Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.Die Toten von ^3Y9 beide sich verstündigen und Preußen und Österreich zu einander den Weg in Die Toten von ^3Y9 beide sich verstündigen und Preußen und Österreich zu einander den Weg in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0573" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237097"/> <fw type="header" place="top"> Die Toten von ^3Y9</fw><lb/> <p xml:id="ID_2326" prev="#ID_2325" next="#ID_2327"> beide sich verstündigen und Preußen und Österreich zu einander den Weg in<lb/> der deutschen Frage finden würden. Mitten in einer schweren europäischen<lb/> Krise, unmittelbar vor dem Ausdruck) des unglücklichen österreichisch-französischen<lb/> Kriegs 1859 übernahm er als Minister die Leitung der äußern Politik, die<lb/> von seinem Vorgänger, dem Grafen Buol, gänzlich verfahren war. Dieser<lb/> hatte Rußland brüskiert, Rechberg suchte ein gutes Verhältnis zu Rußland<lb/> und namentlich zu Preußen, weil er nur so die disparaten Elemente des<lb/> Kaiscrstaats zusammenhalten zu können einsah. Als Verehrer der Politik des<lb/> greisen Fürsten Metternich wünschte er an der Landkarte Europas möglichst<lb/> wenig geändert, und er bemühte sich um einen friedlichen Ausgleich mit<lb/> Preußen in Deutschland; aber der Kaiser gab vielfach andern Ratgebern nach,<lb/> dem franzosenfreundlichen Ministerialdirektor von Meysenbug und dem preußen¬<lb/> feindlichen Referenten für die deutschen Angelegenheiten von Biegelcben, und<lb/> da nun andrerseits Nechbergs Programm, mit der Erhaltung des 1815 in<lb/> Deutschland geschaffnen Zustandes als Grundlage, die von dem deutschen Volke<lb/> ersehnte Minigung auszuschließen schien, so mußte wohl diese ganze deutsche<lb/> Politik Österreichs unfruchtbar bleiben, während Preußen in der deutschen Frage<lb/> 1862 durch einen freihändlerischen Handelsvertrag mit Frankreich, dem die<lb/> Staaten des Zollvereins beitreten mußten, einen vollen, Sieg erreichte. Der<lb/> Fürstentag in Frankfurt 1863 ergab einen Mißerfolg Österreichs. Rechberg<lb/> hatte die Unternehmung, zu der Biegelebeu und Schmerling den Kaiser be¬<lb/> stimmten, nicht gewollt; die Blamage konnte er nicht mehr abwenden. In der<lb/> Schleswig-holsteinischen Frage ging er sodann weiter mit Bismarck, als er ur¬<lb/> sprünglich gewollt hatte, er entfremdete sich zunächst die Mittelständen dadurch,<lb/> daß Österreich gemeinsam mit Preußen die Zurückziehung ihrer Kontingente er¬<lb/> zwang, und als dann Dänemark die Herzogtümer an „Österreich und Preußen"<lb/> abtreten mußte, erhoben Schmerling und seine andern Gegner gegen ihn nicht<lb/> ohne Grund den Vorwurf, daß er Preußen zu einer Ernte verholfen habe,<lb/> woran der Anteil Österreichs mehr als unsicher sei. Aber nicht das stürzte<lb/> ihn, sondern eine diplomatische Niederlage auf einem ganz andern Gebiete.<lb/> In dem 1853 auf zwölf Jahre abgeschlossenen Handelsvertrage mit Preußen<lb/> war ausgemacht worden, daß nach Ablauf dieser Frist Österreich der Eintritt<lb/> i,n den Zollverein freistchn solle; bei der nicht genügend entwickelten Industrie<lb/> Österreichs schien aber der Anschluß auch im Jahre 1865 noch nicht möglich,<lb/> und so war das Wiener Kabinett, Schmerling an der Spitze, der Ansicht, diese<lb/> Klausel — 8 25 des alten Vertrags — müsse in den neuen wieder auf¬<lb/> genommen werden. Nechberg vertrat (im September 1864, also noch vor dem<lb/> Abschluß des Wiener Friedens mit Dünemark vom 30. Oktober) die Forderung<lb/> w dringenden Vorstellungen an Bismarck, der sie auch bei dem König unter¬<lb/> stützte, aber dieser versagte unter Delbrücks Einfluß seine Zustimmung; erlegte<lb/> auf Rechbergs Verbleiben im Amte bei dessen wenig energischer Politik keinen<lb/> Wert und glaubte andrerseits nicht, daß durch ein Zugeständnis in der Zoll-<lb/> frage gegen Schmerling, wenn dessen Stellung wirklich so stark sei, etwas<lb/> wesentliches erreicht werden könne. Bismarck hat viel später diese Nicht-<lb/> bewilligung des § 25 für einen Fehler erklärt, weil sie einen Minister aus<lb/> nein Amte getrieben hätte, der alles gethan haben würde, einen Krieg mit<lb/> Preußen zu vermeiden. Als die Entscheidung gefallen war, und die beiden<lb/> österreichischen Münster ihr gemeinsames Verbleiben im Amte für unmöglich<lb/> erklärten, genehmigte der Kaiser, der noch nicht mit dem liberalen zentralistischen<lb/> System Schmerlings brechen wollte, Rechbergs Entlassungsgcsnch, an demselben<lb/> Tage aber (27. Oktober) verlieh er ihm das Goldne Vließ, und sein Nach¬<lb/> folger wurde auch nicht etwa ein Politiker der Schmerlingschen Richtung,<lb/> 5- B. Biegelcben oder der Gesandte in Paris, Metternich, sondern der von<lb/> eben selbst vorgeschlagne Graf Meusdorff. Aber jene Gegner der von ihm</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0573]
Die Toten von ^3Y9
beide sich verstündigen und Preußen und Österreich zu einander den Weg in
der deutschen Frage finden würden. Mitten in einer schweren europäischen
Krise, unmittelbar vor dem Ausdruck) des unglücklichen österreichisch-französischen
Kriegs 1859 übernahm er als Minister die Leitung der äußern Politik, die
von seinem Vorgänger, dem Grafen Buol, gänzlich verfahren war. Dieser
hatte Rußland brüskiert, Rechberg suchte ein gutes Verhältnis zu Rußland
und namentlich zu Preußen, weil er nur so die disparaten Elemente des
Kaiscrstaats zusammenhalten zu können einsah. Als Verehrer der Politik des
greisen Fürsten Metternich wünschte er an der Landkarte Europas möglichst
wenig geändert, und er bemühte sich um einen friedlichen Ausgleich mit
Preußen in Deutschland; aber der Kaiser gab vielfach andern Ratgebern nach,
dem franzosenfreundlichen Ministerialdirektor von Meysenbug und dem preußen¬
feindlichen Referenten für die deutschen Angelegenheiten von Biegelcben, und
da nun andrerseits Nechbergs Programm, mit der Erhaltung des 1815 in
Deutschland geschaffnen Zustandes als Grundlage, die von dem deutschen Volke
ersehnte Minigung auszuschließen schien, so mußte wohl diese ganze deutsche
Politik Österreichs unfruchtbar bleiben, während Preußen in der deutschen Frage
1862 durch einen freihändlerischen Handelsvertrag mit Frankreich, dem die
Staaten des Zollvereins beitreten mußten, einen vollen, Sieg erreichte. Der
Fürstentag in Frankfurt 1863 ergab einen Mißerfolg Österreichs. Rechberg
hatte die Unternehmung, zu der Biegelebeu und Schmerling den Kaiser be¬
stimmten, nicht gewollt; die Blamage konnte er nicht mehr abwenden. In der
Schleswig-holsteinischen Frage ging er sodann weiter mit Bismarck, als er ur¬
sprünglich gewollt hatte, er entfremdete sich zunächst die Mittelständen dadurch,
daß Österreich gemeinsam mit Preußen die Zurückziehung ihrer Kontingente er¬
zwang, und als dann Dänemark die Herzogtümer an „Österreich und Preußen"
abtreten mußte, erhoben Schmerling und seine andern Gegner gegen ihn nicht
ohne Grund den Vorwurf, daß er Preußen zu einer Ernte verholfen habe,
woran der Anteil Österreichs mehr als unsicher sei. Aber nicht das stürzte
ihn, sondern eine diplomatische Niederlage auf einem ganz andern Gebiete.
In dem 1853 auf zwölf Jahre abgeschlossenen Handelsvertrage mit Preußen
war ausgemacht worden, daß nach Ablauf dieser Frist Österreich der Eintritt
i,n den Zollverein freistchn solle; bei der nicht genügend entwickelten Industrie
Österreichs schien aber der Anschluß auch im Jahre 1865 noch nicht möglich,
und so war das Wiener Kabinett, Schmerling an der Spitze, der Ansicht, diese
Klausel — 8 25 des alten Vertrags — müsse in den neuen wieder auf¬
genommen werden. Nechberg vertrat (im September 1864, also noch vor dem
Abschluß des Wiener Friedens mit Dünemark vom 30. Oktober) die Forderung
w dringenden Vorstellungen an Bismarck, der sie auch bei dem König unter¬
stützte, aber dieser versagte unter Delbrücks Einfluß seine Zustimmung; erlegte
auf Rechbergs Verbleiben im Amte bei dessen wenig energischer Politik keinen
Wert und glaubte andrerseits nicht, daß durch ein Zugeständnis in der Zoll-
frage gegen Schmerling, wenn dessen Stellung wirklich so stark sei, etwas
wesentliches erreicht werden könne. Bismarck hat viel später diese Nicht-
bewilligung des § 25 für einen Fehler erklärt, weil sie einen Minister aus
nein Amte getrieben hätte, der alles gethan haben würde, einen Krieg mit
Preußen zu vermeiden. Als die Entscheidung gefallen war, und die beiden
österreichischen Münster ihr gemeinsames Verbleiben im Amte für unmöglich
erklärten, genehmigte der Kaiser, der noch nicht mit dem liberalen zentralistischen
System Schmerlings brechen wollte, Rechbergs Entlassungsgcsnch, an demselben
Tage aber (27. Oktober) verlieh er ihm das Goldne Vließ, und sein Nach¬
folger wurde auch nicht etwa ein Politiker der Schmerlingschen Richtung,
5- B. Biegelcben oder der Gesandte in Paris, Metternich, sondern der von
eben selbst vorgeschlagne Graf Meusdorff. Aber jene Gegner der von ihm
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |