Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.Doktor Dnttmüller und sein Freund Aber der Hauptgrund, warum sich Alice und Dnttmüller nicht näher kommen Pa, sagte Ellen zu ihrem Vater, Alice gefällt mir ganz und gar nicht. Wieso, Schnucki? Sie ist mir zu gottergeben. Bedenke, Pa, eine Braut! Und sie läßt sich Pa schwieg. Sag mal, Pa, fuhr Ellen fort, du hast wohl Sorgen. Ja, du hast Sorgen, Ja, das weiß Gott. Ich habe da gelesen, daß sie zur Sodafabrikation Kalk brauchen, vom Bau- Donnerwetter, Mädel, da habe ich ja gar nicht wieder dran gedacht. Nun sieh mal, so ein alter vergeßlicher Pa. Heute nachmittag gehn wir aufs Dies geschah. Der Direktor ging ohne weiteres auf den Vorschlag, die Kalk¬ Diese heranrückende Hochzeit ließ ihren Schatten zuerst in das Küchendepar¬ Frau Dnttmüller hatte sich von ihrem Geschäfte mehr und mehr zurückgezogen. Doktor Dnttmüller und sein Freund Aber der Hauptgrund, warum sich Alice und Dnttmüller nicht näher kommen Pa, sagte Ellen zu ihrem Vater, Alice gefällt mir ganz und gar nicht. Wieso, Schnucki? Sie ist mir zu gottergeben. Bedenke, Pa, eine Braut! Und sie läßt sich Pa schwieg. Sag mal, Pa, fuhr Ellen fort, du hast wohl Sorgen. Ja, du hast Sorgen, Ja, das weiß Gott. Ich habe da gelesen, daß sie zur Sodafabrikation Kalk brauchen, vom Bau- Donnerwetter, Mädel, da habe ich ja gar nicht wieder dran gedacht. Nun sieh mal, so ein alter vergeßlicher Pa. Heute nachmittag gehn wir aufs Dies geschah. Der Direktor ging ohne weiteres auf den Vorschlag, die Kalk¬ Diese heranrückende Hochzeit ließ ihren Schatten zuerst in das Küchendepar¬ Frau Dnttmüller hatte sich von ihrem Geschäfte mehr und mehr zurückgezogen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0627" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237151"/> <fw type="header" place="top"> Doktor Dnttmüller und sein Freund</fw><lb/> <p xml:id="ID_2559"> Aber der Hauptgrund, warum sich Alice und Dnttmüller nicht näher kommen<lb/> konnten, war die gnädige Frau Mutter, die es für ihre Pflicht hielt, das Verhalten<lb/> der Brautleute zu überwachen. Sobald sich Duttmüller sehen ließ, war auch die<lb/> Madige Frau da, um den Verkehr der Liebenden zu dirigieren und in die Formen<lb/> zu bringen, die ihren Begriffen von gutem Austand entsprachen. Dem gemäß<lb/> führte sie der Hauptsache nach allein das Wort. Sie hatte eine offenbare Zu¬<lb/> neigung zu ihrem Schwiegersöhne gefaßt und nahm ihn darum auch reichlich für<lb/> sich in Anspruch. Es gab keine Sache, die sie nicht mit Doktor Dnttmüller be¬<lb/> sprochen hätte. War Dnttmüller schon früher Autoritätsperson der gnädigen Frau<lb/> gewesen, vorausgesetzt, daß er ihrer Ansicht zustimmte, so war er jetzt die letzte<lb/> Instanz, an die immer und überall appelliert wurde. — Wenn er nur nicht Louis<lb/> geheißen hätte! Louis ist doch ein gar zu gewöhnlicher Name! Die gnädige Frau<lb/> umging die Schwierigkeit, indem sie ihn lieber Doktor nannte. Und so ging es<lb/> w demi Brautstände Doktor Duttmüllers immer sehr gemessen und ordentlich zu.<lb/> Manches Brautpaar hätte gegen die dirigierende Lorgnette revoltiert, aber Dutt¬<lb/> müller und Alice ließen sie sich gefallen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2560"> Pa, sagte Ellen zu ihrem Vater, Alice gefällt mir ganz und gar nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2561"> Wieso, Schnucki?</p><lb/> <p xml:id="ID_2562"> Sie ist mir zu gottergeben. Bedenke, Pa, eine Braut! Und sie läßt sich<lb/> it)ren Bräutigam von Mama ganz geduldig abdingen, abspannen und abwendig<lb/> machen. Und sagt kein Wort dazu. Wenn ich das wäre, ich ließe mirs nicht<lb/> gefallen. Ich würde sagen: Louis, würde ich sagen: Wähle, die Mutter oder die<lb/> Tochter. — Dn gefällst mir aber auch uicht, Pa. Du gehst so langsam. Du<lb/> donnerwetterst gar uicht mehr wie früher. Ich an deiner Stelle ,,wärrre schon<lb/> längst mit einem Dvnnerrrwetterrr dazwischen gefahren."</p><lb/> <p xml:id="ID_2563"> Pa schwieg.</p><lb/> <p xml:id="ID_2564"> Sag mal, Pa, fuhr Ellen fort, du hast wohl Sorgen. Ja, du hast Sorgen,<lb/> du sollst immer uur Geld schaffen, und kein Mensch fragt danach, woher es nehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2565"> Ja, das weiß Gott.</p><lb/> <p xml:id="ID_2566"> Ich habe da gelesen, daß sie zur Sodafabrikation Kalk brauchen, vom Bau-<lb/> 5"tke günz abgesehen; hast dn denn schon den Versuch gemacht, deine Kalksteine an¬<lb/> zubringen?</p><lb/> <p xml:id="ID_2567"> Donnerwetter, Mädel, da habe ich ja gar nicht wieder dran gedacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2568"> Nun sieh mal, so ein alter vergeßlicher Pa. Heute nachmittag gehn wir aufs<lb/> ^ert und besuchen Direktors. Dn machst deine Geschäfte, und ich begebe mich<lb/> SU Lydia.</p><lb/> <p xml:id="ID_2569"> Dies geschah. Der Direktor ging ohne weiteres auf den Vorschlag, die Kalk¬<lb/> steinbrüche zu pachten, ein und war auch bereit, einen ansehnlichen Vorschuß zu<lb/> zahle». Damit ließen sich die dringendsten Ausgaben, besonders auch die Hochzeit,<lb/> d^ schon nahe herangerückt war, bestreiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2570"> Diese heranrückende Hochzeit ließ ihren Schatten zuerst in das Küchendepar¬<lb/> tement fallen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2571" next="#ID_2572"> Frau Dnttmüller hatte sich von ihrem Geschäfte mehr und mehr zurückgezogen.<lb/> >n die Waschwanne trat sie nicht mehr, das vertrug sich nicht mit der vornehmen<lb/> Schwiegertochter. Sie dirigierte vielmehr ihr Geschäft mehr von oben herab, wobei<lb/> mit ähnlicher Eleganz wie Frau von Nieuhagen, zwar nicht eine Lorgnette,<lb/> Wildern den Quirl des Stärketopfs schwang. Auch hatte sie ans den Wunsch ihres<lb/> b hö^u Sohnes ihre Tracht und ihre Manieren so sehr verschönt, daß sie für eine<lb/> estere Bürgermadam gehalten werden konnte. Geschimpft wurde gar nicht mehr,<lb/> urd daß die Hände kcnnpfesmutig in die Seite gestützt wurden, kam nur selten vor.<lb/> ^isweilen überließ sie das Geschäft sich selber und fuhr nach Holzweißig, um nach<lb/> <Ä"/ Achten zu sehen — besonders auch auf dem Fronhofe, wo eine praktische Frau<lb/> Gelegenheit hatte, sich Verdienste zu erwerben. Oben in den Gesellschaftsränmen<lb/> fühlte sie sich weniger heimisch als unter im Küchendepartement. Und dies hatte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0627]
Doktor Dnttmüller und sein Freund
Aber der Hauptgrund, warum sich Alice und Dnttmüller nicht näher kommen
konnten, war die gnädige Frau Mutter, die es für ihre Pflicht hielt, das Verhalten
der Brautleute zu überwachen. Sobald sich Duttmüller sehen ließ, war auch die
Madige Frau da, um den Verkehr der Liebenden zu dirigieren und in die Formen
zu bringen, die ihren Begriffen von gutem Austand entsprachen. Dem gemäß
führte sie der Hauptsache nach allein das Wort. Sie hatte eine offenbare Zu¬
neigung zu ihrem Schwiegersöhne gefaßt und nahm ihn darum auch reichlich für
sich in Anspruch. Es gab keine Sache, die sie nicht mit Doktor Dnttmüller be¬
sprochen hätte. War Dnttmüller schon früher Autoritätsperson der gnädigen Frau
gewesen, vorausgesetzt, daß er ihrer Ansicht zustimmte, so war er jetzt die letzte
Instanz, an die immer und überall appelliert wurde. — Wenn er nur nicht Louis
geheißen hätte! Louis ist doch ein gar zu gewöhnlicher Name! Die gnädige Frau
umging die Schwierigkeit, indem sie ihn lieber Doktor nannte. Und so ging es
w demi Brautstände Doktor Duttmüllers immer sehr gemessen und ordentlich zu.
Manches Brautpaar hätte gegen die dirigierende Lorgnette revoltiert, aber Dutt¬
müller und Alice ließen sie sich gefallen.
Pa, sagte Ellen zu ihrem Vater, Alice gefällt mir ganz und gar nicht.
Wieso, Schnucki?
Sie ist mir zu gottergeben. Bedenke, Pa, eine Braut! Und sie läßt sich
it)ren Bräutigam von Mama ganz geduldig abdingen, abspannen und abwendig
machen. Und sagt kein Wort dazu. Wenn ich das wäre, ich ließe mirs nicht
gefallen. Ich würde sagen: Louis, würde ich sagen: Wähle, die Mutter oder die
Tochter. — Dn gefällst mir aber auch uicht, Pa. Du gehst so langsam. Du
donnerwetterst gar uicht mehr wie früher. Ich an deiner Stelle ,,wärrre schon
längst mit einem Dvnnerrrwetterrr dazwischen gefahren."
Pa schwieg.
Sag mal, Pa, fuhr Ellen fort, du hast wohl Sorgen. Ja, du hast Sorgen,
du sollst immer uur Geld schaffen, und kein Mensch fragt danach, woher es nehmen.
Ja, das weiß Gott.
Ich habe da gelesen, daß sie zur Sodafabrikation Kalk brauchen, vom Bau-
5"tke günz abgesehen; hast dn denn schon den Versuch gemacht, deine Kalksteine an¬
zubringen?
Donnerwetter, Mädel, da habe ich ja gar nicht wieder dran gedacht.
Nun sieh mal, so ein alter vergeßlicher Pa. Heute nachmittag gehn wir aufs
^ert und besuchen Direktors. Dn machst deine Geschäfte, und ich begebe mich
SU Lydia.
Dies geschah. Der Direktor ging ohne weiteres auf den Vorschlag, die Kalk¬
steinbrüche zu pachten, ein und war auch bereit, einen ansehnlichen Vorschuß zu
zahle». Damit ließen sich die dringendsten Ausgaben, besonders auch die Hochzeit,
d^ schon nahe herangerückt war, bestreiten.
Diese heranrückende Hochzeit ließ ihren Schatten zuerst in das Küchendepar¬
tement fallen.
Frau Dnttmüller hatte sich von ihrem Geschäfte mehr und mehr zurückgezogen.
>n die Waschwanne trat sie nicht mehr, das vertrug sich nicht mit der vornehmen
Schwiegertochter. Sie dirigierte vielmehr ihr Geschäft mehr von oben herab, wobei
mit ähnlicher Eleganz wie Frau von Nieuhagen, zwar nicht eine Lorgnette,
Wildern den Quirl des Stärketopfs schwang. Auch hatte sie ans den Wunsch ihres
b hö^u Sohnes ihre Tracht und ihre Manieren so sehr verschönt, daß sie für eine
estere Bürgermadam gehalten werden konnte. Geschimpft wurde gar nicht mehr,
urd daß die Hände kcnnpfesmutig in die Seite gestützt wurden, kam nur selten vor.
^isweilen überließ sie das Geschäft sich selber und fuhr nach Holzweißig, um nach
<Ä"/ Achten zu sehen — besonders auch auf dem Fronhofe, wo eine praktische Frau
Gelegenheit hatte, sich Verdienste zu erwerben. Oben in den Gesellschaftsränmen
fühlte sie sich weniger heimisch als unter im Küchendepartement. Und dies hatte
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |