Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.Kaiserin Friedrich und die Volkswohlfahrt älteste Tochter Prinzessin Viktoria in die 1884 errichtete Kochschule eintreten. Es wäre der Mühe wert, nach den Akten und den Erinnerungen der So treten uns aus dem Spiegel fremder Auffassung Vorzüge unsrer Zu¬ Kaiserin Friedrich und die Volkswohlfahrt älteste Tochter Prinzessin Viktoria in die 1884 errichtete Kochschule eintreten. Es wäre der Mühe wert, nach den Akten und den Erinnerungen der So treten uns aus dem Spiegel fremder Auffassung Vorzüge unsrer Zu¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0125" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237411"/> <fw type="header" place="top"> Kaiserin Friedrich und die Volkswohlfahrt</fw><lb/> <p xml:id="ID_663" prev="#ID_662"> älteste Tochter Prinzessin Viktoria in die 1884 errichtete Kochschule eintreten.<lb/> Für Töchter höherer Stände bestimmte sie das „Heimathaus," ein Internat,<lb/> wo sie Unterricht in Handelsfächern, Kunsthandwerk und Führung des Haus¬<lb/> halts empfangen. Endlich begründete sie 1875 in Steglitz bei Berlin das<lb/> „Feierabendhnus" für dienstunfähig gewordne Lehrerinnen. Eine höhere Bil¬<lb/> dung sollte dem weiblichen Geschlecht das „Viktorialyecum," eine Gruppe von<lb/> Fortbildungsschulen, vermitteln, das sie in Erinnerung an ähnliche Bildungs-<lb/> anstalten in England 1869 zusammen mit der Engländerin Miß Archer ins<lb/> Leben rief. Sie besaß für alle diese Dinge ein natürliches Organisationstalent<lb/> und ging bei Beratungen und Besichtigungen mit scharfem Blick immer auf<lb/> jede Einzelheit ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_664"> Es wäre der Mühe wert, nach den Akten und den Erinnerungen der<lb/> vielen, mit denen die Kronprinzessin und Kaiserin in solchen Fragen verkehrt<lb/> hat, bevor sie verblassen, diese ihre umfassende Thätigkeit genauer darzustellen.<lb/> Bis jetzt ist davon nur in vereinzelten Mitteilungen, namentlich der Bücher<lb/> über Kaiser Friedrich (M. Philippsou, Friedrich III. als Kronprinz und Kaiser,<lb/> 1893; H. Müller-Bohn. Kaiser Friedrich der Gütige, 1900; V. Böhmert,<lb/> Kaiser Friedrich als Freund des Volkes) die Rede gewesen. Einen interessanten<lb/> zusammenfassenden Abriß davon hat jetzt eine französische Dame deutschen<lb/> Namens, Frau Laurence Fiedler, in der Pariser Halbmonatsschrift I>s Oor-<lb/> rksxoncliurt (Heft vom 10. September 1901: I^hö ozuvres svoialss as 1'imvö-<lb/> reckiies I'rsäsric;) gegeben, mit feinem Verständnis ihrer Persönlichkeit und voll<lb/> warmer Anerkennung für ihr Streben. Auf dieses Thema ist die Verfasserin<lb/> dadurch geführt wordeu, daß sie die deutschen Einrichtungen für Armen- und<lb/> Gesundheitspflege auf allen Gebieten zum Gegenstande eifriger und eindringender<lb/> Studien gemacht hat, um sie den Franzosen als Muster vorzuhalten, denn sie<lb/> sieht in Deutschland in diesen Beziehungen ihr Ideal und spricht das offen<lb/> aus. Sie findet die Gründe für diese Erfolge, denen Frankreich noch wenig<lb/> an die Seite setzen kann, vor allem in dem alten Geist der Selbstverwaltung<lb/> und der Genügsamkeit, der sich zunächst mit Wenigem begnügt, wenn murs<lb/> nicht besser haben kann, aber unverdrossen nach Bessern strebt, sowie in dem<lb/> musterhaften Zusammenwirken von öffentlicher und privater Thätigkeit. So<lb/> schildert sie in einem andern Aufsatz derselben Zeitschrift (vom 10. August<lb/> 1901) die Armenpflege in Berlin (I/Asfi8wnoiz a ösrliu), die ja in allen<lb/> größern Städten ganz ebenso eingerichtet ist, bis in die kleinste Einzelheit<lb/> init Bewundrung; in einem andern (im Heft vom 25. September desselben<lb/> Jahres) stellt sie vor allem die deutschen Ferienkolonien dar (Obosss et'^IIs-<lb/> nm^no: I^ii ävksnss <zontr<z la tubsrtzulo86; <ÜoIoniö8 as vaeanesZ). Auch mit<lb/> der deutscheu Kranken- und Jnvaliditätsversicherung hat sie sich eingehend be¬<lb/> schäftigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_665" next="#ID_666"> So treten uns aus dem Spiegel fremder Auffassung Vorzüge unsrer Zu¬<lb/> stände entgegen, die wir selbst weder hochmütig überschätzen noch grämlich verkennen<lb/> sollen, wie es oft genug geschieht, weil wir uns nicht die Mühe nehmen, sie<lb/> mit fremden Verhältnissen zu vergleichen. Zu deu Erscheinungen unsrer jüngsten<lb/> Vergangenheit, die noch nicht gerecht beurteilt werden, gehört auch die Kaiserin</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0125]
Kaiserin Friedrich und die Volkswohlfahrt
älteste Tochter Prinzessin Viktoria in die 1884 errichtete Kochschule eintreten.
Für Töchter höherer Stände bestimmte sie das „Heimathaus," ein Internat,
wo sie Unterricht in Handelsfächern, Kunsthandwerk und Führung des Haus¬
halts empfangen. Endlich begründete sie 1875 in Steglitz bei Berlin das
„Feierabendhnus" für dienstunfähig gewordne Lehrerinnen. Eine höhere Bil¬
dung sollte dem weiblichen Geschlecht das „Viktorialyecum," eine Gruppe von
Fortbildungsschulen, vermitteln, das sie in Erinnerung an ähnliche Bildungs-
anstalten in England 1869 zusammen mit der Engländerin Miß Archer ins
Leben rief. Sie besaß für alle diese Dinge ein natürliches Organisationstalent
und ging bei Beratungen und Besichtigungen mit scharfem Blick immer auf
jede Einzelheit ein.
Es wäre der Mühe wert, nach den Akten und den Erinnerungen der
vielen, mit denen die Kronprinzessin und Kaiserin in solchen Fragen verkehrt
hat, bevor sie verblassen, diese ihre umfassende Thätigkeit genauer darzustellen.
Bis jetzt ist davon nur in vereinzelten Mitteilungen, namentlich der Bücher
über Kaiser Friedrich (M. Philippsou, Friedrich III. als Kronprinz und Kaiser,
1893; H. Müller-Bohn. Kaiser Friedrich der Gütige, 1900; V. Böhmert,
Kaiser Friedrich als Freund des Volkes) die Rede gewesen. Einen interessanten
zusammenfassenden Abriß davon hat jetzt eine französische Dame deutschen
Namens, Frau Laurence Fiedler, in der Pariser Halbmonatsschrift I>s Oor-
rksxoncliurt (Heft vom 10. September 1901: I^hö ozuvres svoialss as 1'imvö-
reckiies I'rsäsric;) gegeben, mit feinem Verständnis ihrer Persönlichkeit und voll
warmer Anerkennung für ihr Streben. Auf dieses Thema ist die Verfasserin
dadurch geführt wordeu, daß sie die deutschen Einrichtungen für Armen- und
Gesundheitspflege auf allen Gebieten zum Gegenstande eifriger und eindringender
Studien gemacht hat, um sie den Franzosen als Muster vorzuhalten, denn sie
sieht in Deutschland in diesen Beziehungen ihr Ideal und spricht das offen
aus. Sie findet die Gründe für diese Erfolge, denen Frankreich noch wenig
an die Seite setzen kann, vor allem in dem alten Geist der Selbstverwaltung
und der Genügsamkeit, der sich zunächst mit Wenigem begnügt, wenn murs
nicht besser haben kann, aber unverdrossen nach Bessern strebt, sowie in dem
musterhaften Zusammenwirken von öffentlicher und privater Thätigkeit. So
schildert sie in einem andern Aufsatz derselben Zeitschrift (vom 10. August
1901) die Armenpflege in Berlin (I/Asfi8wnoiz a ösrliu), die ja in allen
größern Städten ganz ebenso eingerichtet ist, bis in die kleinste Einzelheit
init Bewundrung; in einem andern (im Heft vom 25. September desselben
Jahres) stellt sie vor allem die deutschen Ferienkolonien dar (Obosss et'^IIs-
nm^no: I^ii ävksnss <zontr<z la tubsrtzulo86; <ÜoIoniö8 as vaeanesZ). Auch mit
der deutscheu Kranken- und Jnvaliditätsversicherung hat sie sich eingehend be¬
schäftigt.
So treten uns aus dem Spiegel fremder Auffassung Vorzüge unsrer Zu¬
stände entgegen, die wir selbst weder hochmütig überschätzen noch grämlich verkennen
sollen, wie es oft genug geschieht, weil wir uns nicht die Mühe nehmen, sie
mit fremden Verhältnissen zu vergleichen. Zu deu Erscheinungen unsrer jüngsten
Vergangenheit, die noch nicht gerecht beurteilt werden, gehört auch die Kaiserin
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |