Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.Alte Musikübung mit Recht die Biographien Glucks, Dittersdorfs und andre. Die im gemein¬ Man darf vielleicht noch hinzufügen, daß die Absichten der Komponisten in Alte Musikübung mit Recht die Biographien Glucks, Dittersdorfs und andre. Die im gemein¬ Man darf vielleicht noch hinzufügen, daß die Absichten der Komponisten in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0047" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236571"/> <fw type="header" place="top"> Alte Musikübung</fw><lb/> <p xml:id="ID_84" prev="#ID_83"> mit Recht die Biographien Glucks, Dittersdorfs und andre. Die im gemein¬<lb/> schaftlichen Über so eifrigen Musiker kamen nicht unvorbereitet an ihre Auf¬<lb/> gaben heran; sie waren für den Vortrag gründlich geschult. Darüber, wie<lb/> ein piano, ein torts, ein tortissiiuo oder die Untergrade dieser Klangstärken<lb/> zu geben seien, wurden Jnstrumentalisten und Sänger in den Lehrbüchern auf<lb/> das gründlichste belehrt. So konnten die Komponisten die Verteilung von<lb/> Licht und Schatten ruhig den singenden und spielenden Künstlern überlassen<lb/> und sich mir ihren Vorschriften auf die Stellen beschränken, wo sie, wie<lb/> Kretzschmar sich ausdrückt, „vou der Tradition und dem nächstliegenden ab¬<lb/> weichen, oder wo ein Zweifel über ihre Absichten entstehn konnte."</p><lb/> <p xml:id="ID_85" next="#ID_86"> Man darf vielleicht noch hinzufügen, daß die Absichten der Komponisten in<lb/> der alten Musik im ganzen leichter zu erkennen sind, als in der unsrigen.<lb/> Wenn trotzdem unsre Musiker bei ältern Kompositionen oft völlig fehl gehn,<lb/> so ist dabei, so glaube ich wenigstens, häufig nur der Umstand schuld, daß sich<lb/> die historisch in keiner Weise gebildeten oder auch nur angeregten Künstler nicht<lb/> mit der rechten Liebe an die Sache machen und das auszuführende Werk von<lb/> Anfang an mehr nur als Kuriosität, dem: als lebendes Kunstwerk ansehen.<lb/> Die ältere Musik, ich denke hier nmueutlich um die Instrumentalmusik, bei der<lb/> über die Absicht des Komponisten weit eher gestritten werden kann, als bei<lb/> dein mit einem textlichen Leitfaden ausgestattete!: Gesang, ruht weit mehr noch<lb/> auf den elementaren musikalischen Grundlagen, als unsre zu größter Künstlich¬<lb/> keit ausgebildete Tonkunst. Darauf deutet das Mre Vorkommen des Cres¬<lb/> cendos, das nach Kretzschmar freilich nicht ganz ausgeschlossen ist, dafür spricht<lb/> auch das sogenannte Echo, das vom sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten<lb/> Jahrhunderts eines der wichtigsten Ausdrucksmittel war. Man bildete das<lb/> natürliche Echo nach, indem man eine Phrase eines Stückes von entfernt<lb/> oder auch in einem andern Raum stehenden Sängern oder Spielern schwächer<lb/> wiederholen ließ, oder, und das war das häufigste, denselben Exekutnnten war<lb/> die notengetreue Wiederholung einzelner Phrasen vorgeschrieben. Immer hatten<lb/> sie in einem solchen Fall, anch wenn das nicht besonders vermerkt war, das<lb/> erstemal torto, das zweitemal pig.no zu spielen; es kommt auch nicht selten,<lb/> namentlich am Schluß eines Stückes, ein zweites Echo, pmnwiino, vor. Auf<lb/> den Reiz dieser elementaren Wirkung von stark und schwach sind häufig ganze<lb/> Stücke aufgebaut. Kretzschmar giebt zahlreiche Beispiele für das Vorkommen<lb/> und genaue Anweisungen über die Ausführung des Echos. Er sagt, die Lehr¬<lb/> bücher bringen zwar keinen Abschnitt unter dein Titel Echo, aber das Gesetz<lb/> des Echos stellen sie ausdrücklich und klar genug auf. Dazu könnte man bei¬<lb/> fügen, daß Walther in seinem bekannten „Musikalischen Lexikon. 1732" einen<lb/> besondern Artikel unter „Echo" bringt, der ausdrücklich sagt, daß dieses in<lb/> der Musik häufig imitiert werde. Interessant ist auch, daß derselbe Autor das<lb/> ^ikwo (p.), ?in xig.no (xx.) und xiginssimo (pxp.) durch den Vergleich mit<lb/> einem ersten, zweiten und dritten Echo erklärt. Es ist das ein kleiner Hinweis<lb/> darauf, daß die Musik doch auch, was zuweilen bestritten wird, durch Nach¬<lb/> ahmung von Naturerscheinungen entstanden ist; zweitens ein Beweis für die<lb/> oben ausgesprochne Behauptung, daß die ältere Musik (für die also das Echo</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0047]
Alte Musikübung
mit Recht die Biographien Glucks, Dittersdorfs und andre. Die im gemein¬
schaftlichen Über so eifrigen Musiker kamen nicht unvorbereitet an ihre Auf¬
gaben heran; sie waren für den Vortrag gründlich geschult. Darüber, wie
ein piano, ein torts, ein tortissiiuo oder die Untergrade dieser Klangstärken
zu geben seien, wurden Jnstrumentalisten und Sänger in den Lehrbüchern auf
das gründlichste belehrt. So konnten die Komponisten die Verteilung von
Licht und Schatten ruhig den singenden und spielenden Künstlern überlassen
und sich mir ihren Vorschriften auf die Stellen beschränken, wo sie, wie
Kretzschmar sich ausdrückt, „vou der Tradition und dem nächstliegenden ab¬
weichen, oder wo ein Zweifel über ihre Absichten entstehn konnte."
Man darf vielleicht noch hinzufügen, daß die Absichten der Komponisten in
der alten Musik im ganzen leichter zu erkennen sind, als in der unsrigen.
Wenn trotzdem unsre Musiker bei ältern Kompositionen oft völlig fehl gehn,
so ist dabei, so glaube ich wenigstens, häufig nur der Umstand schuld, daß sich
die historisch in keiner Weise gebildeten oder auch nur angeregten Künstler nicht
mit der rechten Liebe an die Sache machen und das auszuführende Werk von
Anfang an mehr nur als Kuriosität, dem: als lebendes Kunstwerk ansehen.
Die ältere Musik, ich denke hier nmueutlich um die Instrumentalmusik, bei der
über die Absicht des Komponisten weit eher gestritten werden kann, als bei
dein mit einem textlichen Leitfaden ausgestattete!: Gesang, ruht weit mehr noch
auf den elementaren musikalischen Grundlagen, als unsre zu größter Künstlich¬
keit ausgebildete Tonkunst. Darauf deutet das Mre Vorkommen des Cres¬
cendos, das nach Kretzschmar freilich nicht ganz ausgeschlossen ist, dafür spricht
auch das sogenannte Echo, das vom sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten
Jahrhunderts eines der wichtigsten Ausdrucksmittel war. Man bildete das
natürliche Echo nach, indem man eine Phrase eines Stückes von entfernt
oder auch in einem andern Raum stehenden Sängern oder Spielern schwächer
wiederholen ließ, oder, und das war das häufigste, denselben Exekutnnten war
die notengetreue Wiederholung einzelner Phrasen vorgeschrieben. Immer hatten
sie in einem solchen Fall, anch wenn das nicht besonders vermerkt war, das
erstemal torto, das zweitemal pig.no zu spielen; es kommt auch nicht selten,
namentlich am Schluß eines Stückes, ein zweites Echo, pmnwiino, vor. Auf
den Reiz dieser elementaren Wirkung von stark und schwach sind häufig ganze
Stücke aufgebaut. Kretzschmar giebt zahlreiche Beispiele für das Vorkommen
und genaue Anweisungen über die Ausführung des Echos. Er sagt, die Lehr¬
bücher bringen zwar keinen Abschnitt unter dein Titel Echo, aber das Gesetz
des Echos stellen sie ausdrücklich und klar genug auf. Dazu könnte man bei¬
fügen, daß Walther in seinem bekannten „Musikalischen Lexikon. 1732" einen
besondern Artikel unter „Echo" bringt, der ausdrücklich sagt, daß dieses in
der Musik häufig imitiert werde. Interessant ist auch, daß derselbe Autor das
^ikwo (p.), ?in xig.no (xx.) und xiginssimo (pxp.) durch den Vergleich mit
einem ersten, zweiten und dritten Echo erklärt. Es ist das ein kleiner Hinweis
darauf, daß die Musik doch auch, was zuweilen bestritten wird, durch Nach¬
ahmung von Naturerscheinungen entstanden ist; zweitens ein Beweis für die
oben ausgesprochne Behauptung, daß die ältere Musik (für die also das Echo
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