündeten der Tschechen, Prinz Schwarzenberg,<lb/> eine befristete Budgetberatung als nicht wünschenswert, der Tscheche Pacak<lb/> verlangte nicht Friedensworte, sondern Fricdensthaten. Nur die Erfüllung<lb/> der Forderungen des tschechischen Volkes biete die Möglichkeit zu gemeinsamer<lb/> Arbeit beim Ausgleich mit Ungarn. Wegen der Vorbringuug ihrer Beschwerden<lb/> in der Budgetdebatte ließen sich die Tschechen die Hände nicht binden, kündigten<lb/> aber keine Obstruktion an, noch machten sie eine solche. Der Heißsporn der<lb/> mährischen Tschechen, Dr. Stransky, gab wohl den parlamentarischen Notstand<lb/> zu, erklärte aber kaltblütig, die Drohung mit der Auflösung und mit dem<lb/> Absolutismus verfange bei den Tschechen nicht, weil die Deutschen das Par¬<lb/> lament als Pressionsmittel bei der Regierung zur Verweigerung der berech¬<lb/> tigten politischen und nationalen Forderungen des Tschechentums benützten.<lb/> Solange die böhmische Frage nicht gelöst sei, gebe es in Osterreich keinen<lb/> Frieden, kein Parlament.</p><lb/> <p xml:id="ID_998"> Es zeugt von der Bescheidenheit der Forderungen, daß Ministerpräsident<lb/> Körber am Schlüsse der Konferenz die Hoffnung aussprechen konnte, daß ihre<lb/> Ergebnisse die von viele« der Redner erwartete Besserung im Fortgange der<lb/> parlamentarischen Arbeiten bringen würden, und daß sich auch das Hauptorgan<lb/> der Deutschfortschrittlichen davon befriedigt zeigte, daß die positiven Er¬<lb/> klärungen der Tschechenführer nicht uns Demolierungsabsichtcn hindeuteten.</p><lb/> <p xml:id="ID_999" next="#ID_1000"> Thatsächlich verfloß noch eine volle Woche nach der gemeinsamen Ob-<lb/> männerkonfcrenz, bis sich — am 29. November — der Wald von Dringlich-<lb/> keitsanträgen lichtete, und sich das Abgeordnetenhaus der Beratung des ersten<lb/> Gegenstandes nähern konnte, der auf die Tagesordnung der Sitzung vom<lb/> 17. Oktober gesetzt worden war. Offenbar hatte die Besorgnis vor der<lb/> drohenden Auflösung des Hanfes starken Anteil an diesem gewiß nichts<lb/> weniger als stürmischen Fortschritt. Die Verhandlung des Budgetprvvisoriums<lb/> gab dann dein Tschechen Kramarsch nochmals Gelegenheit, von der vollkommnen<lb/> Unfähigkeit des Parlaments zu ersprießlicher Arbeit zu reden, gegen die von<lb/> Regierungsblättern in Umlauf gesetzten Drohungen mit der Auflösung des<lb/> Abgeordnetenhauses zu protestieren, ein planmäßiges Eingreifen der Regierung<lb/> zur Herbeiführung einer nationalen Verständigung zu fordern, und wenn sich</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0186]
(Österreichisches
keiner besonnenen Partei entsprechen könne, das Reich wieder in einen Zu¬
stand zurückzuwerfen, der allen Völkern gleich müßig Schweigen auferlege, und
daß auch keine Partei, die ruhig denke, die Anwendung andrer gewaltsamer
Maßregeln werde herbeiführen oder auch nur einen wiederholten Appell an
die Wählerschaften werde befürworten wollen. Er ermahnte die Mitglieder
des Parlaments, dieses Bollwerk der Völker nicht in Schutt zu legen. Die
Regierung, die es behüten wolle, müsse aber, ihrer Verantwortlichkeit gemäß,
zuerst an den Staat denken.
Damit war auf die Möglichkeit einer Auflösung des Abgeordnetenhauses
und eines absolutistischen Regiments verständlich hingewiesen. Während sich
nun die Vertreter der deutschen Parteien, der Polen, Rumänen, Ruthenen,
Slowenen, Chriftlichsozialcn und Sozialdemokraten zur Beschleunigung der
Budgetberatung bereit zeigten, bezeichnete der Vertreter der Feudalen, der je¬
weilig offnen oder geheimen Verbündeten der Tschechen, Prinz Schwarzenberg,
eine befristete Budgetberatung als nicht wünschenswert, der Tscheche Pacak
verlangte nicht Friedensworte, sondern Fricdensthaten. Nur die Erfüllung
der Forderungen des tschechischen Volkes biete die Möglichkeit zu gemeinsamer
Arbeit beim Ausgleich mit Ungarn. Wegen der Vorbringuug ihrer Beschwerden
in der Budgetdebatte ließen sich die Tschechen die Hände nicht binden, kündigten
aber keine Obstruktion an, noch machten sie eine solche. Der Heißsporn der
mährischen Tschechen, Dr. Stransky, gab wohl den parlamentarischen Notstand
zu, erklärte aber kaltblütig, die Drohung mit der Auflösung und mit dem
Absolutismus verfange bei den Tschechen nicht, weil die Deutschen das Par¬
lament als Pressionsmittel bei der Regierung zur Verweigerung der berech¬
tigten politischen und nationalen Forderungen des Tschechentums benützten.
Solange die böhmische Frage nicht gelöst sei, gebe es in Osterreich keinen
Frieden, kein Parlament.
Es zeugt von der Bescheidenheit der Forderungen, daß Ministerpräsident
Körber am Schlüsse der Konferenz die Hoffnung aussprechen konnte, daß ihre
Ergebnisse die von viele« der Redner erwartete Besserung im Fortgange der
parlamentarischen Arbeiten bringen würden, und daß sich auch das Hauptorgan
der Deutschfortschrittlichen davon befriedigt zeigte, daß die positiven Er¬
klärungen der Tschechenführer nicht uns Demolierungsabsichtcn hindeuteten.
Thatsächlich verfloß noch eine volle Woche nach der gemeinsamen Ob-
männerkonfcrenz, bis sich — am 29. November — der Wald von Dringlich-
keitsanträgen lichtete, und sich das Abgeordnetenhaus der Beratung des ersten
Gegenstandes nähern konnte, der auf die Tagesordnung der Sitzung vom
17. Oktober gesetzt worden war. Offenbar hatte die Besorgnis vor der
drohenden Auflösung des Hanfes starken Anteil an diesem gewiß nichts
weniger als stürmischen Fortschritt. Die Verhandlung des Budgetprvvisoriums
gab dann dein Tschechen Kramarsch nochmals Gelegenheit, von der vollkommnen
Unfähigkeit des Parlaments zu ersprießlicher Arbeit zu reden, gegen die von
Regierungsblättern in Umlauf gesetzten Drohungen mit der Auflösung des
Abgeordnetenhauses zu protestieren, ein planmäßiges Eingreifen der Regierung
zur Herbeiführung einer nationalen Verständigung zu fordern, und wenn sich
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