Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Voktor Duttmüller und sein Freund

Schmied ein paar Ohrbommeln zu erhandeln, und am andern Nachmittage, denn er
durfte sich doch auch nicht zu eilig zeigen, zog er seine Radfahrerkleidnng an, setzte
seine Radfahrermütze mit dem großen Deckel auf und fuhr los. -- Wilhelm Neige-
barth war mit sich zufrieden. Es war auch ein ganz proprer Mensch, freilich
etwas zu blond von Farbe und etwas zu jugendlich von Aussehen. Aber seine
Manieren, und wie er die Hände rieb und die Kunden bediente, war großartig,
er war ja auch eigentlich gelernter Kaufmann.

Wilhelm Neigebarth kam gerade zur rechten Zeit an. Kaum war er ein¬
getreten, kaum hatte er sein Rad an sicherm Ort untergebracht, kaum hatte er
seine Ohrbommeln überreicht und dafür eine Patschhand von Dörcher erhalten,
kaum hatte er sich in seinem Bierschcmk orientiert, die Gläser und die Flaschen
gerückt und ein Dutzend mal die Hände gerieben, so kam der Braunfelser Break an
mit dem Herrn Braumeister auf dem Bocke und den Herren Larisch, Bolze und
Bernhard Scholz im Kasten. Die Herren verbanden auch diesesmal dus Angenehme
mit dem Nützlichen, das Geschäft mit der Spazierfahrt.

Das Geschäft ergab sich daraus, daß Felix Wandrer sein Versprechen hielt
und seinen Arbeitern und Bergleuten ein paar Tonnen Bier zum besten gab.
Dieses Bier war vom Braumeister geliefert worden, und die geschäftliche Kulanz
forderte es, daß jemand aus der Brauerei zugegen sein mußte, wenn das Bier aus¬
getrunken wurde. Als Ort für die Festlichkeit hatte man, da im Werke selbst kein
Platz war, den Berghang gewählt, der neben Herrn von Nienhagens Kalkbrüchen
lag und mit diesen Brüchen zugleich vom Werke gepachtet worden war. Hier hatte
man aus Brettern und Pfählen eine große Zahl von Bänken und Tischen her¬
gestellt. Auch eine Ehrenpforte war errichtet, mit Bergmannsabzeichen, Lampe,
Schlägel und Hut ausgestattet und mit Grün geschmückt worden, das der Wald
hatte hergeben müssen. Die Bergleute, die gewöhnt waren, mit allen möglichen
Mitteln zu arbeiten, erwiesen sich hierbei als sehr geschickt. An der höchsten Stelle
des Platzes waren drei Wagen aufgefahren, zwei, die das Bier gebracht hatten,
und ein andrer, der mit Kisten voll von Gläsern beladen war. Am Rande des
Festplatzes hatte sich eine Bude etabliert, in der gebratne Heringe, Neunaugen und
andre schöne Dinge zu haben waren. Auch fehlte der Saucischenverkäufer aus
Braunfels mit seinem Blechkasten und seiner nicht sehr weißen Schürze nicht, ein
alter Kerl, der den Volksnamen Napoleum trug, und der sein Leiblied: "Napoleum,
du Schustergeselle" bei gegebner Gelegenheit zum besten geben mußte. Auch eine alte
Frau mit Zuckerkram und kleinen Zinnpfeifen hatte sich eingefunden, nicht wegen
der biertrinkenden Väter, sondern wegen der lieben Jngend, die doch auch zu ihrem
Rechte kommen mußte. Und sie hatte richtig spekuliert, denn lange ehe das Fest
begann, war ihr Stand von Kindern umlagert, und es erhob sich ein nerven¬
zerrüttendes Piepsen und Pfeifen in der ganzen Umgegend.

Auch Siebitsch hatte sich zum Feste wohl vorbereitet. Die Instrumente
waren angekommen, und die Musikanten unter den Bergleuten waren zusammen¬
getrommelt worden. Aber mit den Noten sah es böse aus. Was wäre auch in
der kurzen Zeit einzuüben gewesen? So beschränkte sich das musikalische Repertoire
vor der Hand auf drei Märsche, auf den Armeeinarsch Nummer 4, den alle noch
von ihren Soldatenzeiten konnten, auf den Torgauer Marsch mit dem schönen Trio:
Herr Weber hat den Käwer, und den Marsch aus Fatinitza: Du bist verrückt, mein
Kind. Diese waren fleißig eingeübt worden, und Siebitsch hatte dazu unermüdlich
teils mit der Hand, teils spielend mit der Klarinette im Munde den Takt ge¬
schlagen und genickt.

Von vier Uhr an fingen die Festgäste an, sich auf dem Platze zu sammeln.
Mau stand in Gruppen, rauchte Zigarren und schaute mit Erwartung und Be¬
friedigung auf die Tonnen Bier, die aufgelegt waren, und erfreute sich an dem
Gepfeife der Jugend. Um fünf Uhr kam die Musik durch Hvlzweißig. Die Mu¬
sikanten hatten Paradeuniform angelegt, ihre Topfhüte mit Federbüschen aufgesetzt


Voktor Duttmüller und sein Freund

Schmied ein paar Ohrbommeln zu erhandeln, und am andern Nachmittage, denn er
durfte sich doch auch nicht zu eilig zeigen, zog er seine Radfahrerkleidnng an, setzte
seine Radfahrermütze mit dem großen Deckel auf und fuhr los. — Wilhelm Neige-
barth war mit sich zufrieden. Es war auch ein ganz proprer Mensch, freilich
etwas zu blond von Farbe und etwas zu jugendlich von Aussehen. Aber seine
Manieren, und wie er die Hände rieb und die Kunden bediente, war großartig,
er war ja auch eigentlich gelernter Kaufmann.

Wilhelm Neigebarth kam gerade zur rechten Zeit an. Kaum war er ein¬
getreten, kaum hatte er sein Rad an sicherm Ort untergebracht, kaum hatte er
seine Ohrbommeln überreicht und dafür eine Patschhand von Dörcher erhalten,
kaum hatte er sich in seinem Bierschcmk orientiert, die Gläser und die Flaschen
gerückt und ein Dutzend mal die Hände gerieben, so kam der Braunfelser Break an
mit dem Herrn Braumeister auf dem Bocke und den Herren Larisch, Bolze und
Bernhard Scholz im Kasten. Die Herren verbanden auch diesesmal dus Angenehme
mit dem Nützlichen, das Geschäft mit der Spazierfahrt.

Das Geschäft ergab sich daraus, daß Felix Wandrer sein Versprechen hielt
und seinen Arbeitern und Bergleuten ein paar Tonnen Bier zum besten gab.
Dieses Bier war vom Braumeister geliefert worden, und die geschäftliche Kulanz
forderte es, daß jemand aus der Brauerei zugegen sein mußte, wenn das Bier aus¬
getrunken wurde. Als Ort für die Festlichkeit hatte man, da im Werke selbst kein
Platz war, den Berghang gewählt, der neben Herrn von Nienhagens Kalkbrüchen
lag und mit diesen Brüchen zugleich vom Werke gepachtet worden war. Hier hatte
man aus Brettern und Pfählen eine große Zahl von Bänken und Tischen her¬
gestellt. Auch eine Ehrenpforte war errichtet, mit Bergmannsabzeichen, Lampe,
Schlägel und Hut ausgestattet und mit Grün geschmückt worden, das der Wald
hatte hergeben müssen. Die Bergleute, die gewöhnt waren, mit allen möglichen
Mitteln zu arbeiten, erwiesen sich hierbei als sehr geschickt. An der höchsten Stelle
des Platzes waren drei Wagen aufgefahren, zwei, die das Bier gebracht hatten,
und ein andrer, der mit Kisten voll von Gläsern beladen war. Am Rande des
Festplatzes hatte sich eine Bude etabliert, in der gebratne Heringe, Neunaugen und
andre schöne Dinge zu haben waren. Auch fehlte der Saucischenverkäufer aus
Braunfels mit seinem Blechkasten und seiner nicht sehr weißen Schürze nicht, ein
alter Kerl, der den Volksnamen Napoleum trug, und der sein Leiblied: „Napoleum,
du Schustergeselle" bei gegebner Gelegenheit zum besten geben mußte. Auch eine alte
Frau mit Zuckerkram und kleinen Zinnpfeifen hatte sich eingefunden, nicht wegen
der biertrinkenden Väter, sondern wegen der lieben Jngend, die doch auch zu ihrem
Rechte kommen mußte. Und sie hatte richtig spekuliert, denn lange ehe das Fest
begann, war ihr Stand von Kindern umlagert, und es erhob sich ein nerven¬
zerrüttendes Piepsen und Pfeifen in der ganzen Umgegend.

Auch Siebitsch hatte sich zum Feste wohl vorbereitet. Die Instrumente
waren angekommen, und die Musikanten unter den Bergleuten waren zusammen¬
getrommelt worden. Aber mit den Noten sah es böse aus. Was wäre auch in
der kurzen Zeit einzuüben gewesen? So beschränkte sich das musikalische Repertoire
vor der Hand auf drei Märsche, auf den Armeeinarsch Nummer 4, den alle noch
von ihren Soldatenzeiten konnten, auf den Torgauer Marsch mit dem schönen Trio:
Herr Weber hat den Käwer, und den Marsch aus Fatinitza: Du bist verrückt, mein
Kind. Diese waren fleißig eingeübt worden, und Siebitsch hatte dazu unermüdlich
teils mit der Hand, teils spielend mit der Klarinette im Munde den Takt ge¬
schlagen und genickt.

Von vier Uhr an fingen die Festgäste an, sich auf dem Platze zu sammeln.
Mau stand in Gruppen, rauchte Zigarren und schaute mit Erwartung und Be¬
friedigung auf die Tonnen Bier, die aufgelegt waren, und erfreute sich an dem
Gepfeife der Jugend. Um fünf Uhr kam die Musik durch Hvlzweißig. Die Mu¬
sikanten hatten Paradeuniform angelegt, ihre Topfhüte mit Federbüschen aufgesetzt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0106" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237392"/>
          <fw type="header" place="top"> Voktor Duttmüller und sein Freund</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_515" prev="#ID_514"> Schmied ein paar Ohrbommeln zu erhandeln, und am andern Nachmittage, denn er<lb/>
durfte sich doch auch nicht zu eilig zeigen, zog er seine Radfahrerkleidnng an, setzte<lb/>
seine Radfahrermütze mit dem großen Deckel auf und fuhr los. &#x2014; Wilhelm Neige-<lb/>
barth war mit sich zufrieden. Es war auch ein ganz proprer Mensch, freilich<lb/>
etwas zu blond von Farbe und etwas zu jugendlich von Aussehen. Aber seine<lb/>
Manieren, und wie er die Hände rieb und die Kunden bediente, war großartig,<lb/>
er war ja auch eigentlich gelernter Kaufmann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_516"> Wilhelm Neigebarth kam gerade zur rechten Zeit an. Kaum war er ein¬<lb/>
getreten, kaum hatte er sein Rad an sicherm Ort untergebracht, kaum hatte er<lb/>
seine Ohrbommeln überreicht und dafür eine Patschhand von Dörcher erhalten,<lb/>
kaum hatte er sich in seinem Bierschcmk orientiert, die Gläser und die Flaschen<lb/>
gerückt und ein Dutzend mal die Hände gerieben, so kam der Braunfelser Break an<lb/>
mit dem Herrn Braumeister auf dem Bocke und den Herren Larisch, Bolze und<lb/>
Bernhard Scholz im Kasten. Die Herren verbanden auch diesesmal dus Angenehme<lb/>
mit dem Nützlichen, das Geschäft mit der Spazierfahrt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_517"> Das Geschäft ergab sich daraus, daß Felix Wandrer sein Versprechen hielt<lb/>
und seinen Arbeitern und Bergleuten ein paar Tonnen Bier zum besten gab.<lb/>
Dieses Bier war vom Braumeister geliefert worden, und die geschäftliche Kulanz<lb/>
forderte es, daß jemand aus der Brauerei zugegen sein mußte, wenn das Bier aus¬<lb/>
getrunken wurde. Als Ort für die Festlichkeit hatte man, da im Werke selbst kein<lb/>
Platz war, den Berghang gewählt, der neben Herrn von Nienhagens Kalkbrüchen<lb/>
lag und mit diesen Brüchen zugleich vom Werke gepachtet worden war. Hier hatte<lb/>
man aus Brettern und Pfählen eine große Zahl von Bänken und Tischen her¬<lb/>
gestellt. Auch eine Ehrenpforte war errichtet, mit Bergmannsabzeichen, Lampe,<lb/>
Schlägel und Hut ausgestattet und mit Grün geschmückt worden, das der Wald<lb/>
hatte hergeben müssen. Die Bergleute, die gewöhnt waren, mit allen möglichen<lb/>
Mitteln zu arbeiten, erwiesen sich hierbei als sehr geschickt. An der höchsten Stelle<lb/>
des Platzes waren drei Wagen aufgefahren, zwei, die das Bier gebracht hatten,<lb/>
und ein andrer, der mit Kisten voll von Gläsern beladen war. Am Rande des<lb/>
Festplatzes hatte sich eine Bude etabliert, in der gebratne Heringe, Neunaugen und<lb/>
andre schöne Dinge zu haben waren. Auch fehlte der Saucischenverkäufer aus<lb/>
Braunfels mit seinem Blechkasten und seiner nicht sehr weißen Schürze nicht, ein<lb/>
alter Kerl, der den Volksnamen Napoleum trug, und der sein Leiblied: &#x201E;Napoleum,<lb/>
du Schustergeselle" bei gegebner Gelegenheit zum besten geben mußte. Auch eine alte<lb/>
Frau mit Zuckerkram und kleinen Zinnpfeifen hatte sich eingefunden, nicht wegen<lb/>
der biertrinkenden Väter, sondern wegen der lieben Jngend, die doch auch zu ihrem<lb/>
Rechte kommen mußte. Und sie hatte richtig spekuliert, denn lange ehe das Fest<lb/>
begann, war ihr Stand von Kindern umlagert, und es erhob sich ein nerven¬<lb/>
zerrüttendes Piepsen und Pfeifen in der ganzen Umgegend.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_518"> Auch Siebitsch hatte sich zum Feste wohl vorbereitet. Die Instrumente<lb/>
waren angekommen, und die Musikanten unter den Bergleuten waren zusammen¬<lb/>
getrommelt worden. Aber mit den Noten sah es böse aus. Was wäre auch in<lb/>
der kurzen Zeit einzuüben gewesen? So beschränkte sich das musikalische Repertoire<lb/>
vor der Hand auf drei Märsche, auf den Armeeinarsch Nummer 4, den alle noch<lb/>
von ihren Soldatenzeiten konnten, auf den Torgauer Marsch mit dem schönen Trio:<lb/>
Herr Weber hat den Käwer, und den Marsch aus Fatinitza: Du bist verrückt, mein<lb/>
Kind. Diese waren fleißig eingeübt worden, und Siebitsch hatte dazu unermüdlich<lb/>
teils mit der Hand, teils spielend mit der Klarinette im Munde den Takt ge¬<lb/>
schlagen und genickt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_519" next="#ID_520"> Von vier Uhr an fingen die Festgäste an, sich auf dem Platze zu sammeln.<lb/>
Mau stand in Gruppen, rauchte Zigarren und schaute mit Erwartung und Be¬<lb/>
friedigung auf die Tonnen Bier, die aufgelegt waren, und erfreute sich an dem<lb/>
Gepfeife der Jugend. Um fünf Uhr kam die Musik durch Hvlzweißig. Die Mu¬<lb/>
sikanten hatten Paradeuniform angelegt, ihre Topfhüte mit Federbüschen aufgesetzt</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0106] Voktor Duttmüller und sein Freund Schmied ein paar Ohrbommeln zu erhandeln, und am andern Nachmittage, denn er durfte sich doch auch nicht zu eilig zeigen, zog er seine Radfahrerkleidnng an, setzte seine Radfahrermütze mit dem großen Deckel auf und fuhr los. — Wilhelm Neige- barth war mit sich zufrieden. Es war auch ein ganz proprer Mensch, freilich etwas zu blond von Farbe und etwas zu jugendlich von Aussehen. Aber seine Manieren, und wie er die Hände rieb und die Kunden bediente, war großartig, er war ja auch eigentlich gelernter Kaufmann. Wilhelm Neigebarth kam gerade zur rechten Zeit an. Kaum war er ein¬ getreten, kaum hatte er sein Rad an sicherm Ort untergebracht, kaum hatte er seine Ohrbommeln überreicht und dafür eine Patschhand von Dörcher erhalten, kaum hatte er sich in seinem Bierschcmk orientiert, die Gläser und die Flaschen gerückt und ein Dutzend mal die Hände gerieben, so kam der Braunfelser Break an mit dem Herrn Braumeister auf dem Bocke und den Herren Larisch, Bolze und Bernhard Scholz im Kasten. Die Herren verbanden auch diesesmal dus Angenehme mit dem Nützlichen, das Geschäft mit der Spazierfahrt. Das Geschäft ergab sich daraus, daß Felix Wandrer sein Versprechen hielt und seinen Arbeitern und Bergleuten ein paar Tonnen Bier zum besten gab. Dieses Bier war vom Braumeister geliefert worden, und die geschäftliche Kulanz forderte es, daß jemand aus der Brauerei zugegen sein mußte, wenn das Bier aus¬ getrunken wurde. Als Ort für die Festlichkeit hatte man, da im Werke selbst kein Platz war, den Berghang gewählt, der neben Herrn von Nienhagens Kalkbrüchen lag und mit diesen Brüchen zugleich vom Werke gepachtet worden war. Hier hatte man aus Brettern und Pfählen eine große Zahl von Bänken und Tischen her¬ gestellt. Auch eine Ehrenpforte war errichtet, mit Bergmannsabzeichen, Lampe, Schlägel und Hut ausgestattet und mit Grün geschmückt worden, das der Wald hatte hergeben müssen. Die Bergleute, die gewöhnt waren, mit allen möglichen Mitteln zu arbeiten, erwiesen sich hierbei als sehr geschickt. An der höchsten Stelle des Platzes waren drei Wagen aufgefahren, zwei, die das Bier gebracht hatten, und ein andrer, der mit Kisten voll von Gläsern beladen war. Am Rande des Festplatzes hatte sich eine Bude etabliert, in der gebratne Heringe, Neunaugen und andre schöne Dinge zu haben waren. Auch fehlte der Saucischenverkäufer aus Braunfels mit seinem Blechkasten und seiner nicht sehr weißen Schürze nicht, ein alter Kerl, der den Volksnamen Napoleum trug, und der sein Leiblied: „Napoleum, du Schustergeselle" bei gegebner Gelegenheit zum besten geben mußte. Auch eine alte Frau mit Zuckerkram und kleinen Zinnpfeifen hatte sich eingefunden, nicht wegen der biertrinkenden Väter, sondern wegen der lieben Jngend, die doch auch zu ihrem Rechte kommen mußte. Und sie hatte richtig spekuliert, denn lange ehe das Fest begann, war ihr Stand von Kindern umlagert, und es erhob sich ein nerven¬ zerrüttendes Piepsen und Pfeifen in der ganzen Umgegend. Auch Siebitsch hatte sich zum Feste wohl vorbereitet. Die Instrumente waren angekommen, und die Musikanten unter den Bergleuten waren zusammen¬ getrommelt worden. Aber mit den Noten sah es böse aus. Was wäre auch in der kurzen Zeit einzuüben gewesen? So beschränkte sich das musikalische Repertoire vor der Hand auf drei Märsche, auf den Armeeinarsch Nummer 4, den alle noch von ihren Soldatenzeiten konnten, auf den Torgauer Marsch mit dem schönen Trio: Herr Weber hat den Käwer, und den Marsch aus Fatinitza: Du bist verrückt, mein Kind. Diese waren fleißig eingeübt worden, und Siebitsch hatte dazu unermüdlich teils mit der Hand, teils spielend mit der Klarinette im Munde den Takt ge¬ schlagen und genickt. Von vier Uhr an fingen die Festgäste an, sich auf dem Platze zu sammeln. Mau stand in Gruppen, rauchte Zigarren und schaute mit Erwartung und Be¬ friedigung auf die Tonnen Bier, die aufgelegt waren, und erfreute sich an dem Gepfeife der Jugend. Um fünf Uhr kam die Musik durch Hvlzweißig. Die Mu¬ sikanten hatten Paradeuniform angelegt, ihre Topfhüte mit Federbüschen aufgesetzt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/106
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/106>, abgerufen am 23.07.2024.