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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Doktor Dnttmnller und sein Freund

ich dir. so eine schöne Gelegenheit kommt nicht wieder. Drei Häuser in Magde¬
burg, und was sonst noch dran rum hängt. Sage es Fritze Poplitzen, daß wir

kommen.


Es grüßt in Liebe
deine Mutter.

Nachschrift. Schicke mir doch deine Hemden, welche gewiß wieder quittegelb
find, indem daß sie in Holzweißig keine Ahnung haben und waschen, daß es einen
Hund jammern thut. Dieselbigte.

Das war ein langer Brief. Frau Duttmüller hatte die halbe Nacht daran
gesetzt, ihn zu bauen, und Dörcher hatte lange Zeit dazu gebraucht, ihn zu ent¬
ziffern. Schade, daß es in den Sternen geschrieben stand, daß er nicht in den
Hafen seiner Bestimmung gelangen sollte. Dörcher war kaum fertig mit lesen, als
Stüwel -- das war immer das Zeichen zum Aufbruche -- mit dem Kuotenstvcke
aufklopfte und sagte und sang: Dem mag um sein, wie ihm wolle, aber jetzt heißt
es: Ach du mein lieber Gott, muß ich schon wieder fort -- auf die Chaussee! auf
die Chaussee! Worauf er seine Knochen langsam in Bewegung setzte wie Happichs
alter Franz. wenn er mit der Peitsche an seine Pflicht ermahnt wurde. Dörcher
hatte kaum Zeit, die Briefschaften wieder in die Tasche zu schieben. Aber was war
mit dem Duttmüllerschen Briefe anzusaugen, der erst wieder geschlossen und auch
noch überdacht und ausgelegt werden mußte? Sie ließ ihn im Tischkasten ver¬
schwinden, um ihn erst den andern Tag wieder mitzugeben. Was schadete es. wenn
er vierundzwanzig Stunden später abgegeben wurde? Die Schuld traf ja dann
die Post, und wem wäre es eingefallen, sich zu beschwere"?

Dörcher behielt also den Brief zurück, bedachte thu reiflich und kam zu dem
Schlüsse, daß sich jene Karoline trotz ihrer drei Häuser in Magdeburg nicht zur
Frau Doktor Duttmüller eigue, und daß Louis -- so nannte sie ihn bereits
in, stillen -- viel besser thäte, eine ans dem Orte zu nehmen. Es fehle ja nicht
an Mädchen, die bereit wären, den Doktor vom Flecke weg zu heiraten. Wie freilich
verhindert werden konnte, daß die alte Duttmüllern mit Hefters Karlinen an¬
komme und Unheil stifte, das fand sie nicht heraus, trotzdem daß sie in der Nacht
eine ganze Stunde wachte und grübelte. Diese schlaflose Nacht hatte aber zur
Folge, daß Dörcher am andern Tage den Brief vergaß. schadete nicht, morgen
war auch ein Tag. Als dieser Tag kam, war der Brief mit mehreren Fettflecken
versehen und beim Versuche, das Siegel wieder aufzukleben, versengt worden. Was
aber noch schlimmer war, Stüwel hatte seinen Rheumatismus und wurde von einem
lungen Postboten vertreten, der der Eifer und die Zuverlässigkeit selbst war, und
dem man den Brief nicht in die Tasche stecken durfte. Und so ließ sie mit einigem
Herzklopfen den Brief in der Falte zwischen Sitz und Seitenlehne des Sofas ver¬
schwinden und stellte es dem lieben Gott anheim zu fügen, was daraus werden
möchte. Hierauf hatte sie wieder eine schlaflose Nacht, das heißt, sie wachte zwischen
elf und zwölf Uhr dreimal auf, und dabei siel ihr schwer aufs Herz, daß am
nächste,, Donnerstage sowohl Fräulein Hefter als auch Laura Gockel ankommen
Würden, vier Hände, die bereit waren, ihr ihren Doktor zu entreiße", den.alten
Göckel und die alte Duttmüllern nicht mit gerechnet. Was sie da in ernstlichem
Sinnen aufgedreht hatte, brachte sie am andern Tage zu Papier in einem Briefe,
den sie an ihre Freundin in Klein-Siebendorf schrieb. Wir teilen der Kürze wegen
von diesem Briefe nur das Postskriptum mit.

Liebe Emilie, also du thust mir den Gefallen. Du sagst immer bloß, du
hättest Schmerzen im Rücken. Da kann er nie wissen, was das ist. Und
was es kostet, das bezahle ich. Ich thue dir auch einmal einen Gefallen. Und
°u läßt sagen, du wolltest keinen andern Doktor, du hättest soviel von ihm gehört.
Dann kommt er, da kannst du dich drauf verlassen. Also nächsten Donnerstag.

Am Mittwoch Morgen, einem schönen Spätherbstvormittage, schritt Leberecht-"olze durch den Böhnhnrdt mit so elastischen Schritten, als es seine Jahre er-


Grenzbotcn 1 1902 64
Doktor Dnttmnller und sein Freund

ich dir. so eine schöne Gelegenheit kommt nicht wieder. Drei Häuser in Magde¬
burg, und was sonst noch dran rum hängt. Sage es Fritze Poplitzen, daß wir

kommen.


Es grüßt in Liebe
deine Mutter.

Nachschrift. Schicke mir doch deine Hemden, welche gewiß wieder quittegelb
find, indem daß sie in Holzweißig keine Ahnung haben und waschen, daß es einen
Hund jammern thut. Dieselbigte.

Das war ein langer Brief. Frau Duttmüller hatte die halbe Nacht daran
gesetzt, ihn zu bauen, und Dörcher hatte lange Zeit dazu gebraucht, ihn zu ent¬
ziffern. Schade, daß es in den Sternen geschrieben stand, daß er nicht in den
Hafen seiner Bestimmung gelangen sollte. Dörcher war kaum fertig mit lesen, als
Stüwel — das war immer das Zeichen zum Aufbruche — mit dem Kuotenstvcke
aufklopfte und sagte und sang: Dem mag um sein, wie ihm wolle, aber jetzt heißt
es: Ach du mein lieber Gott, muß ich schon wieder fort — auf die Chaussee! auf
die Chaussee! Worauf er seine Knochen langsam in Bewegung setzte wie Happichs
alter Franz. wenn er mit der Peitsche an seine Pflicht ermahnt wurde. Dörcher
hatte kaum Zeit, die Briefschaften wieder in die Tasche zu schieben. Aber was war
mit dem Duttmüllerschen Briefe anzusaugen, der erst wieder geschlossen und auch
noch überdacht und ausgelegt werden mußte? Sie ließ ihn im Tischkasten ver¬
schwinden, um ihn erst den andern Tag wieder mitzugeben. Was schadete es. wenn
er vierundzwanzig Stunden später abgegeben wurde? Die Schuld traf ja dann
die Post, und wem wäre es eingefallen, sich zu beschwere»?

Dörcher behielt also den Brief zurück, bedachte thu reiflich und kam zu dem
Schlüsse, daß sich jene Karoline trotz ihrer drei Häuser in Magdeburg nicht zur
Frau Doktor Duttmüller eigue, und daß Louis — so nannte sie ihn bereits
in, stillen — viel besser thäte, eine ans dem Orte zu nehmen. Es fehle ja nicht
an Mädchen, die bereit wären, den Doktor vom Flecke weg zu heiraten. Wie freilich
verhindert werden konnte, daß die alte Duttmüllern mit Hefters Karlinen an¬
komme und Unheil stifte, das fand sie nicht heraus, trotzdem daß sie in der Nacht
eine ganze Stunde wachte und grübelte. Diese schlaflose Nacht hatte aber zur
Folge, daß Dörcher am andern Tage den Brief vergaß. schadete nicht, morgen
war auch ein Tag. Als dieser Tag kam, war der Brief mit mehreren Fettflecken
versehen und beim Versuche, das Siegel wieder aufzukleben, versengt worden. Was
aber noch schlimmer war, Stüwel hatte seinen Rheumatismus und wurde von einem
lungen Postboten vertreten, der der Eifer und die Zuverlässigkeit selbst war, und
dem man den Brief nicht in die Tasche stecken durfte. Und so ließ sie mit einigem
Herzklopfen den Brief in der Falte zwischen Sitz und Seitenlehne des Sofas ver¬
schwinden und stellte es dem lieben Gott anheim zu fügen, was daraus werden
möchte. Hierauf hatte sie wieder eine schlaflose Nacht, das heißt, sie wachte zwischen
elf und zwölf Uhr dreimal auf, und dabei siel ihr schwer aufs Herz, daß am
nächste,, Donnerstage sowohl Fräulein Hefter als auch Laura Gockel ankommen
Würden, vier Hände, die bereit waren, ihr ihren Doktor zu entreiße«, den.alten
Göckel und die alte Duttmüllern nicht mit gerechnet. Was sie da in ernstlichem
Sinnen aufgedreht hatte, brachte sie am andern Tage zu Papier in einem Briefe,
den sie an ihre Freundin in Klein-Siebendorf schrieb. Wir teilen der Kürze wegen
von diesem Briefe nur das Postskriptum mit.

Liebe Emilie, also du thust mir den Gefallen. Du sagst immer bloß, du
hättest Schmerzen im Rücken. Da kann er nie wissen, was das ist. Und
was es kostet, das bezahle ich. Ich thue dir auch einmal einen Gefallen. Und
°u läßt sagen, du wolltest keinen andern Doktor, du hättest soviel von ihm gehört.
Dann kommt er, da kannst du dich drauf verlassen. Also nächsten Donnerstag.

Am Mittwoch Morgen, einem schönen Spätherbstvormittage, schritt Leberecht-»olze durch den Böhnhnrdt mit so elastischen Schritten, als es seine Jahre er-


Grenzbotcn 1 1902 64
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[0513] Doktor Dnttmnller und sein Freund ich dir. so eine schöne Gelegenheit kommt nicht wieder. Drei Häuser in Magde¬ burg, und was sonst noch dran rum hängt. Sage es Fritze Poplitzen, daß wir kommen. Es grüßt in Liebe deine Mutter. Nachschrift. Schicke mir doch deine Hemden, welche gewiß wieder quittegelb find, indem daß sie in Holzweißig keine Ahnung haben und waschen, daß es einen Hund jammern thut. Dieselbigte. Das war ein langer Brief. Frau Duttmüller hatte die halbe Nacht daran gesetzt, ihn zu bauen, und Dörcher hatte lange Zeit dazu gebraucht, ihn zu ent¬ ziffern. Schade, daß es in den Sternen geschrieben stand, daß er nicht in den Hafen seiner Bestimmung gelangen sollte. Dörcher war kaum fertig mit lesen, als Stüwel — das war immer das Zeichen zum Aufbruche — mit dem Kuotenstvcke aufklopfte und sagte und sang: Dem mag um sein, wie ihm wolle, aber jetzt heißt es: Ach du mein lieber Gott, muß ich schon wieder fort — auf die Chaussee! auf die Chaussee! Worauf er seine Knochen langsam in Bewegung setzte wie Happichs alter Franz. wenn er mit der Peitsche an seine Pflicht ermahnt wurde. Dörcher hatte kaum Zeit, die Briefschaften wieder in die Tasche zu schieben. Aber was war mit dem Duttmüllerschen Briefe anzusaugen, der erst wieder geschlossen und auch noch überdacht und ausgelegt werden mußte? Sie ließ ihn im Tischkasten ver¬ schwinden, um ihn erst den andern Tag wieder mitzugeben. Was schadete es. wenn er vierundzwanzig Stunden später abgegeben wurde? Die Schuld traf ja dann die Post, und wem wäre es eingefallen, sich zu beschwere»? Dörcher behielt also den Brief zurück, bedachte thu reiflich und kam zu dem Schlüsse, daß sich jene Karoline trotz ihrer drei Häuser in Magdeburg nicht zur Frau Doktor Duttmüller eigue, und daß Louis — so nannte sie ihn bereits in, stillen — viel besser thäte, eine ans dem Orte zu nehmen. Es fehle ja nicht an Mädchen, die bereit wären, den Doktor vom Flecke weg zu heiraten. Wie freilich verhindert werden konnte, daß die alte Duttmüllern mit Hefters Karlinen an¬ komme und Unheil stifte, das fand sie nicht heraus, trotzdem daß sie in der Nacht eine ganze Stunde wachte und grübelte. Diese schlaflose Nacht hatte aber zur Folge, daß Dörcher am andern Tage den Brief vergaß. schadete nicht, morgen war auch ein Tag. Als dieser Tag kam, war der Brief mit mehreren Fettflecken versehen und beim Versuche, das Siegel wieder aufzukleben, versengt worden. Was aber noch schlimmer war, Stüwel hatte seinen Rheumatismus und wurde von einem lungen Postboten vertreten, der der Eifer und die Zuverlässigkeit selbst war, und dem man den Brief nicht in die Tasche stecken durfte. Und so ließ sie mit einigem Herzklopfen den Brief in der Falte zwischen Sitz und Seitenlehne des Sofas ver¬ schwinden und stellte es dem lieben Gott anheim zu fügen, was daraus werden möchte. Hierauf hatte sie wieder eine schlaflose Nacht, das heißt, sie wachte zwischen elf und zwölf Uhr dreimal auf, und dabei siel ihr schwer aufs Herz, daß am nächste,, Donnerstage sowohl Fräulein Hefter als auch Laura Gockel ankommen Würden, vier Hände, die bereit waren, ihr ihren Doktor zu entreiße«, den.alten Göckel und die alte Duttmüllern nicht mit gerechnet. Was sie da in ernstlichem Sinnen aufgedreht hatte, brachte sie am andern Tage zu Papier in einem Briefe, den sie an ihre Freundin in Klein-Siebendorf schrieb. Wir teilen der Kürze wegen von diesem Briefe nur das Postskriptum mit. Liebe Emilie, also du thust mir den Gefallen. Du sagst immer bloß, du hättest Schmerzen im Rücken. Da kann er nie wissen, was das ist. Und was es kostet, das bezahle ich. Ich thue dir auch einmal einen Gefallen. Und °u läßt sagen, du wolltest keinen andern Doktor, du hättest soviel von ihm gehört. Dann kommt er, da kannst du dich drauf verlassen. Also nächsten Donnerstag. Am Mittwoch Morgen, einem schönen Spätherbstvormittage, schritt Leberecht-»olze durch den Böhnhnrdt mit so elastischen Schritten, als es seine Jahre er- Grenzbotcn 1 1902 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/513>, abgerufen am 27.09.2024.