Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.Kaiserin Friedrich und die Volkswohlfahrt dem Siegesjahre 1870/71, das ihr so viele Anfeindungen brachte, leitete sie Nicht minder thätig war sie ans dem Gebiete der Frauenbildung. Nicht Kaiserin Friedrich und die Volkswohlfahrt dem Siegesjahre 1870/71, das ihr so viele Anfeindungen brachte, leitete sie Nicht minder thätig war sie ans dem Gebiete der Frauenbildung. Nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0124" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237410"/> <fw type="header" place="top"> Kaiserin Friedrich und die Volkswohlfahrt</fw><lb/> <p xml:id="ID_661" prev="#ID_660"> dem Siegesjahre 1870/71, das ihr so viele Anfeindungen brachte, leitete sie<lb/> von Homburg vor der Höhe aus die Pflege der Verwundeten und Kranken.<lb/> Später nahm sie sich des 1873 gegründeten Vereins für häusliche Gesundheits¬<lb/> pflege in Berlin kräftig an; sie wandte ihm mit ihrem Gemahl aus dem beiden<lb/> zu ihrer silbernen Hochzeit am 25. Januar 1883 übcrgebnen Friedrich Wilhelm-<lb/> und Viktoriafonds von 800000 Mark einen großen Teil, nämlich 170000 Mark,<lb/> zu und erlebte es, daß er zehn Stationen in der Stadt ins Leben rief und<lb/> z. B. im Jahre 1895, abgesehen von den Anweisungen auf Bäder, Heizungs¬<lb/> material und Lebensmittel, 13 218 Kranke im Hause verpflegte. Alls diesem<lb/> Verein ging 1883 das Viktoriahaus hervor, eine großartige Anstalt für die<lb/> Ausbildung von dreihundert Krankenpflegerinnen in einem zweijährigen Kursus,<lb/> die ohne Unterschied der Konfession aufgenommen werden und Unterricht in<lb/> der Medizin, Chirurgie, Gesundheitspflege und Arzneimittellehre erhalten;<lb/> dieser Stiftung wurde damals die Hochzeitsspeude der Stadt Berlin im Be¬<lb/> trage voll 120000 Mark zugewiesen. Schon im November 1881 gründete die<lb/> Kronprinzessin den Verein für Ferienkolonien schulpflichtiger Kinder nach dem<lb/> Beispiel der Schweiz (1875), und dieser Verein hat sich seitdem über ganz<lb/> Deutschland verbreitet und hat im Jahre 1890 im ganzen 32124 Kinder für<lb/> 932833 Mark in solchen Kolonien verpflegt, während 1898 Berlin allein,<lb/> das in dem ersten Jahre nur 4700 Kinder ausgeschickt hatte, 30414 Kiuder<lb/> in „Sommerpflege" unterbrachte. Daran schlössen sich das Kaiser- und<lb/> Kaiserin Friedrich-Kinderkraukenhaus und zuletzt noch Heimstätten für (erwachsene)<lb/> Genesende nach englischem Vorbilde. Mit besondrer Vorliebe pflegte sie von<lb/> jeher das Kaiser Friedrich-Kinderheim in Bornstedt bei Potsdam, too sie sich<lb/> ganz als Gutsherrin fühlte; sie hat dort noch gegen das Ende ihres Lebens<lb/> eine Krankenpflegerin eingestellt und wohnte lange Jahre den Weihnachts-<lb/> bescheruugen regelmüßig bei.</p><lb/> <p xml:id="ID_662" next="#ID_663"> Nicht minder thätig war sie ans dem Gebiete der Frauenbildung. Nicht<lb/> daß sie etwa die modernen Bestrebungen nach möglichster Gleichstellung der<lb/> Fran mit dem Manne geteilt Hütte; das lag ihr gänzlich fern. Aber für ihre<lb/> natürlichen Aufgaben, für den Haushalt, für die Krankenpflege, für den Unter¬<lb/> richt und für alle dem Weibe naturgemäß zugängliche Erwerbsthätigkeit wollte<lb/> sie die Frauen der untern und der mittlern Stände besser ausgerüstet wissen.<lb/> Für diese Zwecke wurde schon 1866 der Letteverein in Berlin gegründet, der<lb/> allmählich eine ganze Reihe von weiblichen Schulen für Kunsthandwerk, Photo¬<lb/> graphie, Buchdruck und Lithographie, Stickerei, Buchhaltung, Stenographie,<lb/> Wäschenäherei, Haushaltung, Kochen n. a. in. entwickelt hat, ein Internat für<lb/> zweihundert junge Mädchen, ein Stellenvermittlllngsbnreau, ein Restaurant,<lb/> eine Lesehalle und eine Bibliothek besitzt. Ähnliche Zwecke verfolgt das<lb/> Pestalozzi-Fröbelhaus, das der Verein für Volkserziehung 1873 errichtete. Es<lb/> soll vor allem Kindergärtnerinnen lind Lehrerinnen für den Haushalt aus¬<lb/> bilden und wurde zu diesem Behufe mit Schulen mannigfacher Art, einem<lb/> Kindergarten, eiuer Kuabenarbeitsschnle, einem Mädchenheim und einem un¬<lb/> entgeltlichen Mittngstisch für arme Kinder verbunden. Diese Anstalten be¬<lb/> suchte die Kronprinzessin häufig, sie leitete zuweilen Konferenzen und ließ ihre</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0124]
Kaiserin Friedrich und die Volkswohlfahrt
dem Siegesjahre 1870/71, das ihr so viele Anfeindungen brachte, leitete sie
von Homburg vor der Höhe aus die Pflege der Verwundeten und Kranken.
Später nahm sie sich des 1873 gegründeten Vereins für häusliche Gesundheits¬
pflege in Berlin kräftig an; sie wandte ihm mit ihrem Gemahl aus dem beiden
zu ihrer silbernen Hochzeit am 25. Januar 1883 übcrgebnen Friedrich Wilhelm-
und Viktoriafonds von 800000 Mark einen großen Teil, nämlich 170000 Mark,
zu und erlebte es, daß er zehn Stationen in der Stadt ins Leben rief und
z. B. im Jahre 1895, abgesehen von den Anweisungen auf Bäder, Heizungs¬
material und Lebensmittel, 13 218 Kranke im Hause verpflegte. Alls diesem
Verein ging 1883 das Viktoriahaus hervor, eine großartige Anstalt für die
Ausbildung von dreihundert Krankenpflegerinnen in einem zweijährigen Kursus,
die ohne Unterschied der Konfession aufgenommen werden und Unterricht in
der Medizin, Chirurgie, Gesundheitspflege und Arzneimittellehre erhalten;
dieser Stiftung wurde damals die Hochzeitsspeude der Stadt Berlin im Be¬
trage voll 120000 Mark zugewiesen. Schon im November 1881 gründete die
Kronprinzessin den Verein für Ferienkolonien schulpflichtiger Kinder nach dem
Beispiel der Schweiz (1875), und dieser Verein hat sich seitdem über ganz
Deutschland verbreitet und hat im Jahre 1890 im ganzen 32124 Kinder für
932833 Mark in solchen Kolonien verpflegt, während 1898 Berlin allein,
das in dem ersten Jahre nur 4700 Kinder ausgeschickt hatte, 30414 Kiuder
in „Sommerpflege" unterbrachte. Daran schlössen sich das Kaiser- und
Kaiserin Friedrich-Kinderkraukenhaus und zuletzt noch Heimstätten für (erwachsene)
Genesende nach englischem Vorbilde. Mit besondrer Vorliebe pflegte sie von
jeher das Kaiser Friedrich-Kinderheim in Bornstedt bei Potsdam, too sie sich
ganz als Gutsherrin fühlte; sie hat dort noch gegen das Ende ihres Lebens
eine Krankenpflegerin eingestellt und wohnte lange Jahre den Weihnachts-
bescheruugen regelmüßig bei.
Nicht minder thätig war sie ans dem Gebiete der Frauenbildung. Nicht
daß sie etwa die modernen Bestrebungen nach möglichster Gleichstellung der
Fran mit dem Manne geteilt Hütte; das lag ihr gänzlich fern. Aber für ihre
natürlichen Aufgaben, für den Haushalt, für die Krankenpflege, für den Unter¬
richt und für alle dem Weibe naturgemäß zugängliche Erwerbsthätigkeit wollte
sie die Frauen der untern und der mittlern Stände besser ausgerüstet wissen.
Für diese Zwecke wurde schon 1866 der Letteverein in Berlin gegründet, der
allmählich eine ganze Reihe von weiblichen Schulen für Kunsthandwerk, Photo¬
graphie, Buchdruck und Lithographie, Stickerei, Buchhaltung, Stenographie,
Wäschenäherei, Haushaltung, Kochen n. a. in. entwickelt hat, ein Internat für
zweihundert junge Mädchen, ein Stellenvermittlllngsbnreau, ein Restaurant,
eine Lesehalle und eine Bibliothek besitzt. Ähnliche Zwecke verfolgt das
Pestalozzi-Fröbelhaus, das der Verein für Volkserziehung 1873 errichtete. Es
soll vor allem Kindergärtnerinnen lind Lehrerinnen für den Haushalt aus¬
bilden und wurde zu diesem Behufe mit Schulen mannigfacher Art, einem
Kindergarten, eiuer Kuabenarbeitsschnle, einem Mädchenheim und einem un¬
entgeltlichen Mittngstisch für arme Kinder verbunden. Diese Anstalten be¬
suchte die Kronprinzessin häufig, sie leitete zuweilen Konferenzen und ließ ihre
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